Die Menschen 2015, die Hamburgs Bewerbung vorantreiben, wollen sich aufs Wesentliche konzentrieren. Das heißt, dass sie leise im Hintergrund arbeiten – und in der Öffentlichkeit schweigen.

Hamburg. Feuer und Flamme für Olympia sind sie selbstverständlich alle – der Erste Bürgermeister Olaf Scholz inklusive –, aber rauslassen tun sie es nicht. Denn wenn sich der Traum von „Olympia 2024 in Hamburg“ erfüllen soll, ist für die Mitglieder der relativ übersichtlichen Projektgruppe „Olympia für Hamburg“ erst einmal Kärrnerarbeit angesagt, die darüber hinaus in einem Minenfeld verrichtet werden muss. Schließlich sind längst (noch) nicht alle Hamburger willens, in einem Jahrzehnt als Gastgeber der größten Party der Welt zu fungieren, und das Internationale Olympische Committee (IOC) vergibt ja die Spiele prinzipiell und vorzugsweise nur dorthin, wo mindestens 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung vom olympischen Geist beseelt sind.

„Begeisterung lässt sich nicht verordnen. Bei Großprojekten erst recht nicht. Deshalb ist es wichtig, lange nachzudenken, ordentlich zu planen, gründlich zu rechnen und in ruhigem Ton zu kommunizieren“, sagt Senatssprecher Christoph Holstein, der bisher bei allen veröffentlichten, offiziellen Schriften und Verlautbarungen sorgfältig darauf geachtet hat, dass keine hochtrabenden Adjektive Verwendung in den Texten fanden, sondern nüchterner Sachverstand. „Wenn es Vertrauen in die Verantwortlichen gibt, dann ist die Basis für Begeisterung geschaffen“, sagt Holstein. So etwas müsse sich aber entwickeln.

Die Lautstärke der Projektgruppe und aller Verantwortlichen ist tatsächlich mehr als nur gedämpft. Man stehe jetzt, wenn auch gut gerüstet, doch erst am Anfang eines langen Weges, flüstert es gerade mal aus dem inneren Kreis der Olympiaplaner, die sich zurzeit beinahe geschlossen im Winterurlaub befindet – über die ganze Welt verstreut. Einer von ihnen ist der Jurist Christian Hinzpeter, der die Stadt bereits seit vielen Jahren sportlich bewegt; früher als Vorstandsmitglied beim FC St.Pauli, dann bei der Sportagentur upsolut und jetzt auf Beraterebene als einer der Vordenker und Urheber der so genannten „Dekadenstrategie“ für den Breiten- und Spitzensport in Hamburg, die zugleich aber auch darauf ausgerichtet ist, Hamburg in Form für eine neue (Olympia-)Bewerbung zu bringen.

Hinzpeter „bittet um Verständnis“, dass er sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt einfach nicht in der Lage sehe, auch nur irgendwas Persönliches zu seinem Olympiaengagement zu äußern. Das hielte er für kontraproduktiv, und so würden es auch alle anderen Mitglieder der Projektgruppe halten – zum Voranbringen dieser spartenübergreifenden Mammutaufgabe. Genau so zurückhaltend äußert sich auch Lydia Kleist, die kommissarische Leiterin des Sportamts in der Innenbehörde, wo alle sportlichen und sportpolitischen Fäden der Stadt zusammengewoben werden.

Produktive Zurückhaltung ist eine Strategie


Und Uta Köhne, die als Leiterin der Projektgruppe (in der Innenbehörde angesiedelt) das operative Geschäft zwischen der Stadt und den bereits zahlreichen, bekannten, privaten Olympiabotschaftern koordiniert, feiert fernab von „Olympia für Hamburg“ im afrikanischen Busch einen runden Geburtstag – und kann daher nicht einmal befragt werden. Zu den Botschaftern gehören unter anderem Alexander Otto (ECE), Jens Baas (Techniker Krankenkasse), Moritz Fürste und Eric Johannesen (Olympiasieger), Dietmar Beiersdorfer (HSV), Frederik und Gerrit Braun (Miniatur Wunderland), Corny Littmann (Schmidts Theater/Tivoli), Jürgen Mantell (HSB-Präsident) und natürlich Fritz Horst Melsheimer (Präses der Handelskammer).

„Doch alle in diesem unterschiedlichen Team bekommen heute noch eine Gänsehaut, wenn sie sich an die Willkommensfeier für die London-Rückkehrer 2012 erinnern“, sagt Senatssprecher Holstein, „sie wissen, dass sie in Hamburg verantwortlich für ein Fest werden können, das noch großartiger ist und das der Stadt einen großen Schub geben wird. Das motiviert.“

Diese produktive Zurückhaltung, dieses unbedingte Vermeiden aller Äußerungen, die auch nur den leisesten Verdacht auf profilneurotisches Gehabe lenken könnten, hat jedoch nichts mit Mauscheleien im Hintergrund zu tun. Und mit „Strippenzieherei“ auch nicht. Sondern es ist vermutlich die einzig richtige Strategie, um eventuelle Krakeeler in den öffentlichen Meinungsportalen, vor allem in den sozialen Netzwerken, einerseits dazu zu zwingen, bei der Sache zu bleiben und andererseits eine echte Transparenz zwischen Bürgern und ihrer Regierung zu erzeugen.

„Ungeduld ist klasse, aber unhanseatisch!“


Dazu gehört vor allem, dass man sich den berechtigten kritischen Fragen der Olympiagegner und der Unentschlossenen nicht nur stellen, sondern auch versuchen möchte, sie als konstruktive Beiträge in den Entscheidungsfindungsprozess einzubinden. Es ist schließlich eine großartige Chance, wenn ausgerechnet vom Sport – dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) – ein so wichtiger Anstoß für die Stadtentwicklung erfolgt. Was natürlich auch Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter erfreuen dürfte, für den sich nun die einzigartige Perspektive eröffnet, aus dem bisher kaum zugänglichen Hafenstandort Kleiner Grasbrook einen lebenswerten Ort für die Bürger der Stadt zu schaffen – wenn das olympische Spektakel erst einmal vorbei ist.

Doch Walter hält sich geschickt zurück. Denn auch er weiß: Nichts wäre furchtbarer, als wenn der DOSB im kommenden Jahr einer Hamburger Olympiabewerbung gegenüber einer Berliner den Vorzug geben würde – und der Plan durch das vorgesehene Hamburger Bürgerreferendum dann scheitern sollte. So lässt sich niemand finden, der sich über die olympiareife Mahnung des erkrankten Sportamtschefs Thomas Beyer hinwegzusetzen wagt: „Ungeduld ist klasse, aber unhanseatisch!“ Auch das sagt viel über den grundsätzlichen Geist aus, der über der Projektgruppe schwebt: Von oben nach unten lässt sich halt nichts verordnen.

So wehrte auch Olaf Scholz bisher alle Versuche von außen vehement ab, die ihn dazu bewegen sollten, Hamburgs Olympiaengagement „zur Chefsache“ zu erklären. Obwohl er sagt: „Jeder weiß, dass sich Hamburg um Olympische und Paralympische Spiele bewerben möchte. Und es ist doch eine schöne Sache, 2024 die Spiele als Bürgermeister zu eröffnen. Das Rentenalter hätte ich dann noch nicht erreicht …“