Kurz vor Haushaltsklausur verschärft sich die Debatte über die Finanzlage der Hansestadt. SPD macht Vorgängersenat verantwortlich.

Hamburg. Die finanzielle Lage Hamburgs ist nach Angaben des SPD-Senats wesentlich dramatischer als angenommen. Grund sei das im Herbst verabschiedete Sparprogramm des alten schwarz-grünen Senats. Von 510 Millionen Euro, die jährlich eingespart werden sollten, sind demnach mindestens 250 Millionen Euro unrealistisch oder nicht konkretisiert.

Das bedeutet: Das "strukturelle Defizit", also die jährliche Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben in Höhe von einer halben Milliarde Euro, die der damalige Bürgermeister Ole von Beust (CDU) vor knapp einem Jahr öffentlich gemacht hatte, existiert zu einem großen Teil immer noch. "Das ist eine zusätzliche Belastung", sagte Senatssprecher Christoph Holstein. Auf der morgigen Haushaltsklausur werde dennoch die Linie beibehalten, die Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) vorgibt: "Es wird kein Sparpaket geben." Stattdessen solle der Haushalt bis 2020 in vielen kleinen Schritten konsolidiert werden.

Für dieses Jahr rechnen Experten zwar aufgrund der florierenden Wirtschaft mit Steuermehreinnahmen von etwa 500 Millionen Euro für Hamburg - was die Aufstellung des Doppelhaushalts 2011/2012 erleichtern dürfte. Allerdings betonen Scholz und Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) stets, dass konjunkturell bedingte Mehreinnahmen nicht zur Steigerung der Ausgaben genutzt werden dürfen, sondern allein zum Schuldenabbau. Daher dürften sie trotz sprudelnder Steuern um Sparmaßnahmen nicht herumkommen.

So setzen sich die fehlenden 250 Millionen Euro aus Sicht des Senats zusammen: 100 Millionen wollte der Vorgängersenat an der Verwaltung sparen - die dafür eingesetzte Kommission hatte aber lediglich Vorschläge erarbeitet, umgesetzt wurde noch nichts. 50 Millionen Euro zusätzlich sollten die öffentlichen Unternehmen durch Einsparungen an die Stadtkasse abliefern. Obwohl das "Wie" zumindest für 2011/2012 offenblieb, hatte Schwarz-Grün das Geld aber bereits als Einnahme verplant. Weitere gut 96 Millionen Euro fehlen, weil von den Sparmaßnahmen der Behörden (insgesamt 262 Millionen) rund 40 Prozent nicht konkretisiert wurden.

"Der schwarz-grüne Senat hat versucht, den Menschen mit Luftbuchungen Sand in die Augen zu streuen", sagte SPD-Haushaltsexperte Jan Quast. Sein Fraktionskollege Thomas Völsch meinte, der alte Senat wollte sich "mit Taschenspielertricks über den regulären Wahltermin 2012 retten". Die Senatsangaben sind die Antwort auf eine Kleine Anfrage von Quast und Völsch.

CDU-Finanzexperte Roland Heintze sieht darin den durchsichtigen Versuch der SPD, vor der Haushaltsklausur alle Probleme dem Vorgängersenat anzulasten. "Der Vorwurf, Schwarz-Grün habe die Sparmaßnahmen nicht konkretisiert, geht ins Leere. Schließlich konnten die Haushaltsberatungen wegen der Neuwahl nicht stattfinden." Der neue Senat müsse jetzt vielmehr sagen, wie er mit vielen durchaus konkreten Beschlüssen umgehe.

Umstrittenstes Beispiel ist das Weihnachtsgeld für Beamte. Schwarz-Grün wollte es weitgehend streichen und so 100 Millionen Euro im Jahr einsparen - umgesetzt war aber auch diese Maßnahme noch nicht. Wie das Abendblatt berichtete, will der SPD-Senat sie zum Teil zurücknehmen und den Beamten 840 Euro plus 300 Euro je Kind auszahlen. Das reicht den Gewerkschaften jedoch nicht aus. DGB-Chef Uwe Grund sprach gestern bei der Mai-Demonstration vor 4500 Teilnehmern von "staatlich organisiertem Lohnraub".