Der Ex-Bürgermeister sagt in Richtung seines Nachfolgers: “Die Rückkehr zu einer konservativen Politik ist nicht Erfolg versprechend“.

Hamburg. Fünf Monate nach seinem Ausscheiden aus dem Amt bereut Altbürgermeister Ole von Beust (CDU) seinen Rücktritt. "Wenn ich gewusst hätte, dass die schwarz-grüne Koalition drei Monate später knallt, wäre ich geblieben", sagte von Beust im Interview mit NDR 90,3.

Der erfahrene Politiker hatte die Lage im Sommer des vergangenen Jahres trotz vielfacher Warnungen allerdings offensichtlich völlig anders eingeschätzt. "Ich hatte den Eindruck, das Feld ist gut bestellt", sagte der Ex-Regierungschef mit Blick auf die Zukunft des schwarz-grünen Bündnisses. "Wenn mir klar gewesen wäre, dass die Züge so aufeinander zurollen und es knallt, hätte ich es bis zum Ende der Legislaturperiode machen können. " Mit anderen Worten: Von Beust hätte sich zugetraut, das Bündnis zusammenzuhalten und über die Zeit zu bringen.

Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) wollte gestern nicht zu den Äußerungen seines Vorgängers Stellung nehmen. Nach Informationen des Abendblatts war Ahlhaus allerdings vorab darüber informiert, dass von Beust sich äußern werde.

"Wie die Zerrüttung innerhalb weniger Wochen geschehen konnte, ist von außen schwer zu beurteilen", sagte von Beust. Es habe Stimmen in der Union nach "CDU pur" gegeben - auch als "Reflex in Abgrenzung zu mir". Aufseiten der GAL sei zum Beispiel mit Verärgerung registriert worden, dass die CDU die Verhandlungen über einen Staatsvertrag mit den muslimischen Gemeinden plötzlich infrage gestellt habe. Andererseits hätten die Grünen wegen der günstigen Umfragen bundesweit zunehmend die Chance zu Neuwahlen gesehen. "Das waren sich hochschaukelnde Effekte."

Der Frage, welchen Anteil Ahlhaus und Partei- und Fraktionschef Frank Schira an dem Bruch des Bündnisses haben, wich von Beust aus. Er wolle die Arbeit der beiden "nicht öffentlich bewerten". Nur so viel: "Christoph Ahlhaus wollte die Koalition wirklich."

Mit dem aktuellen Wahlkampfkonzept der Union setzt sich der Altbürgermeister kritisch auseinander. Die Rückkehr der CDU zu einer konservativen Politik sei nicht Erfolg versprechend. "Sich auf den eigenen Kern zu reduzieren, wird einem vermutlich in Wahlen die Sache nicht erleichtern", sagte von Beust. Die Abkehr von der liberalen Großstadtpolitik der Union sei vielleicht ein "Reflex auf eine - von mir gar nicht so empfundene - Dominanz der vielen Jahre mit Inhalten, gegen die viele in der Union Vorbehalte hatten". Andererseits habe diese Politik "uns aber immerhin gute Wahlergebnisse gebracht". Für Parteien sei es grundsätzlich gut, "Grenzen zu überschreiten".

Parteichef Schira weist die Behauptung von Beusts zurück, die CDU führe einen konservativen Wahlkampf. "Ich sehe das nicht so. Wir waren immer breit aufgestellt als Hamburger CDU", sagte Schira dem Abendblatt. "Wir sind weiterhin eine liberale Großstadtpartei." Das zeige auch ein Blick ins Wahlprogramm der Union.

Verständnis zeigt von Beust dafür, dass Ahlhaus und Schira den Primarschulgegner Walter Scheuerl auf Platz fünf der CDU-Landesliste zur Bürgerschaftswahl gesetzt haben: "Vielleicht gelingt es der CDU damit, ehemalige Gegner zu versöhnen." Er verteidigt seinen damaligen Kurs, mit der GAL zusammen die Primarschule einführen zu wollen. "Wer führen will, muss das Risiko des Scheiterns eingehen", so von Beust. Die Primarschule wurde bekanntlich per Volksentscheid gekippt. Diskret verweist der Altbürgermeister darauf, dass die CDU einst "einvernehmlich diese andere Schulpolitik beschlossen" hatte, von der die Partei nun abgerückt ist. "Und Herr Ahlhaus hat damals auch mit gestritten. "

Eindringlich warnt der frühere Bürgermeister vor Rot-Grün, das werde zu "Dauerärger" führen. Eine Große Koalition sei dagegen immer "Ultima Ratio" (letztes Mittel, die Red.), aber vielleicht eine vernünftige Lösung.

In dem halbstündigen Gespräch auf NDR 90,3 äußerte sich der ehemalige Bürgermeister auch zu seinem Privatleben, das nun "freier" sei. "Der Druck ist weg", sagte der Ex-Politiker, der wieder als Rechtsanwalt und zudem als Unternehmensberater arbeitet. "Die Landespolitik hat sich für mich erledigt."

Ganz aber doch nicht. Auf der CDU-Schlusskundgebung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am 17. Februar wird auch Ole von Beust sprechen.