SPD hält trotz wachsender Steuereinnahmen am Konsolidierungskurs fest. Fraktionschef Andreas Dressel im Abendblatt-Interview.

Hamburg. Zwei Tage lang haben SPD-Fraktion und Landesvorstand in Boltenhagen getagt. Auch wenn zu erwarten ist, dass die Steuerschätzung in dieser Woche zusätzliche Einnahmen von mehr als 500 Millionen Euro für 2011 in Aussicht stellen wird, zeigt sich die SPD entschlossen, an ihrem Sparkurs festzuhalten. Ziel: Die Schuldenbremse im Jahr 2020 einzuhalten. So will der Senat weiterhin im Wissenschaftsetat rund 13 Millionen Euro einsparen. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel fordert Uni-Präsident Dieter Lenzen im Abendblatt-Interview auf, den Rotstift auch in seiner Verwaltung in die Hand zu nehmen.

Hamburger Abendblatt: Herr Dressel, wie haben Sie Ihre erste Niederlage in der Bürgerschaft verkraftet?
Dressel : Wir sorgen mit viel Süßigkeiten dafür, dass die Abgeordneten während Sitzungen nicht ständig eine Wurst essen müssen (lacht). In dieser Sache ging es ja nur darum, einen Antrag in einen Ausschuss zu überweisen. Das war ein Weckruf für alle, dass das Mandat jederzeit große Disziplin erfordert.

Dieses Mal war ein Teil Ihrer Fraktion während einer Abstimmung zum Essen nebenan, bei der Wahl des Bürgermeisters hing ein Abgeordneter in Afrika fest. Haben Sie es sich so schwer vorgestellt, 62 Abgeordnete zusammenzuhalten?
Dressel : Natürlich ist das kein Spaziergang. Aber wir wollten diese absolute Mehrheit ja auch, damit wir die Stadt gestalten können - und das macht auch viel Spaß.

Auch inhaltlich drohen Abweichler. Oder glauben Sie, dass Ihr Fraktionsmitglied Verdi-Chef Wolfgang Rose die Kürzungen für Beamte mit beschließen wird?
Dressel : Diese Doppelrolle ist für ihn persönlich natürlich nicht immer einfach Aber wir sind eng im Gespräch.

Wird es denn ein verbessertes Angebot an die Beamten geben?
Dressel : Entscheidend ist, dass man sich im Verhandlungsprozess annähert. Und da hat es schon Bewegung gegeben. Ich hoffe auf konstruktive Gespräche am heutigen Montag.

Laut Schätzungen kann Hamburg mit üppigen Steuereinnahmen rechnen: Die Rede ist von 500 Millionen Euro mehr in diesem Jahr, bis zu vier Milliarden Euro zusätzlich bis 2014. Schmieden Sie schon Pläne, wie Sie das Geld verteilen wollen?
Dressel : Die exakte Steuerschätzung wird diese Woche bekannt gegeben. Da die Konjunktur sich in Hamburg besonders gut entwickelt, wird Hamburg davon bei den Steuereinnahmen sicher besonders profitieren. Letztlich darf uns das aber nicht in Versuchung führen, vom Konsolidierungspfad abzugehen, in Wahrheit ist die Summe nur ein Tropfen auf den heißen Stein der Verschuldung. Wir unterstützen den Vorschlag des Finanzsenators, die Mehreinnahmen für die Tilgung eines ersten großen Bundesdarlehens und auch als Investition in die Altersversorgung der öffentlichen Unternehmen, den Versorgungsfonds, zu verwenden. Dieser ist durch das HSH-Nordbank-Desaster nämlich in eine gefährliche Schieflage geraten.

Auch wenn die Steuereinnahmen steigen, will der Senat an Sparmaßnahmen am Wissenschaftsetat festhalten?
Dressel : Es wurden von uns noch keine konkreten Sparbeschlüsse für die Universitäten gefasst. Es ist wichtig, dass wir nicht den Fehler von Schwarz-Grün wiederholen, mit den Mehreinnahmen jetzt das Füllhorn zu öffnen. Das ist genau das, womit sich Schwarz-Grün im Frühjahr 2008 letztlich auf Kosten der Steuerzahler gegenseitig die Kompromisse abgekauft hat. Das Ergebnis ist ein desolater Haushalt.

Was heißt das für die Universitäten?
Dressel : Die Sparrunde der schwarz-grünen Regierung für die Wissenschaftsbehörde wird nicht zurückgenommen. Auch gibt es - wie für alle anderen Behörden auch - hier eine zusätzliche globale Minderausgabe. Diese zielt vor allem auf die jährlichen Haushaltsreste ab, die teilweise abgeliefert werden sollen. Das ist ein maßvoller Beitrag - Herr Lenzen muss das Zoologische Museum nicht schließen.

