Der Hamburger Hersteller von Servercomputern will Mitarbeiterzahl in diesem Jahr verdreifachen. Um auf sich aufmerksam zu machen, will Protonet zunächst Geld von US-Investoren einsammeln.

Hamburg. „Carla“ ist leuchtend orangerot, hat ungefähr die Form eines Würfels und vor allem ein extrem gutes Gedächtnis: 16 Terabyte, das ist eine höhere Datenmenge als die Buchbestände der größten Bibliotheken der Welt jeweils umfassen, passen auf die Festplattenspeicher im Inneren. Fast 200 dieser Netzwerkserver mit der fröhlichen, für Computer eher untypischen Farbe hat das junge Team von Protonet seit dem Start vor gut einem Jahr schon verkauft.

Für 2014 hat sich Ali Jelveh, der die Firma zusammen mit Christopher Blum gründete, viel vorgenommen. „Wir wollen in diesem Jahr deutlich mehr als 1000 Geräte absetzen“, sagt Jelveh. Dann dürfte Carla – das ist der Name des selbst genutzten Firmenservers, über den die aktuell 25 Beschäftigten die Arbeit organisieren – nicht mehr ausreichen: Das Gerät ist für kleine Firmen mit bis zu 50 Nutzern ausgelegt, die Mitarbeiterzahl von Protonet soll sich aber bis Ende 2014 verdreifachen.

Ein 3-D-Drucker fertigt Kunststoffteile, die am Nebentisch montiert werden

Noch immer staunt Jelveh erkennbar selber über die rasante Entwicklung: „Im November haben wir erstmals einen Monatsumsatz von mehr als 100.000 Euro erreicht. Vor einem Jahr hätten wir uns das nicht vorstellen können.“ Sollte es laufen wie geplant, müsste Protonet wohl bald umziehen. Das Großraumbüro an der Großen Bergstraße, direkt über einem Café, das Jelvehs Frau führt, bietet dann nicht mehr genügend Platz. Auf den ersten Blick sieht es dort aus wie in einer Bastelstube, aber der Eindruck täuscht: Konstruiert wird mit modernsten Computerprogrammen, in einer Ecke des Raums fertigt ein 3-D-Drucker in einem Kasten aus orange getönten Glasscheiben Kunststoffkleinteile für die Server, die gleich am Nebentisch montiert werden.

In Altona würde Jelveh gern bleiben, dort fühlt er sich am richtigen Platz: „Hier füllen sich die Hinterhöfe allmählich wieder mit Produktionsstätten.“ Der Jungunternehmer, der in Teheran geboren wurde, aber seit vielen Jahren in Hamburg lebt, denkt auch nicht daran, die Herstellung auf ein Billiglohnland zu verlagern: „Bei unserem Server, der 3000 Euro kostet, wäre die Fertigung in China vielleicht um 30 Euro günstiger.“ Die Produktion der Geräte einem Konzern zu überlassen, würde Jelvehs Überzeugungen widersprechen: „Ich glaube an eine Zukunft, in der vieles wieder in die Nachbarschaft zurückkommt. Daran will ich mitwirken“ – und das war auch die Idee, aus der Protonet entstand. Als Entwickler beim Hamburger Online-Karrierenetzwerk Xing bekam Jelveh die im Medien- und IT-Sektor vorherrschende Tendenz, sämtliche Nutzerdaten in die sogenannte Cloud (Wolke), also in Großrechenzentren zumeist in den USA auszulagern, hautnah mit. Er beschloss, dem etwas entgegenzusetzen, denn: „Wo es solche Datenhonigtöpfe gibt, werden sie Begehrlichkeiten wecken – für Hacker und für Regierungen sind sie einfach zu lecker.“

Die NSA-Affäre rückte diesen Zusammenhang in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. „Den Menschen wird immer klarer: Wenn sie die Speichertechnik nicht selbst besitzen, haben sie auch keine Hoheit über ihre Daten“, sagt Jelveh. Viele Geschäftsführer von kleinen Unternehmen hätten seit dem Sommer bei Protonet angefragt, und etliche der Neukunden hätten auch ihren Geschäftspartnern empfohlen, einen eigenen Server anzuschaffen.

Einen echten Vertrieb hatten Jelveh und Blum bisher nicht, aber das wird sich ändern: Der Chef des Flensburger Computerhändlers ComLine kontaktierte Protonet von sich aus, gerade wurde der Vertrag unterschrieben. Im Idealfall soll sich dies auf dem US-Markt wiederholen, denn die Altonaer Gründer planen für 2014 den Schritt auf den amerikanischen Markt.

Protonet plant Produktlinie mit Servern für kleine Unternehmen und Familien

Um dort auf sich aufmerksam zu machen, will Protonet zunächst Geld von US-Investoren einsammeln. In Deutschland war man damit vor gut einem Jahr sehr erfolgreich und gewann über die Schwarmfinanzierungsplattform Seedmatch innerhalb von nur 48 Minuten 216 Privatpersonen, die insgesamt 200.000 Euro in Protonet investierten. Das war ein europaweiter Geschwindigkeitsrekord für diesen innovativen Finanzierungsweg. Später kam rund eine Million Euro hinzu von der Innovationsstiftung Hamburg und den Hamburger Investoren Tarek Müller sowie Stefan Kolle und Stephan Rebbe, Gründer der Kommunikationsagentur Kolle Rebbe. Zunächst jedoch ist Jelveh im Gespräch mit mehreren deutschen Risikokapitalgesellschaften über eine nächste Finanzierungsrunde im Umfang von zwei bis drei Millionen Euro: „Wir sind kurz davor, die Gewinnschwelle zu erreichen. Das gibt uns eine viel bessere Verhandlungsposition.“ Bisher seien 85 Prozent der Anteile in der Hand der beiden Gründer, und auch in den nächsten Runden will man nur eine Minderheit abgeben.

Frisches Kapital ist nötig, weil Protonet eine zweite Produktlinie plant: günstigere Server für Betriebe mit weniger als zehn Beschäftigten und später auch für Privathaushalte. „Eine Familie ist nicht sehr viel anders organisiert als eine kleine Firma“, sagt Jelveh. Am Grundkonzept des Produkts, zu dem die simple Bedienung gehört – laut Protonet ist es der „einfachste Server der Welt“ –, soll sich nichts ändern. Das Gerät werde aber völlig anders aussehen. Einzelheiten verrät Jelveh noch nicht. Nur so viel: „Das Orange wird bleiben.“