15-Jährige erhielt in Supermärkten, an Tankstellen und Kiosken harte Getränke. Nur drei von 13 lehnten ab.

Der 13. Geburtstag sollte "richtig" gefeiert werden. Mit Alkohol. Die Fete endete in der Nacht zum Sonntag im Kinderkrankenhaus Wilhelmstift. Diagnose: Vollrausch. Das Mädchen aus dem Maukestieg in Billstedt und die anderen Jugendlichen hatten Geld zusammengelegt und eine Frau überredet, ihnen an einem Kiosk eine Flasche Wodka zu kaufen. Als die Polizei eintraf, war die Flasche leer, das Kind zusammengebrochen.

Die Techniker Krankenkasse hat gerade eine besorgniserregende Statistik über das Alkoholkonsumverhalten Minderjähriger veröffentlicht: Immer mehr Kinder und Jugendliche müssen mit Alkoholvergiftungen ins Krankenhaus eingeliefert werden. 2008 registrierte die Kasse allein einen Anstieg solcher Einweisungen um 174 auf 1765. Der Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung bestätigt diesen Trend. Bundesweit wurden 2008 mehr als 23 000 Kinder und Jugendliche teils bis zur Bewusstlosigkeit betrunken in Krankenhäuser gebracht. Die Alkoholpatienten würden zudem immer jünger.

Kritik gibt es in diesem Zusammenhang vor allem und immer wieder am lockeren Umgang mit den Jugendschutzvorschriften in Läden. Zu leicht könnten Minderjährige Alkohol erwerben, der erst ab 16 Jahren beziehungsweise bei Hochprozentigem mit 18 Jahren freigegeben ist, sagen die Kritiker. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) war vor zwei Jahren dennoch mit dem Vorschlag, jugendliche Testkäufer zur Feststellung von Verstößen loszuschicken, auf Protest gestoßen. In Niedersachsen hingegen laufen solche Testkäufe bereits, wobei jugendliche Polizeianwärter als Testkäufer eingesetzt werden. Das Ergebnis: Bei mehr als 1000 Kontrollen wurde in beinahe jedem zweiten Fall Alkohol an die Jugendlichen verkauft.

Wie leicht hat es ein Jugendlicher in Hamburg, an Alkohol zu kommen? Das Abendblatt hat 13 Hamburger Supermärkte, Kioske und Tankstellen in Eimsbüttel, Hamm und Horn getestet. Unsere Testkäuferin war die 15-jährige Alissa Rauhe. Sie wirkt aufgrund ihrer Größe von 1,80 Metern recht erwachsen, an ihrem Gesicht ist jedoch ihr jugendliches Alter zu erkennen. Das Ergebnis des Tests: In zehn Läden kaufte Alissa problemlos Wodka, Rum, Wein und Bier. Sätze wie "normalerweise fragen wir immer nach dem Ausweis" gab es nach anschließender Aufklärung über die Testaktion mehrfach. Nur wenige Verkäufer räumten ein, dass sie einen Fehler gemacht haben. In drei Fällen fragte man nach Alissas Ausweis. Das Abendblatt dokumentiert einige Testkäufe:

"Hoffentlich war die 18", sagt die Kassiererin im Edeka-Niemerszein-Markt an der Osterstraße zu in der Schlange stehenden Kunden, nachdem sie Alissa eine Flasche Wodka verkauft hat. Das Abendblatt klärt auf: "Das war ein Testkauf. Das Mädchen ist erst 15 Jahre alt." Die Angestellte zuckt mit den Schultern. "Das ist schiefgelaufen. Ich hatte Zweifel." Der stellvertretende Filialleiter kommt hinzu, entschuldigt sich: "Eigentlich gibt es die Anweisung, nach dem Ausweis zu fragen."

In einem Kiosk an der Osterstraße fragt der Verkäufer Alissa, ob sie das Bier lieber kalt haben möchte. Sie will es warm. Er verkauft es ihr. Dem Abendblatt sagt er, er habe Alissa auf 19 Jahre geschätzt.

Aldi-Markt am Langenfelder Damm: Unsere Testkäuferin legt einen hochprozentigen Obstbrand auf das Warenband. Die Verkäuferin (55) scannt den Alkohol ein, vorher und währenddessen hebt sie nicht den Blick. Dann schaut sie doch auf und der 15-Jährigen ins Gesicht. "Den Ausweis, bitte", sagt die 55-Jährige. Alissa: "Den habe ich nicht dabei." Die Verkäuferin: "Dann kann ich Ihnen den Schnaps nicht verkaufen."

In der Shell-Tankstelle an der Fruchtallee steht der hochprozentige Alkohol hinter dem Verkaufstresen, die Kunden müssen danach fragen. Alissa lässt sich von der Verkäuferin (25) beraten, welcher Wodka der Beste ist. Die Verkäuferin will die ausgewählte Flasche abkassieren. Alissa fragt: "Wollen Sie nicht meinen Ausweis sehen?" "Nein." Das Abendblatt sagt der Angestellten, wie alt Alissa ist. Darauf die Verkäuferin: "Wir hatten schon oft Kunden, die wir nach dem Alter gefragt haben und die sich dann geärgert haben, weil sie 20 oder älter waren."

Alissa versucht es im Rewe-Markt im Einkaufszentrum Horn mit einer Flasche Martini und einem Rum. Kassiererin Marita Lempke (47) möchte ihren Ausweis sehen. Die 15-Jährige kann sich nicht ausweisen. Eine Kollegin schaut Alissa ins Gesicht und sagt: "Ausweis. Sonst geht das nicht." Marita Lempke: "Ich habe das Mädchen auf höchstens 16 geschätzt."

Budnikowsky-Filiale im EKZ Horn: Die 26 Jahre alte Kassiererin verkauft Alissa zwei Flaschen Biowein. "Ich hab noch für einen Moment überlegt", sagt sie danach und entschuldigt sich bei Alissa. Später ruft Geschäftsführer Cord Wöhlke beim Abendblatt an. Er bedankt sich für den Test und sagt: "Die Zielgruppe von unseren Bioprodukten ist eigentlich älter, deshalb gab es bei uns bisher noch kein Problembewusstsein, was Minderjährige betrifft. Wir werden darauf jetzt stärker achten."

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