CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich attackiert den SPD-Senat und macht schwere Defizite bei der Haushaltskonsolidierung und der Hafenpolitik aus.

Hamburg. Ihren Humor hat die CDU auch nach der krachenden Niederlage bei der Bürgerschaftswahl 2011 nicht verloren. "Zählt das Erreichte oder reicht das Erzählte?", lautet die ironisch-rhetorische Leitfrage eines Hefts zur Ein-Jahres-Bilanz des SPD-Senats, das CDU-Bürgerschafts-Fraktionschef Dietrich Wersich in den nächsten Wochen bei Veranstaltungen in den 17 Wahlkreisen verteilen will.

Das Zwischenzeugnis für Bürgermeister Olaf Scholz und seinen Senat fällt aus CDU-Sicht erwartungsgemäß denkbar schlecht aus. Vor allem in der Haushaltspolitik, aber auch in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft oder Verkehr blieb es, so die CDU-Opposition, bei Versprechen, denen keine oder wenig Taten gefolgt seien.

"Der Senat hat weder das Versprechen, 250 Beschäftigte im öffentlichen Dienst abzubauen, noch die Ausgabensteigerung auf höchstens ein Prozent zu begrenzen, eingehalten", sagte CDU-Haushaltsexperte Roland Heintze. "Das ist pure Ankündigungspolitik." Der Hafenentwicklungsplan sei um ein Jahr verschoben worden, und beim Masterplan Industrie tue sich gar nichts.

Besonders scharf fällt das Urteil der Union bei der Bewertung von Bürgermeister Scholz aus. Für Wersich hat das Foto, das den Bürgermeister allein auf der Senatsbank nach seiner Wahl am 7. März 2011 zeigt, Symbolkraft für dessen Regierungsstil. "Es ist eine Form von Alleinherrschaft. Olaf Scholz hat so viel Macht wie kein Bürgermeister vor ihm", sagte Wersich. Der SPD-Politiker ist Senatschef und Landesvorsitzender seiner Partei zugleich. Zudem regiert die SPD mit absoluter Mehrheit, muss daher auf keinen Koalitionspartner Rücksicht nehmen.

"Die SPD hat die Machtübernahme durchgeführt und die Bereinigung der Verwaltung in Angriff genommen", sagte Wersich. Gemeint ist die Besetzung von Top-Posten des öffentlichen Dienstes mit Parteifreunden. "Obwohl deren Amtsperioden noch nicht abgelaufen waren, hat die SPD die CDU-Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg und Cornelia Schroeder-Piller abgelöst und durch Genossen ersetzt", kritisierte der Oppositionschef. Mit Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch kam ein weiterer Sozialdemokrat in ein Spitzenamt. "Die SPD will die absolute Macht in der Stadt übernehmen", so Wersichs Fazit.

Dass die SPD 52 Prozent Zustimmung wie zuletzt in der Abendblatt-Umfrage erreicht, hängt für Wersich auch damit zusammen, dass der Senat von den Leistungen seines Vorgängers profitiert. "Eine geringe Arbeitslosenquote, die Senkung der Schulabbrecherquote, die Ganztagsschulbetreuung oder die drei Milliarden Euro für die Sanierung von Schulgebäuden", listet Wersich auf. Das alles sei Folge der Politik der Senate unter CDU-Führung seit 2001. Hinzu komme der günstige Umstand, dass die Steuereinnahmen 2011 um 1,5 Milliarden Euro höher ausgefallen seien, als die Prognosen zu CDU-Regierungszeiten erwarten ließen.

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In den politischen Angriff mischten sich aber auch nachdenkliche Töne. So hält es Wersich für wenig überraschend, dass die Union ein Jahr nach der Wahl mit 21 Prozent im Umfragekeller steckt: "Das ging der SPD nach 2001 nicht anders." Viele Menschen bewerteten die Arbeit des SPD-Senats nach wie vor positiv. "Die Wahrnehmung ist in der Politik häufig wichtiger als die Wahrheit", lautet seine Erkenntnis. Wersich hält es für falsch, wenn die CDU jetzt kurzatmig versuchen würde, das Ruder herumzureißen "Was wir jetzt brauchen, ist ein Basis-Aufbruch. Wir brauchen Netzwerk und nicht Wahlkampf", sagte der CDU-Politiker. Wenn Parteien Wahlen verlieren, dann "verlieren sie auch Bindungskraft". Um verlorenes Terrain wieder zurückzugewinnen, will Wersich mit einer Diskussionsreihe in jedem Hamburger Wahlkreis das Gespräch mit den Bürgern aufnehmen.

Den aktuellen Querelen in den eigenen Reihen wollte der Fraktionschef nicht allzu viel Gewicht beimessen. "Das kommt in den besten Familien vor", kommentierte Wersich die heftige Auseinandersetzung zwischen den Abgeordneten Heiko Hecht und Jörg Hamann aus der CDU Mitte, die sich öffentlich gegenseitig Faulheit und Intriganz vorwerfen. "Grundlage des Konflikts in der CDU Mitte ist die Aufnahme von Mitgliedern. Darum kümmert sich Parteichef Marcus Weinberg", sagte Wersich. Die Arbeit der Fraktion leide jedenfalls unter dem Streit nicht.

Allerdings räumte Wersich ein, dass "öffentlich ausgetragene Konflikte für keine Partei gut" seien. Auf die Frage, ob er Hecht und Hamann zur Ordnung rufen wolle, antwortete der Fraktionschef nicht direkt: "Solche Gespräche werden fraktionsintern geführt."