Gesundheitssenator Dietrich Wersich lehnt die Idee des SPD-Innenexperten Andreas Dressel ab und setzt auf eine Kultur des Hinsehens.

Hamburg. Die Hamburger Politik muss Jugendliche und Kinder besser vor Alkohol schützen - das will SPD-Innenexperte Andreas Dressel durchsetzen. "In der nächsten Bürgerschaftssitzung fordern wir den Senat in einem Antrag auf, die Alkoholprävention zu verstärken und Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz ab 2011 nach niedersächsischem Vorbild mit einem Alkohol-Testkauf-Programm zu begegnen", sagt Dressel. Zudem sei zu prüfen, ob ein nächtliches Verkaufsverbot für Alkohol an Tankstellen, Kiosken und Supermärkten eingeführt werden sollte.

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Dass die Politik handeln müsse, zeigten auch die Ergebnisse der aktuellen Studie der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) und der Leuphana-Universität Lüneburg. Wie berichtet, ergab die Studie, dass der generelle Alkoholkonsum bei Jugendlichen zwar rückläufig ist, das sogenannte Rauschtrinken, bei dem Jugendliche mindestens fünf Gläser Alkohol direkt hintereinander trinken, jedoch zunimmt. Von den Befragten gaben 43 Prozent an, sich mindestens einmal im Monat einen Rausch anzutrinken.

"Wir müssen diesen Trend zum exzessiven Alkoholkonsum stoppen", sagt Andreas Dressel. Wirksam seien dabei Alkohol-Testkäufe von Jugendlichen. "Bisher ist der Jugendschutz in Hamburg ein relativ zahnloser Tiger." Das Risiko für Ladeninhaber und Personal, bei illegalem Alkoholverkauf erwischt zu werden, könne durch Testeinkäufe deutlich erhöht werden. "Die ersten, sehr überzeugenden Ergebnisse von Alkohol-Testkäufen in Niedersachsen sollten Anlass genug sein, auch in Hamburg ein solches Programm auf den Weg zu bringen." Mit einer qualifizierten Begleitung und Betreuung der jungen Testkäufer könne man auch Bedenken Rechnung tragen. In Niedersachsen wurden bis Anfang des Jahres 730 Bußgelder verhängt, die Quote der Verstöße sank von rund 55 Prozent 2008 auf 40,8 Prozent im vierten Quartal 2009.

Gesundheitssenator Dietrich Wersich (CDU) lehnt die Einführung der Testeinkäufe jedoch ab. "Zusammen mit vielen Experten halte ich es für problematisch, wenn wir junge Menschen dazu benutzen, selbst Gesetze zu übertreten oder andere zu einem Gesetzesübertritt zu verführen", sagt er. "Wir brauchen eine Kultur des Hinsehens aller Menschen, auch an den Verkaufsstellen." Er habe in jüngster Zeit erfreuliche Fortschritte bei Geschäften beobachtet, die regelmäßig nach dem Ausweis fragten. Wersich: "Das bringt mehr als einzelne, fingierte Kontrollen."

Die Gesundheitsbehörde setzt vor allem auf den Bereich Prävention, um Heranwachsende stark zu machen, Nein sagen zu können. "Das passiert auf allen Ebenen: in der Schule, der Jugendhilfe, bis hin zu spezifischen Suchtpräventionsangeboten", sagt Wersich. Die Zahlen der DAK-Studie zeigten, dass die Anstrengungen der gesamten Gesellschaft gegen den verfrühten Suchtmittelkonsum bei Kindern und Jugendlichen nicht nachlassen dürften. "Wer früher anfängt, hat ein besonderes Risiko später mehr zu trinken oder sein Leben durch Alkohol zu zerstören."

Dass laut Studie Leistungsdruck in der Schule im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum von Gymnasiasten steht, sieht der Gesundheitssenator kritisch. "Schüler sind wie alle Menschen einem gewissen Leistungsdruck ausgesetzt", sagt Wersich. Aber das sei früher auch nicht so viel anders gewesen. "Studien aus den 70er-Jahren zufolge war der Alkoholkonsum damals sogar höher als heute. Ich glaube, es geht weniger um Existenzsorgen. Ausschlaggebend ist die Suche nach dem Kick."