Bundesweit sind fast 90 Prozent der Polizisten bereits angegriffen worden. Fast alle Innenexperten plädieren für ein schärferes Strafmaß.

Hamburg. Nach dem ersten Sitzungstag der Innenministerkonferenz (IMK) zeichnet sich eine nahezu einvernehmliche Mehrheit für die geplante Gesetzesverschärfung bei Gewalttaten gegen Polizisten ab. Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) plädierte einmal mehr für härtere Sanktionen nach Übergriffen. "Es muss eine Strafverschärfung geben", sagte Ahlhaus am Rande der IMK. Wie eine Verschärfung aussehen könnte, ist noch offen. Ahlhaus allerdings ist jetzt zuversichtlich: "Dann hat sich der Einsatz der Innenminister gelohnt", sagte er.

+++ SO KRIMINELL IST IHR STADTTEIL +++

Wie nötig eine Initiative in diesem Bereich ist, zeigen allein die Hamburger Statistiken: Binnen der vergangenen zehn Jahre ist die Zahl der Übergriffe um 40 Prozent gestiegen. 2008 verzeichnete die Polizei 1153 Fälle, in denen Beamte angegriffen wurden.

Die Täter sind meist jung und alkoholisiert, wehren sich heftig gegen polizeiliche Maßnahmen oder pöbeln Polizisten grundlos an. Hinzu kommt das Problem der Krawallmacher, deren Hauptangriffsziel Polizisten sind. Wie eine im Vorfeld der IMK vorgestellte Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) belegt, sind bundesweit fast 90 Prozent der Polizisten schon einmal angegriffen, bepöbelt oder verletzt worden. Gerade für Beamte im Streifendienst wird der Alltag immer gefährlicher. Einer, dem ein geradezu prototypischer Fall von Körperverletzung im Dienst widerfahren ist: der Hamburger Polizeiobermeister Christian O., 30.

Während eines Streifendienstes auf St. Pauli, den er gemeinsam mit drei Kollegen absolvierte, schlug ein Betrunkener ihn so heftig, dass ihm das Trommelfell riss. Christian O.: "Es war ein ganz normaler Dienst. Wir kontrollierten eine Gruppe junger Engländer. Sie waren heftig angetrunken. Einer der jungen Männer leistete Widerstand. Wir versuchten, ihn zu beruhigen. Plötzlich, völlig unvermittelt, schlug mir ein anderer aus der Gruppe von hinten mit voller Wucht gegen den Kopf. Ich fiel um, aber hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, was passiert war." Nach dem Schlag entwickelte sich eine Rauferei - am Ende landeten die Engländer in der Zelle.

Für Christoph O. hat der Zwischenfall langfristige Folgen: "Ich habe kein Trauma erlitten oder so. Aber das Ohr ist durchaus noch empfindlich. Tauchen zum Beispiel kann ich nicht mehr." Gut eine Woche war O. nach dem Schlag krankgeschrieben, dann war er wieder auf der Straße. "Was mich nachhaltig erschreckt, ist die Rohheit und die Hemmungslosigkeit, mit der solche Täter zuschlagen." Polizist O. ist nicht sicher, ob härtete Strafen wirklich abschrecken: "Zumindest in meinem Fall hat der Täter im Affekt gehandelt, denke ich. Er hat nicht darüber nachgedacht, was er tut."

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte eine Definition von Gewalt gegen Polizisten: "Wir müssen klären, dass ein Auto als gefährliches Werkzeug definiert werden kann, wenn ein Täter mit einem Auto gezielt einen Beamten überfahren will." Der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) ist dafür, Gewalt gegen Polizisten und Rettungskräfte als spezielle Straftat zu werten. Dabei gehe es ihm weniger um härtere Strafen als um ein Signal der Gesellschaft, dass sie sich für die Menschen starkmacht, die für den Schutz der Bürger sorgen. Ingo Wolf (FDP), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, ist gegen eine Straferhöhung: "Weder der mediale Überbietungswettbewerb um die höchstmögliche Strafandrohung noch die tatsächliche radikale Anhebung der Strafrahmens verhindern Gewalt gegen Polizeibeamte."

Eine weitere Zahl, die den härter werdenden Alltag der Polizei widerspiegelt: Der Einsatz von Schusswaffen bei der Polizei hat sich in den vergangenen fünf Jahren deutlich erhöht. Haben Beamte 2005 nur zweimal auf Tatverdächtige geschossen, stieg die Zahl 2009 auf zehn. Das geht aus einer Senatsantwort auf eine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Karl-Heinz Warnholz hervor. Auch die Zahl der Fälle, in denen Polizisten Warnschüsse abgegeben haben, stieg von einem auf sieben. "Die Zahlen zeigen deutlich, dass die Gewaltbereitschaft bei den Tätern zunimmt", sagt der Innenausschussvorsitzende Warnholz.

Zu diesem Schluss kommt auch Polizeisprecher Ralf Meyer: "In allen zehn Fällen, bei denen Polizisten auf Menschen geschossen haben, sind sie angegriffen worden." So war etwa ein psychisch kranker Mann im vergangenen Dezember in Ohlsdorf mit einem Küchenmesser auf Beamte zugestürmt. Er starb durch Schüsse aus einer Dienstpistole. Dass der Umgang mit der Waffe möglicherweise laxer geworden sei, verneint Meyer. "Jeder Beamte ist heilfroh, wenn er sie nicht ziehen muss."