Christian Walliser (28) liegt nach dem Drama im Dinner-Zirkus auf der Intensivstation. Er ist nicht ansprechbar. Es gibt bereits einen neuen Termin für die ausgefallene Vorstellung. Die Tiger sind dann allerdings nicht dabei.

Einen Tag nach der fast tödlichen Tiger-Attacke im Dinner-Zirkus in der Alten Hagenbeck'schen Dressurhalle am Gazellenkamp (Stellingen) ist der Zustand von Dompteur Christian Walliser immer noch kritisch. "Er schwebt in Lebensgefahr", sagte Stefan Pagels, Direktor des Dinner-Zirkus, dem Abendblatt. Seine Angehörigen hätten ihn zwar auf der Intensivstation des UKE besuchen können. Ansprechbar war der Dompteur allerdings nicht.

Wie berichtet, war es am Dienstagabend kurz nach Beginn der Vorstellung zu dem Drama gekommen. Walliser betrat die Manege mit seinen fünf acht Monate bis zwei Jahre alten Tigern. Die rund 170 Gäste waren gerade in die Dressurhalle gekommen, um sich bei einem Vier-Gänge-Menü Artistik- und Dompteursdarstellungen anzusehen. Plötzlich schlug eine der Großkatzen mit ihrer Pranke nach Walliser - wie im Spiel. Dabei stürzte der 28-Jährige auf den Manegenboden.

Nur Sekundenbruchteile später griffen drei der Tiger an. Der Dompteur, der seit dem 19. November im Dinner-Zirkus auftritt, erlitt bei der Attacke schwerste Verletzungen. Unter anderem tiefe Wunden am Oberkörper, eine offene Kopfverletzung. Ein Teil seiner linken Hand wurde abgerissen. "Ich habe darauf mit drei Manegenhelfern die Tiere von ihm getrennt", sagte Direktor Pagels. Sie setzten dafür Feuerlöscher und Wasserschläuche ein und scheuchten die Tiere daraufhin in einen Drahttunnel, der in das Raubtiergehege führt. Ein im Publikum anwesender Arzt leistete Erste Hilfe. Die Halle wurde daraufhin geräumt.

Direktor Pagels bezeichnete den Angriff der Raubkatzen als "spielerische Attacken". Nachdem der Tierlehrer die Kontrolle über die Jungtiere verloren habe, hätten diese mit ihm spielen wollen, was ihrer Natur entspreche. "Leider ist die dünne Haut des Menschen nicht so gut gewachsen, wie es die dickere, lockere und fellgeschützte Haut eines anderen Tigers gewesen wäre."

Geschockt reagierte die Leitung des Tierparks Hagenbeck auf den Unfall. Die Dressurhalle befindet sich zwar auf dem Grundstück des Tierparks. Sie ist allerdings an Stefan Pagels verpachtet. Hagenbeck-Mitarbeiter waren daher nicht an der Veranstaltung beteiligt. "Wir bedauern den Unfall zutiefst und hoffen, dass der Dompteur sich schnell von seinen Verletzungen erholt", erklärte die Tierpark-Leitung.

Zwar war die Polizei auch am Unglücksort, um Zeugen zu vernehmen. Ermittlungen hat sie allerdings nicht eingeleitet. "Es sind alle tierrechtlichen notwendigen Erlaubnisse vorhanden", sagte Polizeisprecher Andreas Schöpflin. Da es sich um einen Arbeitsunfall handelt, untersucht nun das Amt für Arbeitsschutz den Vorfall.

Bereits einen Tag nach dem Unglück gingen die Vorstellungen im Dinner-Zirkus weiter - allerdings ohne Tiger. "Noch in der Nacht haben wir mit dem Ensemble entschieden, dass das uralte Zirkus-Motto: ,The show must go on' gelten muss", sagte Direktor Stefan Pagels. "Ein Unfall ist bei Spitzenleistungen mit Tieren, am Trapez oder auf dem Hochseil eben leider immer möglich." Für die dramatisch ausgefallene Vorstellung gibt es einen Ausweichtermin am 15. Dezember. "Die Direktion, das gesamte Ensemble und alle Mitarbeiter sind allerdings tief betroffen und bangen um einen geschätzten Kollegen", ergänzte Pagels.

Gestern Nachmittag kam es auf dem Gelände des Dinner-Zirkus zu einem weiteren Zwischenfall. Der 27 Jahre alte Lebensgefährte von Walliser löste einen Polizeieinsatz aus. Mitarbeiter hörten, wie Ismet M., der den Angriff am Vorabend gesehen und einen schweren Schock erlitten hatte, in dem gemeinsamen Wohnwagen darüber klagte, dass die Tiger noch leben würden. Sie befürchteten, dass er den Tigern, die sich vorerst noch dort befinden, etwas antun würde, und riefen die Polizei. Die Beamten nahmen den trauernden Mann anschließend auf eigenen Wunsch mit zur Wache, um weiteres Aufsehen zu verhindern.