Jobs fallen weg, die Stadtbahn wird gestrichen, die Behördenpost wird günstiger. Die Opposition spricht von “Trickserei“ und “Blendwerk“.

Hamburg. Im Prinzip sind es nur drei unscheinbare Linien, die Peter Tschentscher Probleme bereiten. Die eine ist schwarz gestrichelt und zeigt, wie sich die Ausgaben der Stadt entwickeln würden, wenn sie um ein Prozent pro Jahr steigen. Dass schon das ein ehrgeiziges Ziel ist, hatte der heutige SPD-Finanzsenator bereits im Wahlkampf unter Verweis auf seine Vorgänger betont, die die Ausgaben um bis zu fünf Prozent steigerten.

Die zweite Linie ist glatt und blau und steht für die prognostizierten Einnahmen der Stadt. Im Jahr 2020 müssten sich diese Linien eigentlich treffen, denn von dem Jahr an dürfen alle Bundesländer keine Schulden mehr machen. Doch zwischen den Linien bleibt eine Lücke. Und so hat Tschentscher in seine Präsentation gestern im Rathaus eine dritte Linie einfügen lassen. Dick und rot gibt sie den neuen Kurs vor: Die Ausgaben dürfen im Durchschnitt um nicht mehr als 0,88 Prozent pro Jahr steigen.

Was nach staubtrockener finanzpolitischer Arithmetik aussieht, bringt sehr handfeste Probleme mit sich. Denn da der SPD-Senat einen defizitären Haushalt übernimmt und dennoch Mehrausgaben für seine Versprechen wie die Senkung der Kitagebühren plant, muss an anderer Stelle gespart werden.

Nachdem der Senat am Dienstag bis in die Nacht getagt hatte, stellten Tschentscher und Bürgermeister Olaf Scholz (beide SPD) gestern nun vor, wo es Einschnitte geben soll. Treffen wird es vor allem die Beschäftigten der Stadt. 250 Stellen sollen pro Jahr wegfallen. "Es können auch mehr werden", sagte Tschentscher und nannte die Bedingung: "Jede Tarifsteigerung über ein Prozent erfordert eine größere Pesonalreduktion als ohnehin geplant." 12,5 Millionen Euro sollen pro Jahr gespart werden - aufwachsend, 2012 sind es also schon 25 Millionen.

Damit verschärft der Senat den Konflikt mit den Gewerkschaften. Sie wollen heute von 16.30 Uhr an in der Innenstadt gegen die Kürzung der Beamtenbesoldung demonstrieren, die noch Schwarz-Grün beschlossen hatte und die die SPD teilweise übernimmt. "Dass wir die ganze Kürzung zurücknehmen, ist nicht realistisch", betonte Scholz. Wie angekündigt, stoppt der SPD-Senat zudem die Planungen für die Stadtbahn, für Kreisverkehre und Gemeinschaftsstraßen ("Shared Space"). Der neue Dienstleister für die Behördenpost ist 1,2 Millionen Euro günstiger, und der Topf für Sport-Großveranstaltungen wird um fünf Millionen Euro gekürzt. "Alle geplanten Veranstaltungen finden statt, aber nichts darüber hinaus", erklärte Tschentscher. Bemerkenswert ist die Summe von 21 Millionen Euro, die von 2012 an bei den "Sachausgaben der Behörden" gekürzt wird. Dahinter verbergen sich zum Beispiel Kosten für Miete, Strom oder Kraftstoff für städtische Fahrzeuge. Der Finanzsenator erneuerte sein Ziel, die angemieteten Büroflächen massiv zu reduzieren, um Millionen zu sparen.

Die CDU kritisierte, dass der Senat mit seiner Ausgabenbegrenzung auf den "Haushaltsplan 2010" aufsetzt und nicht auf die deutlich niedrigeren tatsächlichen Ausgaben. Das entspreche einer Ausgabensteigerung von rund 500 Millionen Euro oder mehr als vier Prozent. Von einem "Haushaltstrick" sprach CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich. "Damit bricht Olaf Scholz eines seiner wichtigsten Wahlversprechen und versucht, die Hamburger noch wortreich zu täuschen."

GAL-Haushaltsexpertin Anja Hajduk nannte die Gegenfinanzierungsvorschläge der SPD "Blendwerk". Der Finanzsenator wolle langfristige Mehrausgaben mit Investitionsmitteln decken. "Höhere Kosten für Kitas zum Beispiel fallen künftig Jahr für Jahr an, das Geld für geplante Projekte wie Gemeinschaftsstraßen oder die Stadtbahnplanungen kann man dagegen nur einmal streichen."

Auch FDP-Fraktionschefin Katja Suding übte Kritik: "Ein bisschen Personalabbau, das Jonglieren mit niedrigeren Zinsbelastungen oder das Beseitigen von Luftbuchungen aus schwarz-grüner Zeit werden nicht reichen, um den Haushalt strukturell auszugleichen."

Die Linkspartei begrüßte "ausdrücklich" die langfristig angelegte Finanzpolitik. "Völlig unakzeptabel" sei es aber, die Beschäftigten der Stadt durch Gehaltsabsenkung zur Finanzierung von Defiziten heranzuziehen und 250 Stellen pro Jahr abzubauen, sagte Finanzexperte Joachim Bischoff. Lob kam von Frank Neubauer, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler. "Der Senat hat die Messlatte für das eigene politische Handeln hochgelegt und ein außerordentlich ambitioniertes Konsolidierungskonzept vorgelegt."