Menschen mit einer Schizophrenie nehmen die Welt oft anders wahr als Gesunde: Sie leiden unter Halluzinationen, fühlen sich verfolgt.

Ich dachte, ich sei einfach erschöpft", berichtet Frank B.*, 28. "Das war ja auch kein Wunder. Seit Monaten, so glaubte ich, wurde ich im Job gemobbt - von den Vorgesetzten, von den Kollegen, die hinter meinem Rücken über mich herzogen." Der Ökonom arbeitete in einer Unternehmensberatung und fühlte sich zunehmend verfolgt. "Wenn Kollegen allgemeine Kritik äußerten, war ich sicher, dass sie eigentlich mich meinten." Dann stand eine längere Geschäftsreise nach Asien an. Frank B. fiel dort zunehmend in einen Erschöpfungszustand. "Der Stress und der Kulturschock", dachte er. Er überlegte, den Aufenthalt vorzeitig abzubrechen, wurde aber von der Familie gedrängt, durchzuhalten. Doch es ging nicht mehr. Frank B. kehrte nach Hamburg zurück und ging zum Hausarzt.

Die Diagnose Schizophrenie war ein Schock. Dennoch: Frank B., ein sachlicher und konsequenter Mann, versuchte es mit ambulanter Psychotherapie. Ohne Erfolg. Schwäche und psychotische Symptome blieben. Er zog sich mehr und mehr zurück. Dann kam er ans UKE, an die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Es folgten ein halbes Jahr teilstationäre Behandlung, dann zwei Monate Gruppentherapie, berichtet Dr. Daniel Schöttle, Arzt im Arbeitsbereich Psychosen an der Klinik. "Das war knochenhart. Aber nach zwei Monaten wuchs die Zuversicht, dass ich es schaffen kann", sagt Frank B. Unterstützt von den Therapeuten setzte er sich von Woche zu Woche Ziele - wieder aus dem Haus zu gehen, Freunde zu treffen. All das war monatelang nicht möglich gewesen. Doch manchmal müssen solche Ziele auch verschoben werden. "Das ist in Ordnung. Die Genesung braucht Geduld und Zeit", sagt Daniel Schöttle.

Bei der Schizophrenie leiden die meisten Betroffenen unter Halluzinationen in Form von Stimmenhören oder unter Wahnvorstellungen, das heißt, sie fühlen sich unrealistisch verfolgt, bedroht oder überwacht. Bei manchen Patienten äußert sich das Leiden auch nur dadurch, dass sie sich zurückziehen, niedergeschlagen sind und zu nichts mehr Lust haben. Viele Betroffene bemerken auch eine Abnahme ihrer geistigen Leistungsfähigkeit, sie können sich nicht mehr richtig konzentrieren, haben das Gefühl, dass ihr Gedächtnis nicht mehr richtig funktioniert.

Genauso wie bei Frank B. beginnt die Erkrankung oft vor dem 30. Lebensjahr; meistens zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr. "Das Risiko, im Laufe des Lebens an einer Schizophrenie zu erkranken, beträgt sieben bis acht Fälle auf 1000 Personen. Das bedeutet, dass in einer Stadt wie Hamburg rund 14.000 Menschen betroffen sind", sagt Birgit Linschmann, Ärztin auf der Psychosenspezialstation des Arbeitsbereiches Psychosen. Etwa fünf bis zehn Prozent der Patienten erkranken einmal und nie wieder, alle anderen erleben wiederkehrende episodische oder chronische Verläufe. Dennoch: Schizophrenie ist heute gut behandelbar. Bei einem von vier Patienten kommt es zur vollständigen Gesundung. Bei den meisten anderen können die Symptome verringert und das Befinden auf unterschiedlichem Niveau gebessert werden.

Die Ursachen für Schizophrenie sind vielfältig. Die Experten unterscheiden zwischen Risikofaktoren und Auslöser. Heute weiß man, dass bei den meisten Menschen verschiedene Risikofaktoren zusammen die Erkrankung verursachen; das ist vor allem eine genetische Belastung, wenn ein nahes Familienmitglied an Schizophrenie leidet. Hinzu kommen Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, traumatische Lebensereignisse oder ein früher und häufiger Cannabisgebrauch. "50 Prozent unserer jungen Schizophrenie-Patienten haben gekifft", betont Linschmann, "je früher der Beginn und je häufiger der Gebrauch, desto höher ist das Risiko, durch Cannabis an einer Schizophrenie zu erkranken." Auslöser der Erkrankung ist dann meistens normaler Stress - etwa Auszug aus der elterlichen Wohnung, die erste Partnerschaft oder Schwierigkeiten im Beruf.

Bevor die Erkrankung ausbricht, durchlaufen viele Betroffene eine Vorläuferphase, in denen unspezifische Symptome wie sozialer Rückzug oder Leistungseinbruch auf die Erkrankung hinweisen. Da diese Phase oft in der Pubertät liegt, denken Eltern, Freunde und Lehrer zunächst nicht an eine psychische Erkrankung. Hinzu kommt, dass die Gesellschaft über psychische Störungen unzureichend aufgeklärt ist und diese dadurch immer noch stigmatisiert sind. So vergehen im Durchschnitt zwei bis drei Jahre, bevor ersterkrankte Schizophrenie-Patienten eine Therapie beginnen können.

Die Behandlung der Schizophrenie ruht auf mehreren Säulen. Das sind zunächst Medikamente, Antipsychotika gegen die Wahrnehmungsstörungen, Antidepressiva gegen die Niedergeschlagenheit und gelegentlich Benzodiazepine in der akuten Phase, sagt Schöttle. Ein weiteres Fundament ist die Psychotherapie. Die Möglichkeiten reichen von der Psychoedukation über Verhaltens- bis zur Tiefenpsychologie. Weiter helfen auch soziales Kompetenztraining, Kunst-, Familien- und Körpertherapie sowie unterstützende und begleitende Maßnahmen dabei, den Weg zurück oder zu einer Arbeit zu finden. "Der Patient wird im Rahmen der Behandlung Experte seiner eigenen Erkrankung", sagt Schöttle. Ziel der Therapie ist es, dass die Patienten wieder Struktur in ihren Alltag bekommen.

Eine Besonderheit im Rahmen des Eppendorfer Therapiekonzepts ist die Integrierte Versorgung. "Das haben wir seit 2007 aufgebaut", sagt Prof. Dieter Naber, Direktor der Klinik für Psychiatrie am UKE. "Wir haben Teams gebildet, die eine intensive ambulante Behandlung auch im heimischen Umfeld der Patienten anbieten - nicht nur für langfristig Erkrankte, sondern mittlerweile auch für junge ersterkrankte Patienten. Das ist so erfolgreich, dass das Konzept auch überregional ,Hamburger Modell' genannt wird." Für Patienten und ihre Angehörigen bringt die Integrierte Versorgung im Vergleich zur Regelversorgung ein besseres Therapieergebnis, das eine bessere Lebensqualität und Behandlungszufriedenheit der Patienten einschließt. Durch die optimierte ambulante Behandlung werden viele stationäre und mittlerweile auch teilstationäre Therapien unnötig.

* Name von der Redaktion geändert