Ende 2012 soll der Bau fertig sein, Betriebsbeginn ist erst Ende 2013. Für gerissene Schweißnähte im Kesselstahl fehlt weiter eine Lösung.

Moorburg. Es ist nur ein schlichter industrieller Zweckbau. Und doch ähnelt der noch nicht fertiggestellte Hybridkühlturm auf der Baustelle des künftigen Steinkohlekraftwerks in Moorburg verdammt dem vor fast 2000 Jahren von den Römern geschaffenen Amphitheater Kolosseum. Überhaupt ist beim Rundgang mit Oberbauleiter Richard Warzawa über die Kraftwerksbaustelle Staunen angesagt.

Alles wirkt riesig, die bereits fertiggestellten Kessel- und Maschinenhäuser ebenso wie der 137,5 Meter hohe Schornstein oder auch die an Moscheen erinnernden Kuppelbauten, in denen in Zukunft doch nur Steinkohle gelagert werden soll. Ein einzelner Mensch wirkt winzig in diesem Labyrinth aus Stein und Stahl. Seit November 2007 wird an dem Kraftwerk bereits gearbeitet, und derzeit sind fast 2200 Menschen aus 17 Nationen mit dem Aufbau befasst. Es handelt sich mit einem Grundstück von 23 Hektar um Hamburgs größte Einzelbaustelle. Und der Preis ist gigantisch: Inzwischen kalkuliert der schwedische Staatskonzern und Energieerzeuger Vattenfall als Bauherr und Betreiber mit einer Endsumme von 2,8 Milliarden Euro.

Voraussichtlich Ende 2012 wird das Kraftwerk - wie ursprünglich geplant - weitgehend fertiggestellt sein. Aber die beiden Herzen der Anlage, die in einem Stahlgerüst hängenden, jeweils etwa 100 Meter hohen Heizkessel, bereiten noch immer große Probleme. Die vom Kessel-Hersteller Hitachi Power neu entwickelte Stahllegierung der Kessel zeigt Risse im Bereich von Schweißnähten. Bislang gibt es noch keine Lösung, wie die Schäden zu beheben sind und Warzawa rechnet damit, dass das Kraftwerk voraussichtlich erst mit einjähriger Verzögerung, voraussichtlich Ende 2013, ans Netz gehen kann. Dennoch ist schon ein Großteil der künftigen, etwa 220 Mitarbeiter zählenden Kraftwerks-Mannschaft bereits im Einsatz - darunter die Leute in der Schaltzentrale, dem künftigen Gehirn des Kraftwerks. Warzawa: "Es sind ja schon zahlreiche Anlagen betriebsbereit, die von der Zentrale kontrolliert werden. Und es ist auch wichtig, dass sich die Mitarbeiter mit der gesamten Technik vertraut machen können." In Betrieb sind seinen Worten nach bereits zahlreiche Großpumpen und Großaggregate, darunter auch eine Wasseraufbereitungsanlage, die absolut reines Wasser herstellt, damit sich bei der Dampferzeugung in Kesseln, Rohrleitungen oder auch den Turbinen keine Rückstände ablagern. So lange das Kraftwerk selbst keinen Strom erzeugen kann, wird es mit elektrischer Energie fremd versorgt, derzeit noch mit einem Anschluss an das 110 Kilovolt-Stromnetz, ab kommendem Frühjahr Anschluss an das 380 kV-Netz.

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Weit fortgeschritten sind auch schon die Arbeiten an den Kaianlagen mit zwei Anlegestellen für Schiffe der sogenannten Panamax-Klasse. Zwei Kohle-Entlader sind bereits aufgestellt. 60 000 Tonnen Kohle pro Schiff sollen in 36 Stunden entladen werden können. Über geschlossene Transportbänder kommt die Kohle in die beiden kreisrunden Kuppelbauten, wo insgesamt 320 000 Tonnen gelagert werden können. Etwa 10 000 bis 12 000 Tonnen Kohle sollen täglich fein zermahlen unter den Kesseln verfeuert werden. Da reichen die Lagervorräte an Kohle gut einen Monat. Und mindestens einmal pro Woche muss ein Schiff Nachschub liefern. Dafür wird das Kraftwerk Moorburg mit einer Jahresleistung von elf Terawatt (elf Millionen Megawatt) auch fast den gesamten derzeitigen Strombedarf Hamburgs (13 Terawatt) liefern können. Warzawa: "So wird auch den Großkunden Stahlwerke, Alu-Werke und Kupferhütte die vereinbarte Versorgungssicherheit geboten." Hinzu kommt, dass Moorburg 650 Megawatt thermische Leistung erzeugt und Fernwärme für etwa 280 000 Hamburger Haushalte liefern kann.

Aber noch ist der dafür notwendige Bau einer 12 Kilometer langen Rohrleitung zur Anschlussstelle in Altona nicht genehmigt. Im Planfeststellungsverfahren waren 4600 Einwendungen von Bürgern und Umweltverbänden eingegangen und werden demnächst verhandelt. Das 50 Jahre alte Kohlekraftwerk Wedel (180 000 Fernwärme-Haushalte) hat deshalb eine Laufzeitverlängerung von 2012 bis 2017 erhalten.

Oberbauleiter Warzawa kommt täglich mit 35 Bauleitern und Subunternehmern (bis zu 480 Firmen) zusammen, um den Baufortschritt zu planen Derzeit sind fast 90 Prozent des Rohbaus fertiggestellt. 28 000 Baupläne und Zeichnungen sind insgesamt umzusetzen. Seit 1. Juli 2009 ist auf der Kraftwerksbaustelle auch ein Informationszentrum eingerichtet, das bereits von 9000 Menschen besucht wurde. Warzawa: "Die Technik ist faszinierend. Vieles wird vollautomatisch laufen." Und eine Anlage, die klimaschädliches Kohlendioxid speichern lässt, kann nachgerüstet werden.