Im Juli räumt die Ausstellung ihr Quartier. Doch für Hamburgs Unesco-Bewerbung spielt das Museum eine wichtige Rolle.

Hamburg. Das Treppenhaus ist eng, der Aufstieg in den dritten Boden ein wenig beschwerlich. Aber dafür erleben die weit mehr als 60.000 Besucher, die das Speicherstadtmuseum am St. Annenufer pro Jahr besichtigen, einen authentischen Ort, an dem nichts inszeniert werden muss, weil noch alles vorhanden ist: eine Trägerkonstruktion als Holzskelett, die Spuren jahrzehntelanger Arbeit, Zählstriche an den Wänden, ausgetretene Holzdielen, dazu die Arbeitsgeräte der Quartiersleute, die hier einst Kaffee, Kakao, Tabak oder Kautschuk gelagert haben. Noch atmet hier alles Geschichte, scheint Vergangenheit ganz gegenwärtig zu sein, lässt sich einer längst verflossenen Zeit mit allen Sinnen nachspüren.

Damit wird es bald vorbei sein, denn die Zukunft des Speicherstadtmuseums ist gefährdet. Die HHLA, die dem Museum hier bisher mietfrei Raum gewährte, hat den Vertrag gekündigt, bis zum 1. September müssen die beiden Böden komplett geräumt sein. Begründung: Der Speicher soll gemeinsam mit dem direkt angrenzenden ehemaligen Freihafenamt, einem Nachkriegsbau des Architekten Werner Kallmorgen, umgebaut und anschließend anderweitig genutzt werden.

Damit könnte eine Hamburger Erfolgsgeschichte ein Ende finden und die Speicherstadt außerdem ihr Gedächtnis verlieren. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich hinter den historischen Fassaden des berühmten Lagerhauskomplexes bald nur noch schicke Eventlocations, Restaurants, Büros und Lofts vorzustellen.

Die HHLA hat zwar dem Speicherstadtmuseum ein Interimsquartier im Block L am Sandtorkai 36 angeboten, das ebenfalls mietfrei zur Verfügung stehen soll. Aber die dafür vorgesehene Fläche ist ein Wiederaufbau aus der Nachkriegszeit, ihr wird das Flair der alten Speicher fehlen. Außerdem müssen die Betreiber die Räume weitgehend auf eigene Kosten ausstellungsgerecht umbauen, um sie nach zwei Jahren wieder aufzugeben, denn dann soll das Speicherstadtmuseum im Gebäude nebenan in einem anderen Teil von Block L dauerhaft untergebracht werden. Dieser wird für Museumszwecke umgebaut und zumindest noch die alte Struktur haben.

Allerdings stammen auch die hierfür vorgesehenen Räume aus der Nachkriegszeit, auch ihnen wird das Flair eines alten Speichers fehlen.

HHLA-Sprecher Florian Marten bestätigte dem Abendblatt den bevorstehenden Umzug. "Das Speicherstadtmuseum gehört zu den größten Sponsoring-Projekten der HHLA, und dabei wird es auch bleiben. Sicher wird sich das Museum im Block L verändern müssen, es hat aber dort die Chance, weit mehr Besucher zu erreichen", sagte Marten, der noch keine Details zu den Sanierungs- und Umbauten am bisherigen Standort nennen kann.

Formal rangiert das Speicherstadtmuseum als Außenstelle des Museums der Arbeit und ist somit Teil der Stiftung Historische Museen Hamburg. Doch seit 1995 wird das Museum von Hennig Rademacher und Ralf Lange privat geführt. Grundlage dieser Private-Public-Partnership ist ein Betreibervertrag mit dem Museum der Arbeit - ein Modell, das sich für beide Seiten als vorteilhaft erwiesen hat.

Zurzeit sind Rademacher und Lange aber ziemlich ratlos. "Wir wissen nicht, wie es weitergehen soll", meint Lange. "Wir müssten mindesten 50 000 Euro in das Interimsquartier investieren und dort nicht nur die Ausstellung völlig neu konzipieren, sondern auch zusätzliche Toiletten und eine Teeküche einbauen, um nach zwei Jahren wieder ganz von vorn zu beginnen." Vom ohnehin schon klammen Museum der Arbeit ist keine finanzielle Hilfe zu erwarten. "Auch die Kulturbehörde hat uns signalisiert, dass wir mit keiner Unterstützung rechnen können", ergänzt Henning Rademacher.

Der Fall ist auch kulturpolitisch nicht ohne Brisanz, denn Hamburg bewirbt sich mit der Speicherstadt bei der Unesco um den prestigeträchtigen Titel Weltkulturerbe. Da wird man sicher sehr genau hinsehen, wie die Stadt mit den letzten authentischen Orten dieses einzigartigen Architekturensembles umgeht.

Kulturbehördensprecherin Ilka von Bodungen bestätigt, dass das Speicherstadtmuseum für die Bewerbung eine besondere Rolle spielt, "weil dort zu erleben ist, wie die Speicher ursprünglich genutzt wurden und wie dort gearbeitet wurde".

Eine Bestandsgarantie gibt die Behörde dennoch nicht ab. "Wenn die langfristige Unterbringung in einem authentischen Speicher möglich wäre, würden wir das natürlich sehr begrüßen", sagt von Bodungen recht vage. Doch zumindest geht sie davon aus, dass bei der anstehenden Sanierung die historische Substanz nicht verletzt wird. "Umbaumaßnahmen an sämtlichen Gebäuden der Speicherstadt werden denkmalgerecht und in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt durchgeführt."

Noch bis Ende Juli befindet sich das Speicherstadtmuseum am St. Annenufer 2. Di-Fr 10-17, Sa/ So und Feiertage 10-18 Uhr. Infos im Internet: www.speicherstadtmuseum.de