Hamburg. Ernährungs-Doc Riedl gibt Tipps für eine gesunde Ernährung und zeigt Alternativen zum Zucker. Warum Zero-Getränke keine Option sind.

Die gute Nachricht gleich am Anfang: „Jeder Mensch hat ein Zuckerkonto“, sagt Dr. Matthias Riedl, Diabetologe, Internist und Ernährungsmediziner. Die schlechte Nachricht: „Die meisten Menschen überziehen es gnadenlos.“ Und das häufig, ohne sich dessen bewusst zu sein, weiß der Ernährungs-Doc.

Denn in vielen Lebensmitteln tauchen statt des Wortes „Zucker“ Bezeichnungen wie Saccharose, Fructose, Glucose oder Maltose auf, die den Zucker auf den ersten Blick recht gut tarnen. „Es gibt viele Begriffe, hinter denen sich Zucker verbirgt, die man erst mal dechiffrieren muss“, sagt der Ernährungsmediziner.

Gesunde Ernährung: "Zucker ist überall verfügbar"

„Zucker ist vielleicht das größte Problem überhaupt“, sagt Riedl. „Zucker ist billig, ist überall verfügbar, ist ein Geschmacksverstärker und ein Suchtelement, um die Leute am Gängelband zu halten. Und die Versuchung der Zuckerindustrie war noch nie so groß, Zucker überall reinzumischen. Es gibt eine Untersuchung der AOK, dass 99 Prozent der Kindercerealien völlig verzuckert sind, aber das gilt auch bei Lebensmitteln für Erwachsene. 80 Prozent der Produkte im Supermarkt sind es auch.“

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Beim Selberkochen habe man das Zuckervermeiden in der Hand. Die WHO empfehle, pro Tag nicht mehr als 25 Gramm Zucker zu sich zu nehmen, die Fachgesellschaften in Deutschland hätten den Wert von 50 Gramm festgelegt. „Das finde ich zu viel. Wir gehen von 40 Gramm aus, die man nicht überschreiten sollte. 25 Gramm, das ist so wenig, das würde viele Leute einfach zu sehr frustrieren. Wir haben das daher etwas großzügiger definiert als die WHO. 40 Gramm sind auch erreichbarer als 25 Gramm. Die 25 Gramm frustrieren einfach zu sehr“, sagt der Leiter des Medicums Hamburg.

Zucker in Gemüse zählt nicht

Gezählt werde übrigens nur zugesetzter Zucker etwa in Fertigprodukten, Süßigkeiten, Süßgetränken und Fruchtsäften. Natürlicherweise in Gemüse wie Paprika und Karotten vorkommender Zucker zähle in diesem Konto nicht.

Vorsicht bei Fructose, die von Natur aus in den meisten Früchten, Gemüsen und Getreide vorkommt, sagt der Experte: „Sie lindert nicht den Heißhunger auf Süßes und kann zu einer Fettleber führen, da Fructose direkt in der Leber in Fett umgewandelt wird.“

Langkettige Kohlenhydrate sind gesünder

Einfache Kohlenhydrate wie Traubenzucker (Glucose) gehen rasch ins Blut. „Nahrungsmittel wie Brot, Nudeln und Kartoffeln enthalten mehr gut verpackte, komplexe oder langkettige Kohlenhydrate, welche vom Körper selber aufgespalten werden können. Hierfür braucht der Körper länger, und aus diesem Grund sorgen sie für einen langsameren Anstieg des Blutzuckerspiegels.“

Zucker in Form von Haushaltszucker oder anderen Formen brauche der Mensch im Grunde gar nicht. „Der Körper kann aus komplexen Kohlenhydraten genügend Einfachzucker bilden.“

Zucker ist oft versteckt

Zucker ist nicht nur in Süßigkeiten, sondern häufig auch versteckt in Fertigprodukten wie Weißkrautsalat oder eingelegtem Gemüse, in Wurst, Soßen, Gewürzmischungen oder Backwaren. „Es lohnt sich dabei immer, einen Blick auf die Zutatenliste zu werfen“, rät Riedl.

