Der Kulturinvestor Klausmartin Kretschmer kritisiert die Nutzer des Gebäudes und Innensenator Christoph Ahlhaus.

Hamburg. Abendblatt:

Wie bewerten Sie die Ausschreitungen nach dem Schanzenfest?

Klausmartin Kretschmer:

Die Ausschreitungen gehen nicht von dem Straßenfest aus, sondern von Gruppen, die eindeutig auf Gewalt und Provokation aus sind. Von daher hat der Altonaer Bezirksamtsleiter richtig gehandelt und das Fest geduldet! Doch er wurde von Innensenator Ahlhaus im Regen stehen gelassen! Ahlhaus ist nicht wirklich an einer Lösung interessiert. Er hat bis 30 studiert und sich dann in Politik und Verwaltung rumgetrieben. Er hat keinen Praxisbezug. So etwas kann verdammt gefährlich sein. Der Innensenator sollte sich in Polizeiuniform daran beteiligen und mal eine Doppelschicht schieben. Er stellt sich keiner Diskussion, ist nicht kommunikationswillig.

Abendblatt:

Das Projekt Rote Flora als "Ort der Ideen" scheint gescheitert. Erwägen Sie Konsequenzen, etwa den Verkauf, da die Bindung als alternatives Stadtteilzentrum 2011 ausläuft?

Kretschmer:

Ich beobachte die Situation sehr aufmerksam und merke, wie die Rote Flora immer mehr aus dem Kontext herausfällt, beinahe wie ein Fremdkörper ist, keine soziale Verbindung in die Bevölkerung mehr hat und sich von Extremisten vereinnahmen lässt. Dass dieser Ort zumindest inhaltlich von Linksextremisten okkupiert wird, ist natürlich überhaupt nicht in meinem Sinne und auch nicht im Sinne der feiernden Bevölkerung. Eigentlich müssten sich die Bewohner dagegen wehren und nicht 2000 Polizisten aus Bayern, deren Einsatz wieder mal zwei Millionen Euro gekostet hat. Dieses Geld hätte man lieber in den Stadtteil investieren können.

Abendblatt:

Was erwarten Sie von der Roten Flora? Welche Bedingungen knüpfen Sie an eine zukünftige kostenfreie Nutzung?

Kretschmer:

Ich erwarte nichts. Ich erhoffe mir etwas. Mein Interesse gilt einem kritischen Wirtschaftsansatz. Ich betrachte die Gesellschaft als eine Art Gesamtkörper - der Geldkreislauf vergleichbar mit dem Blutkreislauf. Den Zinseszins könnte man einem Krebsgeschwür gleichsetzen. Er unterliegt keinen natürlichen Wachstumsgesetzen, wirkt ungesund. Viele gesellschaftliche Missstände hängen davon entscheidend ab. Der Zinseszins stört die Gesellschaft, was irgendwann zum Kollaps führt. Wir brauchen neue Ansätze, mit denen man schon Erfahrungen gemacht hat - eine Art Gegenmittel. Die Hoffnung, dass so etwas in der Flora entwickelt wird - etwa eine Regionalwährung wie den Alto in Altona einzuführen oder andere Experimente, hat sich jedoch nicht erfüllt.

Abendblatt:

Wird es die Rote Flora so in zehn Jahren noch geben?

Kretschmer:

"'Alles hat seine Zeit' ... und diese macht auch vor der Roten Flora nicht halt."

Abendblatt:

Gibt es eine kritische Auseinandersetzung zwischen Ihnen und der Roten Flora?

Kretschmer:

Ich hatte vor über acht Jahren, kurz nach dem Kauf, probiert, mit der Flora ins Gespräch zu kommen. Dies wurde aber nicht gewünscht. So überrascht es mich schon, dass die Flora anscheinend eine feste Meinung über mich hat, obwohl sie mich nicht kennt. Setzt sie sich nicht gegen Diskriminierung und Vorurteile ein? Vielleicht haben die ja einfach nur Angst vor einer intellektuellen Auseinandersetzung.