Wie gehen Sie jetzt mit der Situation an den Universitäten um?
Dressel : Wir wollen Wissenschaft so organisieren, dass es keine Einschränkungen im Bereich Forschung und Lehre gibt. Stattdessen sollte man prüfen, wo weitere Synergien in den Verwaltungsbereichen der Universitäten geschaffen werden können. Wir brauchen nicht überall Doppel- und Mehrfachstrukturen, gerade wenn es um kleine Universitäten geht. Meine Aufforderung an die Universitätspräsidenten ist, sich dieser Diskussion zu stellen.

Das heißt zum Beispiel, HafenCity-Universität und Technische Universität Harburg bleiben eigenständig, teilen sich aber eine Verwaltung?
Dressel : Entscheidend ist, dass nicht die Politik von oben herab sagt, wie es sein soll. Meine Vorstellung von Wissenschaftsfreiheit ist, dass die Politik einen Rahmen vorgibt, der dann in den Hochschulen ausgestaltet wird. Ich war selbst mal Student und später wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität. Mit Verlaub: Mir kann niemand sagen, dass gerade in den Verwaltungen kein Cent mehr zu holen ist.

Inwiefern können Sie ausschließen, dass Universitäten zusammengelegt werden?
Dressel : Es geht nicht darum, irgendetwas auszuschließen oder zu forcieren. Es geht um die Frage, wie man solide auch an den Universitäten haushalten und verwalten kann.

Haben Sie die finanzielle Lage unterschätzt und auch den Protest, den vor allem Uni-Präsident Dieter Lenzen gegen Kürzungen entfacht?
Dressel : Weder noch. Nach Übernahme der Amtsgeschäfte haben wir in allen Behörden ungedeckte Schecks vorgefunden. Das stellt uns jetzt überall vor Probleme, mit denen wir umgehen müssen. Entscheidend ist für mich, dass man mit den Betroffenen redet. Und zwar nicht über das Ob, sondern über das Wie und Wo. Am Schluss muss dann aber entschieden werden. Da lassen wir uns auch nicht politisch erpressen. Präsident Lenzen etwa hat 500.000 Euro zusätzlich für seinen Präsidialstab bewilligt bekommen. Die Ansage ist aber, auch in Behörden, in den Stäben zu sparen. Daran sollte sich jeder konstruktiv beteiligen - auch Herr Lenzen.

War Olaf Scholz in Boltenhagen eigentlich als Erster Bürgermeister oder als Parteichef der Hamburger SPD?
Dressel : Das ist eine Klausur von Landesvorstand und Fraktion: also zuallererst als unser Landesvorsitzender.

Die SPD hat Ämter traditionell getrennt. Derzeit ist die Macht auf eine Person konzentriert. Riskiert die SPD, abhängig von Scholz zu werden?
Dressel : Das sehe ich nicht, da wir personell breit und gut aufgestellt sind. Im Übrigen ist es ein Glücksfall für uns, dass wir jemanden wie Olaf Scholz an der Spitze von Partei und Senat haben.

Die Senatorin für Stadtentwicklung, Jutta Blankau, hat kürzlich gesagt, es sei ihr "scheißegal", wer in das neu gebaute Behördengebäude in Wilhelmsburg einzieht. Darf sich eine Senatorin so äußern, auch mit Blick auf die Bürger dort?
Dressel : Der Neubau in Wilhelmsburg wurde von Schwarz-Grün geplant, wir finden das Projekt zu teuer. Es ist richtig, auch über alternative Nutzungen nachzudenken und das im Klartext auszusprechen.

Ihr Vorgänger Michael Neumann hatte als Oppositionsführer vor allem die Aufgabe, den Senat anzugreifen. Ihre Rolle als Vorsitzender der Regierungsfraktion ist eine ganz andere ...
Dressel : Die Rolle ist, erst einmal dafür zu sorgen, den Senat zu tragen, aber natürlich auch Vorschläge zu machen. Die Abteilung Attacke ist aber nicht geschlossen in der SPD-Fraktion! Wir erwarten einen konstruktiven Wettstreit mit der Opposition. In vielen Grundfragen haben wir übrigens gemeinsame Ansichten mit der Opposition. Da habe ich die Hand ausgestreckt für ein gutes Zusammenwirken.

Geht eigentlich jede Idee, die ein SPD-Abgeordneter hat, über Ihren Schreibtisch, bevor sie in die Öffentlichkeit gelangt?
Dressel : (Lacht) Es gibt so viele gute Ideen für diese Stadt, für alle ist mein Schreibtisch ganz bestimmt nicht groß genug.