Hamburg. Das Aus der viel beachteten Gedächtnisstiftung kommt plötzlich. Gründer Michael Lezius erklärt die überraschenden Hintergründe.

Es ist eine traurige Nachricht – für Hamburg und für alle, denen der Schutz von Kindern am Herzen liegt: Die Yagmur-Stiftung, die jedes Jahr am 18. Dezember, dem Todestag der kleinen Yagmur, mit einer Gedenkveranstaltung im HamburgerRathaus an das grausame Schicksal jenes Pflegekindes, das 2013 im Alter von drei Jahren von der leiblichen Mutter aus dem Leben geprügelt worden war, erinnert hat, stellt überraschend ihre Arbeit ein.

„Meine finanziellen Mittel von fast 100.000 Euro sind aufgebraucht“, sagt Michael Lezius, der die Stiftung 2015 aus seinem Privatvermögen heraus gegründet hatte.

Stiftung Hamburg: Erinnerung an misshandelte Yagmur – Kinderschützer muss aufgeben

„Zwei Jahre lang habe ich versucht, die Yagmur-Stiftung bei anderen Organisationen anzudocken – leider ohne Erfolg“, sagt der frühere Wirtschaftsmanager, der einst so gut wie keinen Tag im Prozess gegen Yagmurs Eltern verpasste und auch jene Sitzungen aushielt, über die selbst erfahrenste Gerichtsreporter sagten, sie seien „nahezu unerträglich“ gewesen.

Jedes Jahr benötige die Yagmur-Gedächtnisstiftung mindestens rund 15.000 Euro, um die Kosten zu decken, sagt der mittlerweile 80-Jährige. Die Versuche, eine engagierte Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu finden, seien bedauerlicherweise gescheitert. „Es hätte jemand sein müssen, dem die Kinder am Herzen liegen, der Leidenschaft mitbringt und im besten Fall auch Fachkenntnisse hat“, so Michael Lezius.

Yagmur-Stiftung: Michael Lezius ist 80 Jahre alt – und mit den Kräften am Ende

Jetzt ist „Hamburgs oberster Kinderschützer“, wie der Vater von zwei leiblichen Töchtern und zwei Pflegekindern bewundernd genannt wurde, nicht nur finanziell am Ende, sondern vor allem auch körperlich erschöpft: „Ich bin 80 Jahre alt, habe mich noch nicht gänzlich von einem Fahrradunfall vor drei Jahren erholt“, sagt der gebürtige Berliner, der mit seiner Frau in Barmbek in einem Mehrgenerationenhaus lebt. „Ich habe einfach nicht mehr die Kraft für die Stiftungsarbeit und die Vorbereitung der Gedenkveranstaltung.“

Dabei galt die Arbeit der Stiftung nicht nur unter Sozialarbeitern, Psychologen, Kinderärzten und Juristen als „sehr wichtig“. Betont wurde zudem stets die Zusammenarbeit mit den Fraktionen von SPD, Grünen, CDU, FDP und Linke, von denen jeweils immer eine als Gastgeber die Gedenkveranstaltung im Rathaus mit ausrichtete.

Kinderschutz: Gedenkveranstaltung im Hamburger Rathaus wird ausfallen

„Diese Entscheidung habe ich nicht leichtfertig getroffen, das dürfen Sie mir glauben“, sagt der vierfache Großvater. In den vergangenen sieben Jahren sei die Yagmur-Gedächtnisstiftung „sein Leben“ gewesen, sagt Michael Lezius. „Ich weiß schon heute, dass viele Hundert Menschen das Aus bedauern und die Gedenkveranstaltungen vermissen werden.“ Doch das Ende sei „endgültig“, eine Weiterführung durch Dritte schließe er aus. „Bleibt zu hoffen, dass andere Stiftungen unsere Aufgaben künftig fortführen.“

Lezius konzentriert sich jetzt auf die Fertigstellung des Films „YAYA - Ein Leben“ (Regisseur Alexander Müller-Elsner), der Ende September vorgestellt werden soll. Auch die Planung einer Gedenkstätte für die zwölf seit 2005 in Hamburg getöteten Kinder – ein Herzensprojekt von Michael Lezius – gehe voran.

Yagmur-Stiftung: Homepage soll erhalten bleiben

Die Homepage der Yagmur-Gedächtnisstiftung (yagmur-stiftung.hamburg) bleibe erhalten, um über den Fortschritt zu informieren. Auch sollen die Artikel über die Leistungen der Preisträger (jährlich wurde der mit 2000 Euro dotierte Preis „Zivilcourage im Kinderschutz“ bei der Gedenkveranstaltung an engagierte Kinderschützer verliehen) weiter einsehbar sein.

„Ich glaube, wir haben die Gesellschaft für den Kinderschutz sensibilisiert“, sagt Michael Lezius. „Yagmur wurde nicht vergessen – das haben wir erreicht.“

Stiftung Hamburg: Der Fall Yagmur sorgte 2013 bundesweit für Schlagzeilen

Zum Hintergrund: Leberriss, innere Blutungen, mehr als 80 Hämatome auf dem kleinen Körper. Qualvoll, das las sich sogar aus dem so nüchternen Obduktionsbericht heraus, war die damals dreijährige Yagmur gestorben. Misshandelt und getötet von der leiblichen Mutter.

Der Fall aus Hamburg machte 2013 bundesweit Schlagzeilen: Wie konnten es Jugendamt, Rechtsmedizin und Familiengerichte in der Stadt geschehen lassen, dass ein kleines Mächen aus einer liebevollen Pflegefamilie zurückgeführt wurde zu einer Frau, die als gewalttätig berüchtigt war? Das war die Frage, die Michael Lezius bis heute nicht loslässt.