Einen “Bärendienst“ habe der Bürgerschaftspräsident allen Politikern mit seinem Verhalten erwiesen, heißt es in der eigenen Partei.

Hamburg. Tausende Hamburger hören in diesen Tagen nur ein Besetztzeichen, doch Bürgerschaftspräsident Berndt Röder (CDU) kam schon am Freitag durch. Er rief den Chef der Stadtreinigung persönlich an, beschwerte sich über vereiste Straßen im Allgemeinen, über den Zustand des Rathausmarkts und den seiner Wohnstraße im Besonderen. Doch während der Rathausmarkt eisig blieb, wurde vor der Tür des CDU-Politikers in Groß Borstel gekehrt. Und weil eben nur dort gekehrt wurde, ist eine Polit-Affäre daraus geworden: Die Stadtreinigung mauert, die Opposition fordert Aufklärung, vor allem: Auch in Röders Partei köchelt es.

Einen "Bärendienst" habe Röder allen Politikern erwiesen, hieß es in Unionskreisen. Als Abgeordneter müsste man der Versuchung widerstehen, Privilegien zu nutzen, sagte ein CDUler. Oder: Ob ein Spitzenpolitiker mit eigenem Dienstwagen nicht auch ein paar Meter zu Fuß über Glatteis gehen könne? Zumal die Erinnerungen an Röders Eklat vor sechs Jahren frisch scheinen: Damals hatte er in einem Tagungsbüro den Notruf betätigt - um zu testen, wie schnell die Polizei vor Ort ist. Von Rücktritt will in der Union niemand sprechen, doch sicher scheint: Es ist die zweite Gelbe Karte für den Präsidenten.

Beim nächsten Mal könnte die Personalie auf der Tagesordnung der Fraktion stehen. Während der Debatte gestern in der Bürgerschaft saß Röder nicht in seinem Sessel, sondern verfolgte Angriffe der Opposition schweigend von der Abgeordnetenbank. SPD-Fraktionschef Michael Neumann forderte ihn auf, das Parlament aufzuklären, wenn Röder meine, er sei von einigen Seiten falsch verstanden worden. Röder schwieg, wie auch die gesamte CDU.

Vor der Sitzung hatte sich jedoch CDU-Verkehrsexperte Klaus-Peter Hesse vor Röder gestellt: "Der Präsident hat sich tadellos verhalten, er hat auf eine Problemlage in der Stadt aufmerksam gemacht." Nach eigenen Aussagen griff Röder zum Hörer, weil seine Straße nicht mehr für einen Krankenwagen passierbar gewesen sei. Zudem sei das Kulturzentrum Stavenhagenhaus nicht mehr erreichbar gewesen - was in der Tat viele ältere Menschen besuchen, wie das Hamburger Abendblatt sich überzeugte.

Rätselhaft bleibt: Berndt Röder spendete 1000 Euro an das Rote Kreuz - um "jeglichem Eindruck entgegenzuwirken", einen Vorteil erlangt zu haben. Dazu sagte Bürgerschaftssprecher Ulfert Kaphengst: "Weil es nicht möglich ist, der Stadtreinigung eine Rechnung zu bezahlen." Welche Rolle Stadtreinigungschef Rüdiger Siechau spielt, ist ebenfalls unklar - sein Unternehmen gibt keine Auskünfte, mit dem Hinweis, dass eine Anfrage der SPD zu dem Thema läuft.