Liberale nutzen Aktuelle Stunde der Bezirksversammlung für Generalabrechnung mit Politikstil der SPD-Fraktion

Harburg. Glaubt man CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer, dann sind die Tage der SPD-Alleinherrschaft in Harburg gezählt. In der Aktuellen Stunde der jüngsten Bezirksversammlung (BV) am Dienstagabend im Rathaus prophezeite er dem „monolithischen Block“ der Sozialdemokraten nach den Kommunalwahlen im Mai kommenden Jahres eine „Auszeit von fünf Jahren“, um sich neu zu finden und wirkliche tragfähige Konzepte für die Zukunft des Bezirks zu entwickeln.

„Die SPD-Fraktion blickt beständig 50 Jahre zurück, aber nicht 50 Jahre voraus“, so Fischer. Dauernd gaukele sie nur Kampfesmut vor, beweise ihn aber nicht. „Harburgs Sozialdemokraten haben einfach keine Visionen und nie wirklich eingelöst, was sie den Wählern im Frühjahr 2011 versprochen haben. Sie verlassen sich allzu oft auf den Bezirksamtsleiter. Doch der ist vor allem Erfüllungsgehilfe des Hamburger Senats“, so Fischer gewohnt kämpferisch.

Traditionell herrscht in der letzten Bezirksversammlung vor der Adventszeit „Friedenspflicht“. Doch von vorweihnachtlicher Stimmung war bei der finalen BV-Sitzung des Jahres wenig zu spüren. Das lag vor allem am Thema der Aktuellen Stunde. Vorgegeben hatte es diesmal turnusgemäß die FDP-Fraktion: „Harburg sieht absolut rot“.

Was viele Abgeordnete im Vorfeld etwas ratlos stimmte, entpuppte sich dann als schonungslose Abrechnung des liberalen Fraktionschefs Carsten Schuster mit dem Politikstil der roten Mehrheitsfraktion. Und gipfelte in der Feststellung: „Die Harburger SPD nutzt ihre absolute Mehrheit nicht zum Wohle des Bezirks, dessen Bürger schon zu lange rot sehen.“

Für Schuster sind die Sozialdemokraten nur linientreue Vollstrecker der Vorgaben des Senats. Obwohl es genug Anlass zur Kritik gebe, höre man von ihnen nichts. Das schwäche den Bezirk, statt ihn zu stärken. Schweigend würden Lenkungsgruppen akzeptiert, die Vorentscheidungen träfen, ohne den Bezirk adäquat zu beteiligen. Das habe das Verfahren zum Auffinden eines geeigneten Standorts für die Erstaufnahmeeinrichtung von Flüchtlingen erst wieder eindrucksvoll bewiesen.

„Auf der anderen Seite sind viele innovative Anträge der Opposition in den Ausschüssen geräuschlos beerdigt worden“, moniert Schuster. Die Liste sei endlos lang. So habe es weder eine Verkehrskonferenz für Hamburgs Süden mit den angrenzenden Landkreisen gegeben, noch sei es zu einem unabhängigen Expertengremium für Wohnungsbaufragen gekommen. Zuletzt sei schließlich auch der FDP-Vorschlag zur Einführung eines Bürgerfonds ohne schlüssige Begründung abgeschmettert worden. Stattdessen vertraue man auf vage Absichten der Verwaltung, ohne diese aber verbindlich festzuschreiben. Und verfolge teure Konzepte, wie die Landschaftsbrücke über die B73, für die es auf absehbare Zeit ohnehin kein Geld geben werde. „Die SPD argumentiert allzu oft ins Blaue, ohne die Vorschläge anderer Fraktionen ernsthaft zu prüfen“, so Schuster.

All das wollte SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath nicht unwidersprochen lassen. Doch statt sofort auf konkrete Kritikpunkte einzugehen, erinnerte er erst einmal mit unverkennbarer Häme daran, dass die FDP auf Bundesebene abgewählt worden sei. Erst dann verwies Heimath auf die Wohnungsbaukonferenz und den jüngst wieder forcierten Innenstadtdialog, die Schuster offenbar einfach ignoriere: „Hier sind die Bürger sehr wohl eingebunden und beteiligt worden.“

Kurioserweise entwickelte sich die Aktuelle Stunde dann auch noch zu einem Diskurs zur „reinen Farbenlehre“. So zitierte CDU-Frontmann Fischer aus einer Publikation des Psychologieprofessors Max Lüscher, dass eine Vorliebe für Rot von „expansivem Begehren“ und „Appetit bis zur gierigen Bemächtigung“ künde. Während die Farbe im Falle einer Abneigung als geradezu „quälend“, ärgerlich und sogar bedrohlich empfunden werde.

Diese Einlassungen konterte Bezirksamtsleiter und SPD-Mitglied Thomas Völsch mit dem Hinweis darauf, Schwarz sei vielleicht modern gewesen, als der russische Maler Kasimir Sewerinowitsch Malewitsch der Nachwelt 1915 sein abstrakt suprematistisches Gemälde „Das Schwarze Quadrat auf weißem Grund" geschenkt habe. Was der Verwaltungschef indes nicht sagte: Das Werk gilt bis heute als Meilenstein der Malerei und Ikone der Moderne.

Wie auch immer. Die Grünen-Abgeordnete Heinke Ehlers bemühte sich später, die „frei assoziierten“ Farbenspiele etwas zu relativieren. Schließlich sei die aktuelle SPD ja gar nicht mehr so rot, sondern präsentiere sich deutlich in Richtung magenta.

Überdies wies sie darauf hin, dass sowohl die Landschaftsbrücke als auch das Business Improvement District (BID) Lüneburger Straße auf Anträge der Grünen zurückgingen. Rot werde also deutlich mehr zugeschrieben, als zutreffend sei.