Es gibt Ärger nahe dem neuen Kohlekraftwerk in Moorburg: 800 fremde Autos verstopfen täglich den 800-Einwohner-Stadtteil.

Hamburg. Morgens um 5 Uhr ist Rushhour in Moorburg . "Dann rauschen sie alle an, die Bauarbeiter vom Vattenfall-Kraftwerk , und wir haben hier das Gefühl, an der Autobahn zu wohnen. Wenn die Feierabend machen, so gegen 18 Uhr, geht es wieder los", sagt Jutta Ossadnik, 56, die am Moorburger Kirchdeich wohnt.

Hier steht die Monteurskarawane dicht an dicht. Sogar Wiesen und kleine Grünzonen müssen als Stellflächen herhalten. Die Fahrer kommen aus Polen, aus Slowenien, aus Ungarn und aus Bottrop, Köln, Dortmund und Wismar. 2300 Arbeiter bauen seit 2007 am 2,6 Milliarden teuren Vattenfall-Kohlekraftwerk, und es ist nicht nur der Lärm, der die 800 Einwohner des Hamburger Stadtteils im Bezirk Harburg nervt. Denn die Autos der Monteure stehen vor fast jeder Einfahrt in allen Straßen Moorburgs, auch dort, wo Schilder ein Halteverbot anzeigen. "Und wenn man die Männer höflich auffordert, sich doch einen anderen Parkplatz zu suchen, werden sie noch ausfallend und beschimpfen uns", sagt Ossadniks Nachbar Alfred Leye.

Viele Moorburger haben es schon aufgegeben, die Polizei zu rufen. "Jeden Tag, wenn er Dienstschluss hat, fährt unser Dorfsheriff, ein Polizist von der Polizeiwache in Neugraben, hier herum und verteilt Knöllchen. Das interessiert die Fahrer gar nicht, die zahlen, und am nächsten Tag stellen die sich wieder hierhin", sagt Andrea Pinkenburg. Manchmal wird abgeschleppt. "Auch das wirkt nicht abschreckend", sagt Leye. Sogar Feuerwehr und Rettungsfahrzeuge kämen nicht durch, weil Autos im Weg ständen.

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Bei Vattenfall haben die Moorburger sich schon beschwert. "Bringt nichts, die lachen darüber", sagt Carola Tödter, Inhaberin von Roli's Lädchen am Moorburger Elbdeich. Auch vor ihrem kleinen Geschäft stehen die Fahrzeuge am Bordstein. Viele Kunden bleiben deshalb seit einem Jahr weg. "Die können hier nicht wie früher mal eben heranfahren und sich Zeitung, Kaffee und Brötchen holen. Ich stecke schon mein eigenes Erspartes in den Laden", sagt sie und ballt die Fäuste. Da sie sich von Polizei und Vattenfall im Stich gelassen fühlt, greift sie zur Selbsthilfe. Morgens, wenn die ersten Arbeiter eintrudeln, stellt sich die kleine, resolute Frau an die Straße. "Dann jag ich die weg, da kenne ich keine Angst. Wer weiß, wie lange das hier mit der Baustelle noch geht. Vielleicht sind sie bis 2013 fertig, vielleicht auch nicht." Carola Tödter beklagt außerdem, dass die Fahrer nicht auf die Tempo-30-Zonen achten. "Die rasen hier durch. Bevor der Baustellenwahnsinn begann, konnten die Kinder hier auf der Straße spielen. Das ist nun viel zu gefährlich."

Einige Moorburger vermuten, dass der Energieversorger Vattenfall die Strafzettel für die Parksünder bezahlt. "Auf keinen Fall", sagt dagegen Unternehmenssprecher Stefan Kleinmeyer. Vattenfall sehe sich aber auch nicht in der Pflicht, die Arbeiter, die bei Auftragsfirmen angestellt seien, zur Ordnung zu rufen. "Wir haben Parkflächen in der Nähe der Baustelle eingerichtet, das muss reichen." 2300 Arbeiter seien am Kraftwerk im Einsatz, etwa 800 von ihnen reisten mit dem Auto an. Für sie stehen angeblich 1074 Stellflächen und Shuttlebusse, die die Monteure von weiter entfernten Parkplätzen zur Baustelle brächten, zur Verfügung. Diese Auskunft erhielt auch der GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Till Steffen auf Nachfrage beim Senat. "Das überrascht mich. Der Senat sollte besser eigene Ermittlungen einleiten, anstatt sich auf Angaben von Vattenfall zu verlassen."

Steffen erfuhr ebenfalls, dass Busse des öffentlichen Nahverkehrs unpünktlich seien, weil sie wegen der zugeparkten Straßen ihren Fahrplan nicht einhalten können. Zudem heißt es im Senatspapier, dass sich die Zahl der Verkehrsunfälle erhöht habe. Die meisten Unglücksfälle ereignen sich beim Wenden und Rückwärtsfahren, beim Abbiegen und wegen zu schnellen Fahrens. Genaue Angaben, wie viele "Knöllchen" die Polizei verteilt und wie oft abgeschleppt werde, gebe es nicht. Immerhin wird eingeräumt, dass im Bereich einiger Straßen, die sich in der Nähe der Baustelle befinden, besonders viele Falschparker aufgeschrieben würden. Bis zu 25 Euro, so Polizeisprecherin Ulrike Sweden, koste es, Halteverbotsschilder zu ignorieren. Auch bei häufigen Verstößen sei der Führerschein nicht gefährdet. Viele Moorburger plädieren für die Einrichtung von Anwohnerparkzonen. Dafür machen sich auch Ortspolitiker stark.

Ob das die Monteure davon abhält, sich in die Grundstückseinfahrten zu stellen, bezweifeln viele. Anwohner Alfred Leye: "Vattenfall hat zu Ostern Süßigkeiten zum Trost verteilt. Als wenn diese Geste irgendjemanden hier in Moorburg besänftigen würde."