Vor 125 Jahren wurde die Hamburger Hafen- und Logistik AG gegründet, um den Lagerhauskomplex zu bauen. Heute baut sie dort um.

Hamburg. Der flüchtige Betrachter dürfte in der verspielten Architektur ein typisches Speicherstadt-Gebäude erkennen, in dem noch immer Waren aus dem Hafen gelagert werden: "Teekontor Krogmann, 1883" steht über der großen, grünen Toreinfahrt. "Wasserschloss", so wird es hier auch liebevoll genannt. Und tatsächlich liegt das Haus wie ein kleines Schlösschen zwischen zwei Wasserläufen mittendrin in der Speicherstadt. Doch ein Teekontor war es nie, sondern früher Wohnhaus für technisches Personal; die letzten Jahre dann Kulisse für die TV-Kinderserie "Die Pfefferkörner". Der Schriftzug Teekontor stammt von den Filmleuten.

"Und er kann bleiben, wir haben jetzt einen Mieter gefunden, der dort eine Gastronomie mit besonderen Teeangeboten eröffnen will", sagt Roland Lappin, bei der Hamburger Hafen- und Logistik AG (HHLA) für Finanzen und Immobilien verantwortlicher Vorstand. Das Wasserschloss ist das jüngste Projekt, das die HHLA jetzt in der Speicherstadt renoviert und dafür neue Mieter gefunden hat. Seit gut zehn Jahren erlebt das historische Backstein-Ensemble einen rasanten Wandel. Zwischen Innenstadt und HafenCity gelegen, gilt die Speicherstadt zwar noch immer als größter historischer Lagerhauskomplex der Welt - doch hinter den Fassaden sind inzwischen viele neue Unternehmen eingezogen. Kaffee, Kakao und Gewürze werden längst in modernen Gewerbebauten im Hafen südlich der Elbe gelagert. Teppichimporteure, Modeunternehmen oder auch Museen sind gefolgt.

1885 war für den Bau der Speicherstadt der HHLA-Vorgänger, die Hamburger Freihafen Lagerhaus Gesellschaft, gegründet worden. In diesem Jahr feiert die HHLA daher ihren 125. Geburtstag. Längst ist daraus ein moderner Hafenumschlagsbetrieb mit modernen Containerterminals geworden. Doch die Speicherstadt gehört noch immer dazu. "Ein profitabler Bereich, den wir vorsichtig weiterentwickeln", wie Lappin sagt. Von außen ist der Wandel oft kaum zu erkennen. Auch neue Firmen bekommen den dezenten goldenen Schriftzug an den Fassaden und Klingelschildern. Nur, dass dort dann statt Kaffee-Lagerei schon einmal "fashion solution" darauf steht.

Diese eher behutsame Umnutzung geschieht auch mit Blick auf die Unesco. Bis 2014 soll die Speicherstadt, so die Planung der Kulturbehörde, als Weltkulturerbe unter besonderen Schutz gestellt werden. Seit 1991 stehen die markanten Backsteinhäuser bereits unter Denkmalschutz. Grundlage für die jüngste Entwicklung ist eine Speicherstadt-Studie aus dem Jahr 2000. Der Lagerhauskomplex wurde seinerzeit aus dem zollfreien Hafen herausgelöst und sollte so entwickelt werden, dass er ideales Bindeglied zwischen Innenstadt und neuer HafenCity werden kann.

Einer der ersten neuen Mieter war die Werbeagentur Kolle Rebbe. "Anfangs mussten wir noch durch die Zoll-Kontrolle, wenn wir zur Arbeit wollten", berichtet Agentur-Sprecher Thomas Stritz. Noch immer sind die Agentur-Mitarbeiter begeistert von der Lage, wie Stritz sagt. Im renovierten Wasserschloss, neben der künftigen Tee-Gastronomie, hat Kolle Rebbe nun weitere Büroräume gemietet. "Schon ein tolles Gefühl, in einem der meistfotografierten Häuser Hamburgs zu arbeiten", sagt Personal-Managerin Melanie Persiel. Rund 132 000 Quadratmeter der insgesamt 300 000 Quadratmeter Lagerhausfläche sind inzwischen seit 2000 renoviert worden. Jedes Jahr gehen 10 000 bis 15 000 Quadratmeter alter Speicherfläche neu an den Markt. Oft werden die Blöcke gezielt mit Blick auf die neue Nutzung renoviert. "Wir wollen aber hier keine Verdrängung", so Immobilienvorstand Lappin.

Heute dienen die historischen Böden, wie die Stockwerke in den Speichern immer noch genannt werden, daher ganz verschiedenen Nutzungen: Auf 106 000 Quadratmetern sind Showrooms von Modeunternehmen und auch klassische Teppichlager untergebracht - zum Teil in noch nicht renovierten Speichern. 77 000 Quadratmeter werden als Büros genutzt: unter anderem von der Hafenverwaltung Hamburg Port Authority oder der HHLA selbst. Warner Music und Agenturen wie Kolle Rebbe haben hier ihren Firmensitz. Auch Kulturbetriebe oder Künstlerateliers sind mittlerweile in der Speicherstadt vertreten: Das Miniatur-Wunderland und Hamburg Dungeon haben ihr Quartier in alten Speichern, eine Markthalle und neue Restaurants haben hier in den vergangenen Jahren ebenfalls restaurierte Gebäude bezogen.

m Block N wurden zudem erstmals Wohnbüros mit Loftcharakter gebaut. Noch wird das Thema Wohnen in der Speicherstadt allerdings sehr vorsichtig behandelt. Grund ist die dauernde Gefahr durch Sturmfluten. So zeigen Flutmarken von 1976 vielerorts in Kniehöhe an, wie hoch hier die Elbe ansteigen kann. Während die Innenstadt durch Mauern geschützt ist und die HafenCity gleich auf einer Höhe von mehr als 7,50 Metern über Meeresspiegelniveau aufgeschüttet wurde, liegt die Speicherstadt rund zwei Meter tiefer - weshalb Wohnungen dort noch nicht genehmigt werden. Allerdings dürfte mit dem Fortschreiten des HafenCity-Baus in einigen Jahren eine Art Schutzdeich für die Speicherstadt entstanden sein. Mit Sperrwerken könnten dann die Wasserläufe abgeschottet werden - was Voraussetzung zum Wohnungsbau wäre. Und spätestens dann wäre aus dem alten Hafen-Quartier ein vollwertiges Innenstadtviertel geworden.