Helsinki hat sein neues Konzerthaus eröffnet. Der Saal stammt von Akustik-Designer Yasuhisa Toyota, den auch Hamburg engagiert hat.

Helsinki. Endlich ist es so weit: Die ersten Töne des Orchesters füllen den neuen Konzertsaal. Und sie klingen wunderbar. Das jahrelange Warten hat sich also doch noch gelohnt. Alle Bauverzögerungen, alle Kostensteigerungen in Millionenhöhe scheinen vergessen; die letzten Zweifel werden vom Beifall des Publikums weggespült. Ende gut, alles gut.

Das liest sich wie ein Wunschtraum. Ist aber nackte Realität. Allerdings - hier kommt der kleine Haken an der Geschichte - reden wir nicht von Hamburg und seiner Elbphilharmonie, sondern vom Musiikkitalo in Helsinki.

Das neu eröffnete Konzerthaus steht an der Mannerheimintie, der Hauptstraße von Helsinki, zwischen dem Kiasma-Museum für Moderne Kunst und der Finlandia-Halle, gegenüber vom Parlament. Mit seinen klaren, strengen Formen und den Fassaden aus Glas und grün patiniertem Kupfer fügt sich der kubische Bau dezent in seine Umgebung ein. Ein moderater Auftritt, der sehr gut zur finnischen Mentalität passt und den Geist eleganter Zweckmäßigkeit verströmt. Genau das war auch die Absicht des Architekten Marko Kivistö vom Büro LPR-architects: Das äußere Design soll den Besucher einladen, und auf keinen Fall vom Wesentlichen - der Musik - ablenken.

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Herzstück des Musiikkitalo ist der große, 1704 Sitzplätze umfassende Konzertsaal - ausgetüftelt vom selben ja-panischen Akustikdesigner, Yasuhisa Toyota, der auch den Sound der Elbphilharmonie kreiert. Wie in Hamburg hat er sich für eine weinbergartige Struktur entschieden, bei der die Zuschauerränge kraterförmig zum Podium hin abfallen. Die dunkel gebeizten Birkenholzpaneele an den Wänden erinnern dabei sicher nicht zufällig an eine Sauna. Das Auge hört schließlich mit.

Und tatsächlich entfaltet der Saal einen warmen und bis in die dynamischen Extrembereiche sehr transparenten Klang. Wunderbar kernig-kraftvoll und zugleich kultiviert tönten die Blechbläser zu Beginn von Jean Sibelius' "Finlandia", bei dem Mitglieder des Helsinki Philharmonic Orchestra und des Finnischen Radiosinfonieorchesters gemeinsam mit dem Chor der Sibelius Akademie musizierten. Absolut hinreißend auch das geflüsterte und trotzdem perfekt hörbare Pianissimo der Streicher kurz vor Ende der Tondichtung "Tapiola". So ein Klangzauber wäre in der alten Finlandia-Halle nebenan kaum denkbar.

Mit dem "Sacre du Printemps" von Strawinsky wartete dann nach der Pause noch eine richtige Feuertaufe. Und auch die absolvierten der Saal und das Radiosinfonieorchester mit Bravour: Selbst in den wildesten Momenten, wenn sich die Musik zu einem archaisch stampfenden Ungetüm zusammenballt, behält der Raum seine Klarheit und macht jedes Detail hörbar.

Kein Wunder, dass Maestro Sakari Oramo den Architekten und den Akustiker anschließend ausgiebig knuddelte - und das Publikum die beiden mit für finnische Verhältnisse geradezu ekstatischem Jubel bedachte. Da ist ihnen im Teamwork ein Meisterstück gelungen.

Aus Hamburger Sicht erlebt man das alles mit sehr gemischten Gefühlen. Einerseits weckt die Akustik in Helsinki große Hoffnungen: Schließlich hat der große Saal der Elbphilharmonie, auch wenn er noch rund 450 Plätze mehr umfasst, eine ganz ähnliche Struktur. Intendant Christoph Lieben-Seutter, der die Eröffnung in Helsinki miterlebt hat, wertete den Erfolg dann auch als gutes Omen: "Ich bin sehr beeindruckt. Der Saal hat eine wunderbar runde und warme Akustik, er trägt das volle Volumen, und man kann alle Feinheiten hören. Toyota hat einen sehr guten Saal gebaut, und es stehen alle Zeichen auf Grün, dass ihm das auch in Hamburg gelingen wird."

Andererseits streut so ein Abend Salz in offene Wunden, denn ursprünglich sollte die Elbphilharmonie vor dem Musiikkitalo eröffnet werden. Das hat bekanntermaßen nicht ganz geklappt, obwohl es auch in Helsinki zu Anfang Verzögerungen gab. Aber warum waren die Finnen am Ende so viel schneller?

Ein Grund ist die klare Prioritätensetzung. Der Architektenwettbewerb wurde erst ausgeschrieben, als der Akustiker feststand, sprich: Im Zweifel hatte Toyota Vorfahrt. Die Auftraggeber - der finnische Staat, die Stadt Helsinki und der Rundfunk - wollten kein Wahrzeichen von weltweiter Ausstrahlung, sondern ein funktionales Gebäude für die Musik. Das war architektonisch viel weniger ehrgeizig und deshalb wohl erheblich einfacher zu realisieren.

Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. In zähen, drei Monate währenden Verhandlungen haben alle Beteiligten vorab die finanziellen Rahmenbedingungen festgezurrt und sämtliche Zeitpläne und Zuständigkeiten bis ins Detail geklärt. Deshalb lief dann nach dem Baubeginn alles wie am Schnürchen: In der einzigen Zufahrt zum Gebäude hatte jeder Lkw ein Zeitfenster von 15 Minuten für seine Lieferung. Basta. Verspätungen gab's einfach nicht. Und die Kostensteigerung von den veranschlagten 140 auf jetzt 166 Millionen Euro (plus weitere 23 Mio. für die Ausstattung) hielt sich auch sehr im Rahmen.

Von dieser finnischen Effektivität dürften sich die verantwortlichen Planer in Hamburg eine Scheibe oder gleich mehrere abschneiden. Damit auch die Elbphilharmonie irgendwann kein Wunschtraum mehr ist.