Dirk Jens Nonnenmacher, Chef der HSH Nordbank, verteidigt im Interview Bonuszahlung und mahnt seine Kritiker: “Bank nicht zerreden.“

Hamburg. Abendblatt: Wie oft haben Sie es schon bereut, den Chefposten bei der HSH Nordbank übernommen zu haben?

Dirk Jens Nonnenmacher: Bisher überhaupt nicht. Ich bin im Oktober 2007 als Finanzvorstand angetreten, um die Bank mit an die Börse zu bringen. Seitdem ist zwar vieles anders gekommen ...

Abendblatt:... und von Börsengang keine Rede mehr. Warum haben Sie nicht hingeworfen?

Nonnenmacher: Wir haben ein weitreichendes Restrukturierungskonzept entwickelt und dann begonnen, es Stück für Stück umzusetzen. Wesentlich waren dabei die Rekapitalisierung und dass der neue Aufsichtsrat unter Führung von Herrn Kopper das Gesamtkonzept nachdrücklich stützt.

Abendblatt: Der frühere Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper war ausschlaggebend dafür, dass Sie geblieben sind?

Nonnenmacher: Es war zumindest eine entscheidende Facette. Als Wolfgang Peiner als Aufsichtsratschef zurückgetreten ist, war klar, dass wir in der schwierigen Situation, in der sich die Bank befand, jemanden brauchten, der langjährige Erfahrungen im Geschäft mitbringt und der sich auch einmal vor die Bank stellen kann, wenn das nötig ist. Da ist Herr Kopper mit seiner Fach- und Lebenserfahrung eine Idealbesetzung.

Abendblatt: Es hieß, Sie hatten Angebote von Banken aus London?

Nonnenmacher: Angebote gibt es immer wieder mal.

Abendblatt: Was sprach dagegen?

Nonnenmacher: Dass ich überzeugt bin von dem, was wir hier machen - und den Ehrgeiz habe, die strategische Neuausrichtung auch umzusetzen. Wir wollen gemeinsam zeigen, dass unser Konzept aufgeht. Hinzu kommt: Man identifiziert sich mit der Bank, mit den Mitarbeitern, mit den Kunden und mit der Region. Ich bin niemand, der wegläuft, wenn es schwierig wird. Wenn ich eines Tages eine andere Aufgabe übernehmen sollte, möchte ich Werte geschaffen und etwas Funktionierendes hinterlassen haben.

Abendblatt: Das Bleiben wurde Ihnen ja auch mit 2,9 Millionen Euro versüßt.

Nonnenmacher: Wenn Sie es so nennen wollen. Als ich im November 2008 in einer Ausnahmesituation für die Bank den Vorstandsvorsitz übernommen habe, gab es klare Absprachen. Der Aufsichtsrat hat mir ein Angebot gemacht mit dem Ziel, die Rekapitalisierung der Bank zu organisieren und den Weg für die strategische Neuausrichtung zu bahnen.

Abendblatt: Haben Sie ein schlechtes Gewissen?

Nonnenmacher: Hierfür gibt es keinen Grund. Ich bin ein Verfechter davon, Verträge auch einzuhalten. Richtig ist aber, dass die getroffenen Absprachen von allen Beteiligten nicht gut kommuniziert wurden. Da schließe ich mich ausdrücklich mit ein. Es gab und gibt an diesem Punkt aber nichts zu verbergen. Hinzu kam, dass wir in einer Zeit leben, in der der Begriff "Bonus" zum Reizwort geworden ist.

Abendblatt: Aber können Sie die Bürger verstehen, die sich ärgern, dass da eine mehrheitlich öffentliche Bank riesige Summen verbrannt hat, und der Chef bekommt 2,9 Millionen Euro extra?

Nonnenmacher: Ja, das kann ich.

Abendblatt: Was sagen Sie denen?

Nonnenmacher: Mir ist völlig klar, dass wir dabei von Gehaltshöhen sprechen, die 90 Prozent der Menschen in Deutschland für astronomisch halten. Trotzdem geht es hier um die Rettung einer Bank mit immenser Bedeutung für die Region. Wenn man von Beträgen spricht, wäre es auch angemessen, Leistung dagegenzuhalten, die dafür erwartet wird. Wir haben jetzt die Gehälter für Vorstände auf 500 000 Euro gedeckelt und das wohl restriktivste, am langfristigen Erfolg orientierte Vergütungsmodell eingeführt. Wir sehen aber auch, dass es uns nicht leicht fällt, in dieser Branche Top-Personal zu rekrutieren

Abendblatt: Was empfinden Sie, wenn Sie lesen, der "meistgehasste Manager" zu sein?

Nonnenmacher: Durch die Geschichte mit den 2,9 Millionen wurde ich in eine Reihe gestellt mit Leuten, die Milliarden versenkt haben und jetzt noch wegen einer Millionen-Abfindung klagen. Da fühle ich mich falsch positioniert.

Abendblatt: Haben Sie Fehler gemacht?

