Die Bauaufsicht segnet das umstrittene Konstruktion über der Elbphilharmonie ab. Hochtief aber bleibt skeptisch und prüft den Weiterbau.

Hamburg. Auf den ersten Blick gab es zum Projekt Elbphilharmonie gestern ausnahmsweise eine gute Nachricht. Auf den zweiten war es dagegen ein weiterer herber Rückschlag. Und auf den dritten Blick bleibt immerhin ein kleiner Hoffnungsschimmer. In jedem Fall ließ die gestrige Entscheidung der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) zur Sicherheit des gigantischen Daches des Konzerthauses die Beteiligten etwas ratlos zurück.

Das war passiert: Die Bauaufsicht der BSU und ein von der Behörde beauftragter Prüfingenieur kommen zu dem Ergebnis, dass die gigantische Dachkonstruktion sicher ist. Die von dem Baukonzern Hochtief behauptete Überlastung sei "nicht nachvollziehbar", heißt es: "Aus Sicht der Bauaufsicht bestehen keine Hindernisse für eine Fortführung der Baumaßnahmen." Nach mehr als zwei Jahren Streit um das Dach wäre das eine gute Nachricht.

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Doch wie erwartet zog Hochtief das Prüfergebnis umgehend in Zweifel. "Mit der jetzt vorliegenden Stellungnahme der BSU sind die Bedenken für Hochtief nicht ausgeräumt", teilte der Essener Konzern mit. Die von Hochtief beauftragten Gutachter hielten die Sicherheit der Stahl-Beton-Konstruktion für nicht nachweisbar. "Vor diesem Hintergrund kann eine Gefahr für die Sicherheit nicht ausgeschlossen werden. Auch Folgeschäden, zum Beispiel Risse in der Konstruktion und im Ausbau, sind möglich." Diese Erklärung ließ Schlimmes befürchten - denn eine Einigung in Sachen Dachstatik ist die Voraussetzung dafür, dass an dem Gebäude weitergearbeitet werden kann.

Doch bei genauem Hinsehen hat Hochtief die nächste Eskalationsstufe noch nicht gezündet - den Gang zum Gericht. Wie das Abendblatt exklusiv berichtet hatte, hatte der Konzern mit Blick auf die gestrige Entscheidung der BSU auch erwogen, ein sogenanntes Beweissicherungsverfahren anzustrengen. Das hätte bedeutet, dass ein Gericht die Sicherheitsfrage klären muss, und das könnte Monate dauern, vielleicht mehr als ein Jahr. Keine schöne Aussicht angesichts der Tatsache, dass jeder Tag Stillstand auf der Baustelle etwa 100 000 Euro kostet. Und Klarheit bringt so ein Verfahren auch nicht unbedingt. Wie berichtet, hatte Hochtief bereits im Streit um die Risse im Putz der Rolltreppenverkleidung ein Beweissicherungsverfahren angestrengt und vor Gericht weitgehend recht bekommen - was jedoch dafür sorgte, dass die Stadt die Unbefangenheit des Gutachters anzweifelte. Ausgang offen.

Statt den Streit also derart auf die Spitze zu treiben, schloss Hochtief seine gestrige Mitteilung mit dem Satz: "Wir sind trotzdem bestrebt, die Arbeiten am Dach so schnell wie möglich wieder aufzunehmen, und prüfen dazu alle Optionen und Haftungsfragen." Nach Abendblatt-Informationen denkt der Konzern darüber nach, die seit Oktober ruhenden Arbeiten am Dach wieder aufzunehmen (wenn die Witterung es denn zulässt), die Sicherheitsfrage aber dennoch parallel klären zu lassen. Am liebsten wäre es Hochtief wohl, wenn die Stadt einfach die Verantwortung für die Statik übernehmen würde, schließlich sind ihre Experten ja von der Sicherheit überzeugt. Darauf dürfte sich die Stadt jedoch kaum einlassen, denn wer in diesem Punkt nachgibt, könnte am Ende enorme Kosten für die längere Bauzeit aufgebrummt bekommen.

Bislang kostet die Elbphilharmonie die Stadt 323 Millionen Euro und muss am 28. Februar fertig übergeben werden. Der SPD-Senat hatte im Herbst mitgeteilt, dass er Nachforderungen von Hochtief in Höhe von 100 Millionen Euro erwartet (diese aber für unberechtigt hält). Und weil der 28. Februar nur noch juristisch bedeutsam ist - realistisch ist eine Fertigstellung 2014 oder 2015 -, fordert die Stadt vom Baukonzern bereits 40 Millionen Euro zurück.

Die Lage ist also total verfahren. Dass Hochtief dennoch immerhin Bereitschaft zur Einigung andeutet, hat auch Heribert Leutner, Chef der städtischen Realisierungsgesellschaft (ReGe), registriert: "Wir gehen davon aus, dass Hochtief nunmehr seine Verweigerungshaltung aufgibt und zügig die Arbeiten am Saaldach wieder aufnimmt." Allerdings erhebt auch Hochtief den Vorwurf "Verweigerung" - weil die Stadt ihre eigenen Statikberechnungen nicht herausrücken will.

Um das Ausmaß der Auseinandersetzung zu verstehen, genügen einige Zahlen: Bislang wiegt das Dach etwa 2000 Tonnen. Es ruht noch auf sogenannten Auflagern, die nun in einem komplizierten Absenkungsprozess entfernt werden müssen, damit die Dachlast auf das Gebäude übertragen wird. Danach kommen noch einmal 6000 Tonnen oben drauf - Haustechnik wie Heizung, Lüftung und Kabel sowie die nach außen sichtbare zweite Dachhülle. Insgesamt wird die Konstruktion dann 7972 Tonnen wiegen - so viel wie 14 Airbusse A380.