Drei Architekturstudenten der Universität Kassel stellen ihre Entwürfe noch bis zum 31. August im Winsener Rathaus aus.

Winsen. Wie kann der ehemalige Getreidespeicher im Stöckter Hafen umgebaut und genutzt werden, um den historischen Betonklotz an der Elbe mit neuem Leben zu füllen und zu einem Anziehungspunkt in der Region zu machen? Dieser Frage sind drei Architekturstudenten der Universität Kassel in ihren Diplomarbeiten nachgegangen. Ihre Entwürfe, die noch bis zum 31. August in der Bürgerhalle des Winsener Rathauses zu sehen sind, zeigen ein Kulturzentrum, ein Start-Up-Center und einen Wellnesstempel.

"Was braucht dieser Ort?" Das habe er sich gefragt, sagte Student Karsten Kreuter bei der Ausstellungseröffnung. Um die örtliche Wirtschaft zu stärken und sowohl den Speicher als auch die gesamte Hafenanlage zu beleben, schlägt er vor, aus dem alten Silo ein Zentrum für junge Unternehmer zu machen. Der Speicher, der aus einem Backsteinkern von 1938 und dem Betonmantel von 1955 besteht, soll zunächst nach aktuellen Energiestandards saniert werden. Das Silo soll zudem einen Aufbau bekommen, in dem Wohnungen für die Jungunternehmer eingerichtet werden sollen. "Ich wollte dem Hafen seinen charakteristischen Begleiter erhalten und zugleich eine moderne Nutzung ermöglichen, die Arbeiten und Wohnen verbindet", sagte der 24-Jährige.

Die aufgesetzte Holzrahmenkonstruktion - ähnlich wie bei der Elbphilharmonie ist der sichtbare Kontrast zwischen altem und neuem Gebäudeteil gewollt - ragt an einigen Stellen über die Grundfläche hinaus. Dies soll den Bewohnern aller Wohnungen den Ausblick sowohl auf den Hafen als auch auf die Harburger Berge ermöglichen.

Für den Altbau plante der angehende Architekt eine sogenannte Lochfassade: verschieden große Fenster, deren Anordnung sich von außen nicht erschließt, sondern sich an der Nutzung der Innenräume orientiert. Karsten Kreuter ist überzeugt: "Das Gebäude kann ein Sprungbrett für die Stadt werden."

Eine ganz andere Vision hat seine Kommilitonin Melanie Bischoff entwickelt. An ihrem Modell ist die vordere Front des Speichers zum Wasser hin freigelegt und durch eine Glasfassade ersetzt. Indem das Innere des Speichers mit seinen Kammern und Schütten nach außen sichtbar gemacht werde, bleibe die frühere Nutzung in Erinnerung, so die Diplomandin.

Ihr Konzept sieht außerdem vor, den derzeitigen Oberbau durch ein weiteres Geschoss zu ersetzen. "Das markante Äußere aus Ziegelstein und Stahlbeton wollte ich erhalten und eine klare Form schaffen." So sei schließlich genug Platz in dem Gebäude, um es als Projekthaus und Jugendzentrum zu nutzen. Darin könnten zum Beispiel ein Lernbereich mit kleiner Probenbühne, ein Musikbereich mit Tonstudio - das Silo sei ja bereits gut schallisoliert - und im oberen Geschoss ein Cafe und Clubraum mit schöner Aussicht über den Hafen entstehen, so die 23-Jährige.

Das Projekthaus, in dem Musik-, Tanz- oder Theaterprojekte für Kinder und Jugendliche angeboten werden sollen, könne von den Quäker-Häusern geleitet werden, die bereits mit der Restaurierung des Frachtenseglers Melpomene im Hafen aktiv sind. Melanie Bischoff setzt auf die Anziehungskraft eines belebten Hafens. "Mit einem kulturellen Zentrum kann die Stadt Familien und junge Leute in die Region locken."

Der dritte Entwurf, eine Wellnessanlage, stammt von Nicole Elsholz. Die alten Schütt-Trichter sollen dabei zu einem grottenähnlichen Wasserbecken umfunktioniert werden. Auch Massagezimmer, ein Saunabereich und ein Ruhebereich mit Blick über den grünen Deich hat die 28-Jährige geplant. Höhepunkt des Konzepts ist ein Außenbecken auf dem Dach der Anlage, von dem aus die Besucher die Aussicht über Winsen, die Elbe und die Harburger Berge genießen können. Der Speicher soll nach diesem Entwurf einen Anbau bekommen, der sich bis auf das Wasser ausdehnt. Dort könnte ein Restaurant angesiedelt werden.

Die Idee zur Neubelegung des alten Getreidespeichers hatte die Kasseler Professorin Brigitte Häntsch, deren Eltern in Winsen wohnen. Ihr Vater hatte als junger Mitarbeiter der Firma Beecken in den 50er-Jahren das Silo geplant und gebaut und konnte viele Details zur Bausubstanz und Statik beisteuern. Das Projekt sei ein gutes Beispiel, wie Kommunen und Hochschulen bei der Entwicklung eines Standorts zusammenarbeiten können, sagte Häntsch. Besonders angetan war sie von der Idee, ein Zentrum einzurichten für junge Unternehmer, die gerade von der Uni kommen

"Das ist definitiv ein wichtiges Thema zurzeit - woanders heißt das Inkubator. Die Wissenschaftler, die sich mit innovativen Geschäftsideen selbstständig machen wollen, werden meist anfangs von ihren Unis gefördert", sagte Häntsch. Auch an der Leuphana Universität Lüneburg gibt es einen sogenannten Innovationsinkubator.

Die Entwürfe tatsächlich so umzusetzen, sei aus bauaufsichtlichen Gründen schwierig, sagte Alfred Schudy, Leiter der Stadtplanungsabteilung der Stadt. "Aber die Ideen sind eine tolle Anregung. Gerade den Ansatz, Altes zu erhalten, finde ich gut." Er sei zuversichtlich, dass der Hafen neu belebt werden könne. "Langsam tut sich schon etwas, es liegen viele Boote dort, und die Melpomene schafft Atmosphäre. Der Speicher ist natürlich das Markanteste im Hafen. Es wäre schön, wenn er wieder genutzt würde."

Bürgermeisterin Angelika Bode lobte die Konzepte der Kasseler Studenten und erinnerte an frühere Ideen zur Aufwertung des Hafengeländes, die jedoch aus finanziellen Gründen nie umgesetzt wurden. Förderer seien jederzeit willkommen, sagte Bode und betonte: "Es ist Bewegung vor Ort, das Wasser übt große Faszination aus."