Krzysztof Kotiuk veröffentlicht das Tagebuch der Entführung. Der Kapitän der entführten “Hansa Stavanger“ über die Zeit nach der Geiselhaft.

Hamburg. Abendblatt: Am 4. April 2009 wurde die Hansa Stavanger von Piraten gekapert, die 24-köpfige Crew blieb vier Monate in Geiselhaft. Wie kommen Sie zurecht, fast genau ein Jahr nach dem Beginn der Geiselhaft?

Krzysztof Kotiuk: Ich habe Albträume, bin unruhig, gehe schnell in die Luft. Der kleinste Anlass führt zum Streit mit meiner Frau Bozena. Dass ich die Geschichte öffentlich erzählen wollte, hat ihr gar nicht gepasst. Sie wollte einfach alles vergessen. Nur ich fühle mich besser, wenn ich darüber spreche - über die Erinnerungen, die einfach nicht verblassen. Inzwischen nehme ich gegen die Angstattacken Beruhigungsmittel und Antidepressiva. Ab Donnerstag lasse ich mich in einem auf Trauma-Patienten spezialisierten Therapiezentrum am Ammersee behandeln.

Können Sie sich vorstellen, wieder als Kapitän zu arbeiten?

Ich würde wohl nie wieder ein so guter Kapitän wie früher werden. Ich kann nicht ausschließen, dass ich auf See falsche Befehle geben und zum Beispiel in harmlosen Fischerbooten Piratenboote sehen würde.

Eine Folge der traumatischen Erfahrungen, die Sie machen mussten?

Auf jeden Fall. Am schlimmsten waren die Scheinhinrichtungen. Einmal nahmen sie einen Kadetten mit, 19 Jahre alt. Wir hörten Schüsse. Dann zeigte einer der Piraten auf mich: "Du da". Ich sah den Jungen dann auf einer von der Sonne glühendheiß aufgeheizten Luke liegen. Völlig regungslos. Ich dachte: Die haben ihn erschossen. Glücklicherweise war er nicht tot.

Was passierte dann?

Ich musste mich hinknien. Der Piraten-Boss, der "Zahnmann", schirmte seine Augen ab. Der einzige an Bord, der Englisch sprach, war der Übersetzer. Er sagte: "Er will nicht, dass dein Christenblut an seinen Kopf spritzt." Dann schoss einer haarscharf an meinem Kopf vorbei. 24 Stunden täglich wurden wir vier Monate lang terrorisiert. Diese Geräusche! Immer das "Klack-Klack" beim Durchladen der Gewehre. Als die Reederei die Lösegeld-Verhandlungen mit den Piraten aufnahm, entspannte sich die Lage etwas. Wir durften dann duschen. Doch die Reederei verärgerte die Seeräuber, indem sie das Lösegeld nicht zahlte, sondern feilschte und zuwartete. Das bekamen wir dann in Form einer miserablen Behandlung zu spüren.

Wie haben Sie für Ihre 24-köpfige Crew gesorgt?

Auf der Stavanger durfte ich keine Tränen, keine Angst zeigen. Ich war der Verantwortliche, ich musste stark sein! Die Kraft hat mich erst verlassen, als ich wieder zuhause war. Ich habe mit meiner Crew gesprochen über so banale Dinge wie Hausbau - alles nur, um meine Leute von der Situation abzulenken.

Wie haben Sie das Ende der Geiselhaft erlebt?

Die Piraten flüchteten mit dem Lösegeld. Minuten später kam ein Helikopter. Männer der Spezialeinheit seilten sich ab. Es war traumhaft. Essen, Wasser, Medizin - plötzlich gab es alles. Umgehend kümmerten sich Spezialisten um den Blindgänger in der Brückenvorkante des Deckshauses. Stellen Sie sich vor: Wir haben vier Monate mit einem Blindgänger gelebt!

Wie ging es weiter?

Wir wurden in einem Hotel einquartiert. Die Reederei gab jedem 300 Dollar für neue Kleidung, wir hatten ja alles verloren. Später haben Sie uns das Geld vom Lohn abgezogen - lächerlich. Die Reederei hat sich aber auch während der Geiselnahme eiskalt verhalten. Da gab es keine mitfühlenden Worte wie: "Keine Angst, wir holen euch da raus."

Vier Monate darauf hat Ihnen die Reederei gekündigt, "betriebsbedingt", wie es heißt...

Ich war schockiert. Ich wollte nur Schadenersatz für meine Sachen, die während eines Panzerfaustangriffs der Piraten zerstört wurden. Und was sagt der Mensch von der Reederei? Auf ihrer Liste steht ja ein Tischtennisschläger für 36 Euro. 36 Euro! Es war Wahnsinn: Statt eines Danks erhielt ich die Kündigung.