Nonnenmacher: Selbstverständlich, jeder macht Fehler. Wir hätten zum Beispiel intensiver erläutern müssen, wo die Bank steht, warum wir was machen. Aber mit Verlaub, wir haben auch vieles richtig gemacht. Zum Beispiel wenn man betrachtet, welche Arbeit hier in den vergangenen 14 Monaten von allen Mitarbeitern geleistet wurde. Wir sind bei der Restrukturierung der Bank so weit wie kein zweites Institut in Deutschland. Als ich die Bank im November 2008 übernommen habe, stand sie am Abgrund. Da gab es Tage, da bin ich um die Alster gelaufen und habe mich gefragt: Wo ist die Lösung? Und heute? Wir haben sie in zwei Teile geteilt, die Abbaubank hat planmäßig ihre Arbeit aufgenommen, wir haben signifikant die Bilanzsumme heruntergefahren, und die Bank ist über ein innovatives Kapitalisierungskonzept völlig neu aufgestellt. In der Sache sind wir weit gekommen.

Abendblatt: Omega, St. Pancras - wie viele Milliarden-Risiken hat die HSH noch mithilfe solcher Geschäfte ausgelagert?

Nonnenmacher: St. Pancras war ein übliches Geschäft zwischen Banken, absolut legal und völlig transparent dargestellt. Und trotzdem wird dann plötzlich eine Welle losgetreten mit dem Vorwurf: Bilanzfälschung. Da verstehen wir keinen Spaß, wir werden auf Aufklärung dieser falschen Behauptung bestehen. Bilanzfälschung wäre eine Straftat. Jeder, der unseren Geschäftsbericht richtig liest, kann selbst erkennen, dass St. Pancras keine bilanzielle Wirkung hatte, weil die Forderung bei uns verblieb.

Abendblatt: Dann versteht es doch erst recht kein Mensch. Stellen wir uns mal einen Bäcker vor, der zu viel Mehl im Lager hat. Der geht dann zum Schuster nebenan, der zu viele Schnürsenkel hat. Dann gründen beide jeweils eine Zweckgesellschaft, eine für das Mehl, die andere für die Schnürsenkel, das Ganze wird an einen US-Fonds verkauft. Weil der aber kein Geld hat, leihen es ihm der Bäcker und der Schuster. So sind sie die "Risiken" los, aber besser geht es ihnen dennoch nicht. Das würden 99 Prozent der Bürger für verrückt erklären. Warum machen Banken so etwas?

Nonnenmacher: Ihr Bild ist schief. Es ist nun einmal das Geschäft von Banken, Risiken aufs Buch zu nehmen und andere Risiken weiterzugeben. Und solche Transaktionen sind eine Möglichkeit des Risikomanagements. Man möchte ein bestimmtes Risiko nicht mehr in den Büchern haben und sucht sich jemanden, der es übernimmt.

Abendblatt: Der Anwalt Gerhard Strate nennt das Bilanzfälschung, und die Staatsanwaltschaft nimmt seine Anzeige ernst.

Nonnenmacher: Wir unterstützen die Staatsanwaltschaft, denn mit zügiger Klarheit ist allen Beteiligten am besten gedient. Ich finde es zwar befremdlich, dass sich die Staatsanwaltschaft öffentlich äußert, während meinem Anwalt Akteneinsicht verweigert wird. Aber den Vorwurf einer Bilanzfälschung weisen wir entschieden zurück.

Abendblatt: Island, Lehman Brothers, HRE - warum war die HSH eigentlich überball dabei, wo es später brannte?

Nonnenmacher: Dafür muss man bis zur Fusion 2003 zurückschauen. Damals wurde die HSH Nordbank als internationale Geschäftsbank gegründet, mit der Möglichkeit, sich an jeder Form von Bankgeschäft zu beteiligen. Um die Börsenfähigkeit herzustellen, musste die Rentabilität deutlich erhöht werden. Die Bank musste eine Wachstumsstory nachweisen, um das Interesse internationaler Investoren zu wecken. Da das Wachstum im Inland irgendwann an Grenzen stößt, ging man verstärkt ins Ausland, baute Repräsentanzen und Niederlassungen auf und ging mit aggressiven Konditionen in den Markt. Das erklärt, warum wir in vielen Fällen dabei waren. Rückblickend betrachtet war das Wachstum unausgewogen.

Abendblatt: Inwiefern fühlen Sie sich denn von der Politik zu riskantem Handeln animiert?

Nonnenmacher: Ich bin erst Ende 2007 zur Bank gekomme, und seitdem haben wir die Risiken konsequent abgebaut. Aber die Politik war sich sicher bewusst, was sie wollte.

Abendblatt: Was sagen Sie Politikern wie Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner oder dem Hamburger GAL-Fraktionschef Jens Kerstan, die früher die Dividende der HSH gern im Haushalt eingeplant haben und jetzt sagen, Sie seien der falsche Mann?

