330 SPD-Landesdelegierte tagten im Hamburger Congress Center. Die Forderung der Jusos nach einem Sonderparteitag wurde allerdings abgelehnt.

Hamburg. Es sollte für die mit absoluter Mehrheit regierende SPD ein Parteitag der Harmonie und der Geschlossenheit sein. Und tatsächlich: Die Zusammenkunft von rund 330 SPD-Landesdelegierten im Congress Center am Sonnabend verlief fast ohne Störung und ohne eine einzige Gegenkandidatur bei der turnusmäßigen Neuwahl des gesamten Landesvorstands. Nur einmal, ganz am Ende des fast achtstündigen Parteitag-Marathons, drohte die Stimmung zu kippen.

Da ging ein sichtlich genervter Bürgermeister Olaf Scholz, wenige Stunden zuvor mit hervorragenden 94,2 Prozent als Hamburger Parteichef wiedergewählt , ans Mikrofon. "Wenn man denkt, man ist einig, dann soll man es auch bleiben", raunzte Scholz den neben ihm stehenden Juso-Vorsitzenden Hauke Wagner an. Was war geschehen?

Wagner hatte es gewagt, den zwischen Jusos und der Parteispitze gefundenen Kompromiss in Sachen Sonderparteitag zum Haushalt in Zeiten der Schuldenbremse mit dem Wunsch nach einer Ergänzung zu versehen. Scholz und SPD-Bürgerschaftsfraktionschef Andreas Dressel lehnen einen Sonderparteitag ab, auf dem der Sparkurs des Senats breit diskutiert würde.

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Stattdessen soll eine Fachkonferenz, zu der alle Parteitagsdelegierten, Senatoren und Abgeordneten eingeladen werden, am 3. November stattfinden. Fachkonferenz ist nicht gleich Parteitag. "Wir brauchen die Verbindlichkeit von Parteitagsbeschlüssen auch für die Fachkonferenz", forderte Juso-Chef Wagner. Er beklagte, dass die SPD als Partei zu wenig über das zentrale Thema der öffentlichen Finanzen diskutiert habe, und sieht ein Demokratie-Defizit, das zu Politikverdrossenheit führen könnte.

"Es kann der Eindruck entstehen: Die da oben machen sowieso, was sie wollen", warnte der Juso. "Das Ganze sollte aber keine Rote Karte für den Senat sein. Darum ging es uns nie", fügte Wagner noch hinzu, um drohendem Ungemach vorzubauen.

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Doch zu spät. Scholz wies den Wunsch der Jusos brüsk zurück. Das Angebot einer Fachkonferenz auch ohne Beschlusskraft sei ein "kluger Vorschlag" der Parteispitze. "Eine so tiefe Rückkoppelung der Regierungsarbeit gibt es in ganz Deutschland nicht", schickte Scholz den aufmüpfigen Jusos noch hinterher. Die Botschaft des Bürgermeisters lautete: "Gebt euch endlich zufrieden!" Auch Fraktionschef Dressel reagierte ungehalten. Er warf den Jusos vor, mit einer "merkwürdigen Satzungskiste" zu kommen, weil sie mehr Rechte für die Fachkonferenz forderten. "Hinweise und Anregungen aus der Konferenz werden selbstverständlich in der Fraktion ernst genommen", sagte Dressel.

Dagegen warb der frühere Landesvorsitzende Mathias Petersen für den Vorstoß der Jusos. "Transparenz und breite Unterstützung für die Senatspolitik sind nötig", so Petersen.

Am Ende setzten sich Scholz und Dressel klar durch: Wagners Wunsch nach Bindungswirkung der Fachkonferenz lehnte der Parteitag ab. Fast einstimmig wurde dann die Tagung selbst beschlossen. "Wir können uns den Erfolg auf die Fahnen schreiben, ein Stück innerparteiliche Diskussion angestoßen zu haben", zeigte sich Wagner mit dem Ergebnis dennoch zufrieden.

Für SPD-Chef Scholz dürfte die Gesamtbilanz des Parteitags positiv ausfallen. Bei allen inhaltlichen Anträgen setzte sich die Linie des Landesvorstands klar durch. So soll ein generelles Rauchverbot nur dann kommen, falls die Bemühungen der Bürgerschaftsfraktion um einen interfraktionellen Kompromiss, der Ausnahmen vorsieht, doch noch scheitern. Ursprünglich hatte die Altonaer SPD ein konsequentes Verbot auch in Eckkneipen gefordert.

Alle 32 Kandidaten für den neuen Landesvorstand setzten sich ohne eine einzige Gegenkandidatur durch. Neuer Parteivize wurde mit 78,1 Prozent Zustimmung der Wandsbeker Rechtsanwalt Nils Weiland, der Andreas Dressel ablöst, der nicht wieder angetreten war. Die beiden anderen Stellvertreter von Scholz, Inka Damerau aus der SPD Nord und Frank Richter aus Harburg, wurden mit 78,4 bzw. 74,6 Prozent wiedergewählt. Schatzmeister Prof. Christian Bernzen (SPD Mitte) wurde mit 93,2 Prozent im Amt bestätigt.

Es gehört seit Jahren zur SPD-Folklore, dass SPD-Mitte-Chef Johannes Kahrs im ersten Wahlgang durchfällt. Auch am Sonnabend schaffte Kahrs die Mehrheit erst im zweiten Angang.

"Es gibt feststehende Rituale im Leben, und dieses ist so eins", sagte Kahrs trocken. Auch der aufmüpfige Juso-Chef Wagner wurde mit 71 Prozent Zustimmung in den Landesvorstand gewählt.

Zu Beginn des Parteitags hatte Scholz in einer einstündigen Rede den Schulterschluss mit der Partei gesucht. Das Erringen der absoluten Mehrheit bei der Wahl 2011 sei "nicht der Erfolg eines Einzelnen oder einiger weniger, sondern von uns allen". Eindringlich schwor er seine Parteifreunde auf die Einführung der Schuldenbremse 2020 ein. Er rechne für den Sparkurs des Senats "mit breiter Zustimmung, weil die Bürger wissen, wir verschwenden das Geld nicht". Die Aussprache fiel aus, niemand hatte sich zu Wort gemeldet.