Die Kudu-Dame Semara fällt nicht nur durch ihr hübsches Äußeres auf. Die Antilope ist zudem auch “tiefenentspannt“, wie ihr Tierpfleger sagt.

Hamburg. Bei Menschen gelten große Ohren ja nicht unbedingt als Schönheitsideal. Zumal, wenn sie stark behaart sind ... Das ist bei Semara jedoch etwas komplett anderes: Die Antilope hat nicht nur ausdrucksstarke Augen mit ewig langen Wimpern, sondern auch die wohl schönsten Ohren jenseits von Afrika. Da sind die Ohren von Cockerspaniels, bei aller Liebe, der reine Kindergeburtstag dagegen!

Semara ist ein Großer Kudu, wissenschaftlich Tragelaphus strepsiceros. Die Antilopenart mit den feinen, weißen Längsstreifen im graubraunen Fell kommt in afrikanischen Savannengebieten vor. Bei Hagenbeck leben sie mit den Rothschild-Giraffen, den Impalas (einer kleineren Antilopenart) und den Nördlichen Hornraben zusammen.

"Die Großen Kudus gelten, wie alle Antilopenarten, eher als schreckhaft. Semara ist da eine echte Ausnahme. Sie ist die Ruhe selbst", sagt Thomas Günther. Man müsse sie fast zur Seite schieben, wenn man an ihr vorbei wolle, sagt der Reviertierpfleger, so "tiefenentspannt" sei sie. Zum Charakter des Tieres kommt da eventuell Training hinzu: Günther übt mit den Großen Kudus das Anfassen. "Unser Ziel ist es, dass es zum Beispiel irgendwann möglich wird, den Tieren die Klauen zu schneiden, ohne sie betäuben zu müssen", sagt Günther.

Noch ist er mit seinen drei Kudu-Damen aber noch nicht so weit. Neben Semara, der "Hamburger Deern" (sie wurde im August 2004 bei Hagenbeck geboren), sind da noch die Weibchen Naya, 5, und Makini, 4. Und ein Neuankömmling: Luan, das neue Böckchen: "Er wird nächsten Monat erst ein Jahr alt, ist am 20. August aus München eingetroffen." Noch können er und die drei Weibchen sich nur sehen, hören und riechen: Luan lebt sich erst einmal in einer Box des Innenstalls ein. Günther: "Zusammenlassen werden wir die vier erst nächste Woche." Nichts soll schiefgehen: Die Kudu-Böcke vor Luan waren 2010 und 2011 beide ohne erkennbaren Anlass in den Zaun des Geheges gerannt und gestorben. Auch deshalb ist Günther jetzt besonders vorsichtig.

Unterscheiden könne man die 1,40 Meter großen Tiere später nicht nur daran, dass die Böcke ein auffälliges Schraubengehörn tragen. "Sie haben auch alle unterschiedliche Streifen, so wie Fingerabdrücke", verrät der Tierpfleger. So habe Semara im Schulterbereich gegabelte Streifen, Naya zeige die wenigsten Streifen, und diese seien außerdem nie gegabelt, und Makini trage auf der Schulter "den doppelten Adidas: sechs enge Streifen nebeneinander", sagt Thomas Günther und lacht.

Den Hornraben sind diese Unterschiede egal. Sie stehen einfach auf alle Kudus - und speziell auf deren Ohren. Die Vögel warten oft auf dem alten Baumstamm, in der Mitte des Geheges, dass eine der Antilopen vorbeikommt. Und knibbeln ihnen dann ganz vorsichtig an den Ohren, was beide Seiten zu genießen scheinen.

Mal eine ganz andere Variante davon, jemandem ein Ohr abzukauen.

Lesen Sie nächsten Mittwoch: Papua-Spitzkopfkugelfisch Manfred

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