Gericht verlagert Demo-Route. Polizei befürchtet Randale. Organisatoren widersprechen, hoffen auf höhere Instanz.

Hamburg. Kalt ist es im Frappant-Gebäude, die Aktivisten bibbern und wärmen sich mit Kaffee. Heute wird es sicher nicht angenehmer sein im Hinblick auf die arktischen Temperaturen, wenn sich die "Recht auf Stadt"-Parade durch die Stadt schiebt. Eine Mischung auf Polit-Demo und Rosenmontagsumzug schwebt den Veranstaltern vor, das wurde in der Pressekonferenz vor der Demo deutlich. Es reicht ihnen jetzt nicht mehr, Investoren aus dem Gängeviertel zu vertreiben oder die Parolen der Bürgerbewegung auf Beton zu sprühen. "Wir wollen die Öffentlichkeit direkt ansprechen", sagt Niels Boeing.

Und deswegen wird heute ab 17 Uhr ein großer Umzug durch Hamburg paradieren. Mit Wagen, auf denen die in "Recht auf Stadt" zusammengeschlossenen Initiativen ihre Pläne, Konzepte und ihre Kritikpunkte an der Stadtentwicklungspolitik Hamburgs vortragen. Kreativ und künstlerisch, versprechen die hoffnungsvollen Macher - die freilich gestern einen Tiefschlag verdauen mussten. Denn die ursprünglich angemeldete Route wurde dem Netzwerk polizeilich untersagt. Statt unmittelbar durch die Innenstadt (Gänsemarkt, Jungfernstieg, Große Bleichen, Stadthausbrücke, Neuer Wall, Jungfernstieg, Bergstraße, Mönckebergstraße, Mönckebergbrunnen) soll die Parade jetzt seitlich an ihr vorbeiziehen. Über Valentinskamp, Dragonerstall, Kaiser-Wilhelm-Str., Axel-Springer-Platz, Stadthausbrücke, Rödingsmarkt, Willy-Brandt-Str., Domstraße, Steinstraße, mit einer Schlusskundgebung an der Steinstr., auf Höhe des Ida-Ehre-Platzes. "Wir werden gänzlich aus der zentralen Innenstadt verbannt", sagt Palle Schlüter von "Recht auf Stadt".

Und das stinkt dem Bündnis mächtig. Mindestens 1500 Teilnehmer erwarten sie bei der Demo, insgeheim hoffen sie jedoch auf weitaus mehr. Eine prima Gelegenheit, noch mehr als ohnehin schon ins öffentliche Bewusstsein zu rücken: Und jetzt das. Ein Eilantrag beim Verwaltungsgericht wurde flugs abgewiesen. Die Begründung hat es in sich - finden die Aktivisten. Es werde eine Gefahrenprognose konstruiert, sagt etwa Mark Meyer, Anwalt bei "Mieter helfen Mietern" und Mitarbeiter des Bündnisses. "Die unumwunden deutlich gemachte Haltung des Gerichts macht uns sprachlos."

Das äußert sich in der Tat mit markanten Worten: "Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass der Aufzug 300 bis 400 gewaltbereite Teilnehmer umfassen wird, von denen erhebliche Gefahren ausgehen", heißt es in der Begründung des Gerichts. Aus Angst vor Linksextremen und Autonomen darf die Parade also nicht durch die Innenstadt.

Für die Veranstalter ein Witz - sie haben nach ihrer Darstellung mit der gewaltbereiten Szene nichts zu tun. Vollends in Harnisch bringt sie die Argumentation des Gerichts, wonach der Aufruf des Bündnisses "keinerlei Abgrenzung zu einem gewalttätigen Agieren unternimmt", sondern diese durch die Parolen sogar noch befeuere. Damit meint das Gericht die druckreif formulierten Statements von "Recht auf Stadt", die durchaus provokativ sind und etwa wie folgt lauten: "Wir sind wütend - aus den unterschiedlichsten Gründen [...] Deshalb gehen wir auf die Barrikaden [...] Deshalb demonstrieren wir, besetzen Häuser und Plätze [...] stören Sitzungen [...] Wir bleiben unkalkulier- und planbar!"

Die "Recht-auf-Stadt"-Macher sind irritiert und verärgert. Sie befürchten, auf der Alternativroute weniger Aufmerksamkeit zu erregen. "Das ist eine Abstrafung der Stadt, weil wir zu erfolgreich sind, und hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun", mutmaßt manch einer. Einstweilen hat das Bündnis das Oberverwaltungsgericht angerufen. Dessen Urteil wird für heute erwartet. Ein Sprecher der Polizei wollte gestern nichts zu dem Fall sagen und dem Urteil nicht vorgreifen.