Vor einem Rechtsanwalt in Hannover besiegeln Vertreter der Hells Angels und Bandidos ihren Vertrag. Wer sich nicht daran hält, wird “entsorgt“.

Hannover. Jahrzehnte haben sie sich blutig bekämpft, gestern saßen je drei führende Vertreter der Rockergruppen Hells Angels und Bandidos betont brav und freundlich im Büro des hannoverschen Rechtsanwalts Götz von Fromberg. Beinahe wie Fürbitten im Sonntagsgottesdienst trugen die kräftigen Männer für beide Seiten abwechselnd die vier Punkte vor, die Eskalation und Bandenkrieg beendet sollen: Pro Stadt gibt es künftig nur noch die eine oder andere Gruppe, Ex-Mitglieder der Konkurrenz müssen draußen bleiben, es gibt vorerst keine Neugründungen, und regelmäßige Gespräche sollen auch geführt werden.

In Dänemark, daran hatte Anwalt von Fromberg einleitend erinnert, funktioniere ein solches Abkommen schon seit 14 Jahren, und von einem Waffenstillstand wollen die Beteiligten auch nichts hören: "Es waren persönliche Konflikte zwischen Mitgliedern und kein Krieg."

Aber die Vereinbarung erinnert eben doch an einen Friedensvertrag, bei dem sogar die territorialen Fragen geklärt sind. Faktisch, so sehen es zumindest Polizeiexperten, haben die Kontrahenten die Bundesrepublik aufgeteilt durch Punkt 1 ihrer Vereinbarung: "Hells Angels gehen nicht in die Städte der Bandidos und umgekehrt." Und zur Friedenssicherung gehören auch bilaterale Kontakte: "Es ist geplant, regelmäßig Gespräche zu führen, um Probleme zu verhindern." Und als ginge es um eine Ehe, versprechen beide Seiten, "zukünftig in friedlicher Koexistenz zu leben und sich gegenseitig zu respektieren und zu achten."

Fünf der sechs Männer, die da rechts und links neben dem Vermittler von Fromberg saßen, mochten gestern nur ihre Vornamen nennen, firmierten etwa als Django oder Lobo. Frank Hanebuth als Chef der Hells Angels in Hannover aber buchstabierte gelassen seinen Namen. Er hat das Abkommen in den vergangenen zwei Monaten maßgeblich ausgehandelt, denn er hätte viel zu verlieren, wenn es zu einem Verbot der Rockerbanden kommen sollte. Hanebuth ist im Rotlichtviertel der Landeshauptstadt Hannover nicht nur mit seinem Rokerklub, sondern auch als Unternehmer längst etabliert. Ein Verbot schadet nur dem Geschäft. Hanebuth ist zudem langjähriger Mandant eben des angesehenen Anwalts von Fromberg, zu dessen Kanzlei "in Bürogemeinschaft" auch Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gehört.

Vor der Tür der Kanzlei im noblen hannoverschen Zooviertel standen gestern Bodyguards in feinstem schwarzen Anzug, prüften sorgfältig Anmeldelisten und Presseausweise der Journalisten - sogar das massive Gedrängel von Fotografen und Kameraleuten sprach dafür, dass es hier um einen wichtigen Friedensschluss ging. Der wurde dann, Rocker bleibt Rocker, vorsichtshalber auch nicht nur durch Unterschrift, sondern auch per Handschlag besiegelt.

Anwalt von Fromberg gab sich optimistisch: "Ich habe die Hoffnung, dass jetzt Ruhe einkehrt." Und er machte klar, wie er die eigene Rolle gesehen wissen will: "Ich bin hier nicht als Anwalt, sondern als Vermittler tätig geworden".

Beide Klubs, so steht es reumütig in der Vereinbarung, haben "eingesehen, dass das Verhalten einzelner Mitglieder in der Vergangenheit zur starken Verunsicherung der Bevölkerung und auch der ganzen Biker-Szene geführt hat". Auf die Frage, was denn passiert, wenn ein Rocker nicht so reumütig-friedlich bleibt, wie er neuerdings sein soll, sagt einer der Unterhändler, der werde dann "entsorgt". Was damit gemeint ist? Natürlich nur der Rausschmiss als schärfste vorgesehene Sanktion.

Auch auf die Frage, warum man sich überhaupt seit Jahrzehnten streitet, kommt eine erstaunliche Antwort: "Das wissen wir selbst nicht mehr."