Nonnenmacher: Ich habe in den vergangenen Monaten gelernt, dass Politik oftmals anders denkt als Wirtschaft. Das habe ich unterschätzt. Politik und Medien agieren in kurzlebigen Zyklen. Wir brauchen jetzt jedoch einen langfristig orientierten Neuaufbau der Bank. Die Bank hat über Jahre ungeheure Dividenden und Steuern gezahlt, und sie hat einen immensen Wert für die Region. Und als die Schieflage kam, haben sich dann über Nacht viele kritisch geäußert. Der Kreis von konstruktiven Ratgebern ist mehr als überschaubar gewesen.

Abendblatt: Gibt es noch eine Lust am Untergang der HSH?

Nonnenmacher: Ich stelle mir schon die Frage, welches Interesse einige Personen haben, eine Bank so zu zerreden. Die Bank ist das Vermögen der Bürger. Und ich möchte mir nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn die HSH hätte abgewickelt werden müssen.

Abendblatt: Was denn?

Nonnenmacher: Wir sind in Norddeutschland der wichtigste Finanzierer für den gehobenen Mittelstand und die maritime Wirtschaft mit entsprechend vielen Arbeitsplätzen. Platt gesagt: Ein großer Teil der Schifffahrtsbranche kann einpacken, wenn wir aus dem Markt gehen.

Abendblatt: Es gab ja auch Politiker, die die HSH besser dargestellt haben, als sie war. Bürgermeister Ole von Beust wollte zum Beispiel im Wahlkampf Anfang 2008 nicht über Probleme sprechen, obwohl klar war, dass die Bank Geld brauchte.

Nonnenmacher: Wer wann was wusste und wer wofür politisch verantwortlich war, will ich nicht bewerten. Dafür gibt es zwei Untersuchungsausschüsse. Anfang 2008 wurde deutlich, dass der Börsengang 2008 nicht kommen würde. Aber ich weise weit von mir, dass die Lage der Bank damals existenzbedrohend war.

Abendblatt: Und jetzt: Wann machen Sie in Ihrem Kernmarkt Schifffahrt wieder Gewinn?

Nonnenmacher: 2009 war schwierig. Wir gehen davon aus, dass auch 2010 schwierig bleibt und wir Ende 2011 Licht am Horizont sehen. Am Bulker- und Tanker-Markt gibt es kaum Probleme, aber noch am Container-Markt. Das betrifft ein gutes Drittel der gut 30 Milliarden Euro in unseren Büchern. Aber der Markt entspannt sich zusehends.

Abendblatt: Würde ein Rettungsschirm helfen, wie er von einigen Reedern gefordert wird?

Nonnenmacher: Man müsste die gleichen Fragen beantworten wie bei der Bankenrettung: Wer gibt Liquidität? Wer gibt Eigenkapital? Und wer zahlt am Ende, falls es schiefgehen sollte? Ein langfristiger Diskussionsprozess wäre nötig, vielleicht ist die Krise dann schon vorbei.

Abendblatt: Und wann ist die HSH-Krise vorbei?

Nonnenmacher: Unser Konzept sieht vor, dass wir 2011 die Ertragswende schaffen. Und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das erreichen werden.

Abendblatt: Und dann fusioniert die HSH mit der Nord LB?

Nonnenmacher: Mir ist nicht bekannt, dass derzeit jemand ernsthaft über Fusionen nachdenkt. Neben allen grundlegenden Herausforderungen einer Fusion würden sich für das größere neue Institut die gleichen Fragen wie bei unserer Restrukturierung stellen: Wie sieht ein tragfähiges Geschäftsmodell aus, wie kann es refinanziert und kapitalisiert werden. Außerdem haben wir bereits deutliche Risikovorsorge gebildet und werden dies auch für 2009 tun. Damit legen wir enorme Rücklagen an. Auch andere Banken haben große Bücher ...

Abendblatt:... und die Nord LB bildet zu wenig Risikovorsorge?

Nonnenmacher: Da kann ich mir kein Urteil erlauben. Aber unsere gesamte Risikovorsorge ist um ein Vielfaches höher als die anderer Banken. Da wir aber teilweise die gleichen Kunden bedienen, fühle ich mich mit unserer Risikovorsorge sehr wohl. Über weitergehende strategische Optionen für die HSH Nordbank werden unsere Anteilseigner zu geeigneter Zeit entscheiden.

Abendblatt: Wann ist Ihre Mission erfüllt?

Nonnenmacher: Noch nicht, wir haben noch einiges vor uns.

Dirk Jens Nonnenmacher kam 1963 in Karlsruhe zur Welt. Nonnenmacher studierte in Ulm Mathematik und Medizin und wurde 1993, mit 30 Jahren, zum Professor habilitiert. Zunächst beriet er Firmen der Finanzbranche, bevor er 1998 zur Dresdner Bank ging und 2004 zur DZ Bank. Im Oktober 2007 wurde Nonnenmacher Finanzvorstand der HSH Nordbank, im November 2008 übernahm er den Vorstandsvorsitz.