Rechtsprofessor Florian Becker von der Universität Kiel nennt die Ungleichbehandlung von Speise- und Schanklokalen “unverhältnismäßig“.

Hamburg. Schon bei der Verabschiedung des zweiten Hamburger Nichtraucherschutzgesetzes im Dezember war fast allen Abgeordneten klar - auch dieser neuerliche Kompromiss wird Klagen nach sich ziehen. Nun ist es so weit: Der Hamburger Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) legte gestern ein Rechtsgutachten vor, nachdem das Hamburgische Passivraucherschutzgesetz verfassungswidrig ist. Zu dieser Einschätzung kommt Professor Florian Becker, Inhaber des Lehrstuhles für öffentliches Recht an der Universität Kiel. Nun will die Dehoga gemeinsam mit einem Gastwirt eine Musterklage einreichen.

Nach Auffassung des Rechtsexperten liegt eine "klare Ungleichbehandlung" von Gaststätten mit Speiseangebot gegenüber Schanklokalen vor. Das seit dem 1. Januar 2010 geltende Gesetz erlaubt in Gaststätten, in denen nur Getränke serviert werden, weiterhin das Rauchen, wenn sie kleiner als 75 Quadratmeter groß sind und der Wirt seinen Betrieb als Raucherlokal kennzeichnet - oder wenn er bei größeren Betrieben einen Raucherraum einrichtet. Diese Möglichkeit haben Speiselokale nicht. Für Professor Becker eine klare Ungleichbehandlung, die "willkürlich und sachlich nicht gerechtfertigt, deshalb also verfassungswidrig ist".

Weder das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes - aufgrund dessen Hamburg sein ursprüngliches Nichtraucherschutzgesetz überarbeiten musste - noch andere sachliche Gründe rechtfertigen nach Meinung des Gutachters die Differenzierung zwischen getränke- und speisengeprägter Gastronomie. Zudem vertritt Becker die Meinung, dass Betreiber von Gaststätten mit Speisenangebot einen Anspruch auf eine Entschädigung haben, wenn sie aufgrund des vor zwei Jahren in Kraft getretenen Vorgängergesetzes in ihrem Betrieb einen Raucherraum eingerichtet haben, den sie nun nicht mehr als solchen nutzen dürfen. Beckers Fazit: Das Rauchverbot ist in seiner konkreten Ausgestaltung als Eingriff in das Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit "unverhältnismäßig, verfassungswidrig und deshalb nichtig".

Für Dehoga-Hauptgeschäftsführer Gregor Maihöfer ist daher klar: "Das belegt unsere bisher vertretene Meinung. Wir werden jetzt auf dem Rechtsweg versuchen müssen, diese Meinung durchzusetzen." Nun ist der Dehoga auf der Suche nach einem Gastwirt, mit dem der Verband gemeinsam ein Musterverfahren vor Gericht angehen kann, um das Gesetz erneut von einem Richter prüfen zu lassen. Die schwarz-grüne Koalition, die den Gesetzeskompromiss im Dezember verabschiedet hatte, sieht das Gutachten und die auf sie zukommende gerichtliche Prüfung zunächst noch gelassen. Harald Krüger, gesundheitspolitischer Sprecher der der CDU-Bürgerschaftsfraktion, sagte: "CDU und GAL haben nach langen Beratungen gemeinsam eine Lösung gefunden, die nicht nur den verschiedenen Interessenlagen gerecht wird, sie ist auch juristisch hieb- und stichfest. Der Dehoga sollte bewusst sein, dass eine nochmalige Änderung des Gesetzes zur Streichung sämtlicher Ausnahmen führen würde."

Konkret bedeutet das: Würde ein Gericht das geltende Gesetz für rechtswidrig halten, würde wohl eine Neuauflage - und damit das dritte Hamburger Nichtraucherschutzgesetz - nur noch ein absolutes Rauchverbot ohne Ausnahmen beinhalten, um den Rechtsstreit ein für alle Mal zu beenden. Nun wird erneut zuerst ein Gericht über eine politische Frage entscheiden müssen.