Der EU-Gerichtshof für Menschenrechte begrenzt die Sicherungsverwahrung. Justizsenator Till Steffen verspricht aber den Schutz der Bürger.

Hamburg. Von den 30 Schwerverbrechern, die sich in den Hamburger Justizvollzugsanstalten und dem Maßregelvollzug (Ochsenzoll) in Sicherungsverwahrung befinden, müssen wahrscheinlich 16 bis zum Jahr 2018 entlassen werden. Unter ihnen sind auch 14 Gewalttäter. Die Freilassung ist eine Folge eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Danach ist es nicht zulässig, Strafen - und damit auch eine Sicherungsverwahrung - rückwirkend zu verhängen.

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Von den betroffenen 16 Schwerverbrechern in Hamburg waren fünf wegen Tötungsdelikten, drei wegen Sexualstraftaten, sechs wegen Raubes und zwei wegen Vermögensstraftaten verurteilt worden. Auch wenn in jedem Einzelfall die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts entscheiden muss, gilt ihre Entlassung als sicher. Über das Schicksal von drei Häftlingen - zwei aus dem Maßregel-, einer aus dem Strafvollzug - soll die Kammer noch in diesem Jahr befinden. In der Justizbehörde hieß es, auf einer "Fallkonferenz" mehrerer Behörden sei bereits erörtert worden, wie ein "optimaler Schutz der Bevölkerung" sicherzustellen sei.

+++ SO KRIMINELL IST IHR STADTTEIL +++

Justizsenator Till Steffen (GAL) sagte: "Entlassene Risikostraftäter stehen unter Führungsaufsicht und müssen sich je nach Einschätzung an bestimmte Auflagen halten. Das kann eine Meldepflicht sein, die verpflichtende Teilnahme an einer stationären oder ambulanten Therapie oder ein Verbot, sich zum Beispiel in der Nähe von Kinderspielplätzen aufzuhalten."

Der SPD-Innenexperte Andreas Dressel befürwortet außerdem den Einsatz "einer elektronischen Fußfessel". Mit einer Rund-um-die-Uhr-Kontrolle der Straftäter sei die Polizei wegen der "desolaten Personalsituation" wohl überfordert, so Dressel. Uwe Koßel, Landeschef der Polizeigewerkschaft GdP, regte die Schaffung von gesonderten Anstalten für Sicherungsverwahrte an, um der vom EGMR geforderten Abgrenzung zu gewöhnlichen Strafgefangenen Rechnung zu tragen. Die rechtspolitische Sprecherin der Hamburger CDU, Viviane Spethmann, sagte, auf Bundesebene müssten nun die rechtlichen Voraussetzungen für eine zeitlich unbefristete Sicherungsverwahrung auch der "Altfälle" geschaffen werden. Ziel müsse es sein, diese "tickenden Zeitbomben dauerhaft zu sichern".

Die Sicherungsverwahrung wird angeordnet, wenn davon auszugehen ist, dass ein Täter eine Gefahr für die Allgemeinheit bleibt. Ein Rückfalltäter, 52, aus Hessen hatte vor dem EGMR gegen die Verlängerung seiner Verwahrung geklagt. Der Mann war 1986 wegen versuchten Raubmordes zu fünf Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Nach dem damaligen Gesetz war diese auf zehn Jahre begrenzt. Im Jahr 1998 jedoch wurde die zeitliche Befristung aufgehoben. Dies betraf auch den klagenden Rückfalltäter. Das Bundesverfassungsgericht billigte die Praxis im Jahr 2004: Es handele sich bei der Verwahrung um eine "Maßregel zur Besserung und Sicherung", nicht um eine Strafe. Dem widersprachen die Straßburger Richter: Der Kläger sei in einem gewöhnlichen Gefängnis untergebracht, die Sicherungsverwahrung sei daher als Strafe zu betrachten. Strafen dürften jedoch nicht rückwirkend verhängt werden, wenn das Gesetz zum Zeitpunkt der Verurteilung noch nicht existierte.