Auch die Nachbarn sind verärgert über den CDU-Politiker. In angrenzenden Straßen steckt sogar die Müllabfuhr fest.

Hamburg. Morgen will Bürgerschaftspräsident Berndt Röder (CDU) nun endlich vor die Öffentlichkeit treten und erklären, wie es dazu kam, dass einzig seine Wohnstraße, die Frustbergstraße - eine kleine kopfsteingepflasterte Nebenstraße in Groß Borstel -, von Eis und Schnee befreit wurde, während in umliegenden Nebenstraßen sogar die Müllabfuhr kapitulieren musste. Der FDP-Landesvorsitzende Rolf Salo fordert wegen der "Wintergate-Affäre" jetzt sogar den Rücktritt Röders: "Wer als höchster Repräsentant des Hamburger Stadtparlaments auf eine so skandalöse Art Druck auf Behörden ausübt, hat sein Amt missbraucht und muss nach allen demokratischen Gepflogenheiten gehen."

Jetzt lasse die FDP über den Fall Röder hinaus prüfen, ob auch an anderer Stelle der Winterdienst "in besonderer Mission" auf Betreiben von Politikern unterwegs war. Gleiches Recht für alle wünscht sich auch Stephan Wöhlke, der an der Koldeweystraße wohnt, keine 150 Meter Luftlinie von der Frustbergstraße entfernt. Dicke Spurrillen zerfurchen Eis und Schnee, links und rechts türmen sich Schneeberge. "Normalerweise kommt die Müllabfuhr freitags. Aber vorletzten Freitag mussten die Müllmänner ihren Einsatz abbrechen, weil die Straße zu eisig war", sagt Wöhlke. Die Fußwege sind dagegen gut geräumt. "Hier haben alle Eigentümer gemeinsam geschippt und das Eis weggehackt", erklärt er. Gestern sei dann die Müllabfuhr in einer Sonderschicht doch vorbeigekommen. "Aber die hat sich wieder festgefahren. Wir haben den Müllwagen dann mit vier Anwohnern - mit Schippen und Salz - wieder losgekriegt."

Sein Nachbar Jens Nüske (71) ist empört über die Sonderbehandlung, die der Bürgerschaftspräsident für seine Straße erwirkt hat: "Hier in unserer Straße wohnen sieben ältere Menschen, die seit Weihnachten nicht mehr draußen waren. Wenn man dann sieht, dass sich Herr Röder seine Straße räumen lässt, fällt man vom Glauben ab." Auch Nüskes Schwiegermutter Herta Riefenstahl hat ihr Urteil über Röders Gebahren schon gefällt: "Wenn man ein bisschen höhergestellt ist, darf man das nicht ausnutzen", sagt die 89-Jährige, die seit Wochen von Tochter und Schwiegersohn versorgt wird.

Röder hat angekündigt, morgen öffentlich Stellung zu nehmen, sobald die Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage zu seinem Verhalten vorliegt. Röder hatte anfangs erklärt, er sei in Sorge um die Besucher des Kulturzentrums Stavenhagenhaus gewesen. Um jeden Anschein zu vermeiden, er habe sich persönliche Vorteile verschaffen wollen, hatte er angekündigt, er werde 1000 Euro an das Rote Kreuz spenden. Morgen wird er auch erklären müssen, warum er nicht direkt bei der Stadtreinigung anrief.

Wie die Behörden bestätigten, wandte sich der CDU-Politiker an die Staatsräte der Innen- und der Umweltbehörde. Umweltstaatsrat Christian Maaß (GAL) gab die Nachricht an die Stadtreinigung weiter, wenig später war die Frustbergstraße eisfrei. Auch dort sieht man Röders Aktion mit Befremden. "Ich wohne seit 52 Jahren hier", sagt eine Nachbarin, "aber ich habe bei uns noch nie Räumfahrzeuge gesehen."