Zu viel Zucker schadet dem Körper: „Es gibt zahlreiche mögliche Folgen von zu großem Zuckerkonsum: Entzündungen der Zähne und des Zahnfleisches, Hautprobleme wie Entzündungen der Haut, Hautunreinheiten, ein geschwächtes Immunsystem, erhöhte Infektanfälligkeit, Übergewicht, Bauchbeschwerden und gestörter Schlaf“, sagt Riedl. Zucker mache nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene hibbelig. Besonders in Kombination mit Farbstoffen sei Zuckerkonsum kritisch.

Empfindliche Kinder, die beispielsweise Limonade mit Farbstoffen trinken, würden dadurch noch zappeliger. „Auch Erwachsene werden von Zuckerflashs unkonzentrierter, unruhiger und unzufriedener und in der Tendenz sogar unglücklicher. Das ist nicht so krass, dass man von Lachen in Traurigkeit verfällt, aber es ist messbar, und das ist auch der Grund, warum man es sein lassen sollte“, so der Ernährungsmediziner.

Krankheiten können durch Zucker schlimmer werden

Bestehende Krankheiten wie Neurodermitis oder Gelenkbeschwerden sowie rheumatische Erkrankungen könnten durch einen zu hohen Zuckerkonsum zusätzlich verschlechtert werden. Es gebe sogar Zusammenhänge zwischen hohem Zuckerkonsum und Krebserkrankungen oder gar Demenzentwicklungen.

Als Ersatz für Zucker empfiehlt Dr. Riedl Birkenzucker (Xylit), „der hat 40 Prozent weniger Kalorien. Auch Erythrit kann man benutzen. In größeren Mengen wirken sie aber blähend und abführend.“ Auch Stevia sei eine mögliche Alternative, aber in kleinen Mengen, weil die Auswirkungen auf die Darmflora nicht ausreichend erforscht seien. „Von den klassischen Süßstoffen würde ich sämtlich abraten, denn wir kommen dahinter, dass die Darmflora darauf nicht positiv reagiert.

Süßstoff-Getränke sind keine Alternative

Um es deutlicher zu sagen: Es gibt Studien, die das sehr gut beleuchten. Beispielsweise hatte man in einer Studie Leute mit Wasser bzw. kohlenhydratfreien Getränken, eine Vergleichsgruppe mit Süß-Limonaden und eine weitere Vergleichsgruppe mit Süßstoff-Limonaden. Es kam heraus, dass das geringste Diabetesrisiko jene hatten, die Wasser tranken, das höchste die mit Zucker-Limonaden.

Leider lag die Süßstoff-Getränke-Gruppe in der Mitte“, so Riedl. „Wir wissen, dass manche Menschen auf Süßstoff mit einer Verschlechterung der Glucose-Toleranz reagieren, und das heißt, ich werde dicker und habe ein höheres Diabetesrisiko.“ Wegen dieses Risikos sollte man die Finger davon lassen. „Wer immer Cola Zero trinkt, belügt sich selbst“, sagt der Ernährungs-Doc.

Gesunde Ernährung: "Ziel nicht aus den Augen verlieren"

Wer sein Essen und seine Getränke ständig übersüße, dessen Geschmackssinn stumpfe zudem ab. Agavendicksaft, Ahornsirup und Honig haben seinen Angaben zufolge einen hohen Zuckeranteil. „Kann man mal machen, wenn man kulinarisch eine bestimmte Geschmacksrichtung oder Farbe erreichen will, aber Vorsicht, es bleibt Zucker“, sagt Riedl. Es gehe einfach darum, seine Gewohnheiten zu ändern. Er habe sich beispielsweise schon vor 30 Jahren abgewöhnt, Tee mit Zucker zu trinken. Längst schmecke ihm das Getränk auch ohne.

Und wenn man doch mal über die Stränge schlägt: „Das geht auch mal, und dann soll man es auch genießen. Morgen ist ein neuer Tag, neues Glück. Es kommt aber darauf an, sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren“, sagt Riedl.