Mehr als 3000 Menschen demonstrierten für “Recht auf Stadt“ und gegen die Baupolitik des Senats. Der Zug endete vor dem Frappant-Gebäude in Altona.

Hamburg. Minusgrade, dazu ein fieser Wind, irgendwann auch Schnee - das haut durchaus den stärksten Stadtkämpfer um. Schon bevor sich die große "Recht auf Stadt"-Parade am Freitagabend an der Moorweide in Gang setzte, waren viele der mehr als 3000 Demonstranten bereits so durchgefroren, dass sie im McDonald's am Dammtor-Bahnhof Zuflucht suchten. Dort saßen sie dann, die Kapitalismus-Kritiker mit "NoBNQ"-Fahnen, und warteten darauf, dass die Parade anfing. Mit heißem Herzen machten sie dann, als es endlich losging, lautstark deutlich, was sie an der Stadtentwicklungspolitik Hamburgs alles stört. Seit Monaten brodelt es bereits in der Hansestadt, weil viele sich von der investorenfreundlichen Politik Hamburgs abgestoßen fühlen. Unter anderem richtet sich der Protest gegen das sogenannte Bernhard-Nocht-Quartier in St. Pauli - dort ist die Initiative NoBNQ zugange. Insgesamt waren an der Demo mehr als 100 Bündnisse, Initiativen und Institutionen beteiligt. Weil zu den Sympathisanten des Netzwerks "Recht auf Stadt" auch Autonome gerechnet werden, rückte die Polizei nach Angaben eines Sprechers mit mehreren Hundertschaften an. Im Einsatz waren auch Einsatzkräfte aus Schleswig-Holstein und von der Bundespolizei. Die ursprünglich geplante Route der Demonstranten durch die Innenstadt war vom Oberverwaltungsgericht untersagt worden.

Doch die polizeilich verordnete Ersatzroute, die über den Gänsemarkt, die Kaiser-Wilhelm-Straße und den Rödingsmarkt zur Steinstraße führen sollte, wurde dann ebenfalls nicht absolviert. In Absprache mit der Polizei schlugen die bunt geschmückten Wägen am Dragonerstall den Weg in Richtung Pferdemarkt ein. Von dort zog die nach Angaben der Polizei friedliche Karawane über die Budapester Straße nach St. Pauli weiter und schließlich zum umkämpften Frappant-Gebäude in Altona.

"Wohnraum und Freiraum für alle!", "Eine Stadt ist ein Gemeinwesen", "Nehmen wir uns die Stadt" - die Parolen der umtriebigen Aktivisten schwirren seit längerem durch den Raum. Am Freitag tauchten sie alle noch einmal gebündelt auf. Aber ihr ursprüngliches Ziel, mit der Parade noch stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu treten, verfehlten die Demonstranten eindeutig. Daran waren zum einen die niedrigen Temperaturen schuld, zum anderen der verstellte Weg durch die City. So feierten sich die netzwerkenden Aktivisten ein bisschen selbst und versuchten zumindest am Gänsemarkt, ich auch bei den Passanten Gehör zu verschaffen. Ein paar Meter weiter, am jetzt schon beinah mythischen Gängeviertel, zückten dann viele Teilnehmer ihr Fotoapparate - es war Zeit für Erinnerungsbilder. "Wir sind sehr zufrieden mit dem Verlauf der Demonstration", erklärte Demonstrant Palle Schlüter. Beheimatet ist Schlüter eigentlich in der Initiative "Moorburgtrasse stoppen", am Freitag demonstrierte er indes wie alle für viel grundsätzlicheres als die Erhaltung von Grünzügen in Altona. Für eine gerechte Stadt nämlich, in der die Bürger mitbestimmen. Zu den Teilnehmern zählten auch viele Gewerkschafter. Verdi-Chef Wolfgang Rose: "Es ist schon seltsam, dass man einigen mächtigen Leuten in Hamburg überhaupt sagen muss, dass die Stadt nicht nur ihnen gehört, sondern allen - und sie muss auch für alle bezahlbar sein." Das ist sie für manche scheinbar nicht mehr, und deswegen wurde auch der Hamburger Senat auf den vielen Plakaten, Spruchbändern und Schildern angegriffen. "Schwarz-Grün klaut uns unsere Lebensfreude" war auf einem zu lesen, und auf einem anderen: "Wir erfinden die Stadt neu".