Wer könnte nach der Wahl welchen Posten bekommen? Die CDU bereitet Erneuerung vor, in der SPD hoffen viele auf lukrative Ämter.

Hamburg. In der Politik gilt - erst recht in Wahlkämpfen - der Grundsatz: Über die Vergabe von Posten spricht man nicht, jedenfalls nicht öffentlich. Wahr ist zugleich, dass in internen Parteizirkeln kein Thema leidenschaftlicher diskutiert wird. Wer wird was, wenn die Wähler gesprochen haben?

Ein Blick hinter die Kulissen bei CDU und SPD zeigt, wie unterschiedlich die Stimmungslage in beiden Parteien ist. Während sich viele in der SPD Hoffnung auf lukrative Ämter machen, richten sich die Strategen in der CDU auf eine Art Überlebenskampf im Angesicht der drohenden Niederlage ein. Es sind diese Zahlen, die den Unterschied ausmachen: Die SPD kommt in einer aktuellen Umfrage im Auftrag von Sat.1 auf 43 Prozent, die CDU auf 25 Prozent. Die GAL liegt bei 15, die FDP bei fünf und die Linke bei sechs Prozent.

Sollte die Union nach neun Jahren an der Macht in die Opposition stürzen, dann werden sich noch am Wahlabend zwei Fragen stellen: Wer übernimmt dafür die Verantwortung? Wer wird Fraktionsvorsitzender, also Oppositionschef? Die Christdemokraten werden sehr genau hinhören, was Bürgermeister Christoph Ahlhaus und Partei- und Fraktionschef Frank Schira sagen.

In CDU-Fraktionskreisen kursiert seit einigen Tagen der Begriff "den Steinmeier machen". Der damalige SPD-Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier hatte noch am Abend der krachenden Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl 2009 verkündet, genau das - Fraktionschef - werden zu wollen. So kam es dann auch. Als Ahlhaus am Wochenende in der "Welt am Sonntag" ankündigte, auch in "schwierigen Zeiten Verantwortung zu übernehmen, wenn Partei und Fraktion das wünschen", ging zumindest eine Welle des Erstaunens durch die CDU. War das eine Bewerbung für den Posten des Fraktionschefs? Amtsinhaber Schira soll jedenfalls nicht amüsiert gewesen sein.

Vielen Christdemokraten ist klar, dass die Union vor einem tiefen Einschnitt stehen dürfte und eine umfassende Erneuerung benötigt. Ob ausgerechnet die beiden Spitzenleute, Ahlhaus und Schira, für einen Neustart stehen können, bezweifeln viele. Insider beschreiben die Lage als derzeit völlig offen. Ahlhaus wird zugute gehalten, dass er einen engagierten und unverdrossenen Wahlkampf macht. Aber Ahlhaus steht auch für die klar konservative Ausrichtung der Union nach dem Bruch der schwarz-grünen Koalition. Schira als Partei- und Fraktionschef trägt doppelt Verantwortung.

Doch wer dann? Dies könnte die Stunde von Sozialsenator Dietrich Wersich sein. Seine lautstarke Kritik an der SPD ("Verarsche") ist intern als Aufbruchssignal goutiert worden. Auch gilt Wersich weniger als Verfechter eines Kurses "CDU pur", sondern als Brückenbauer zu anderen Parteien. Allerdings ist noch unklar, ob Wersich überhaupt wieder in die Bürgerschaft kommt: Er steht nur auf Listenplatz zehn. Zudem gilt der Arzt und frühere Geschäftsführer des Altonaer Theaters als unabhängig, könnte auch in die Wirtschaft wechseln. Wersich gilt als "One Man", als Einzelkämpfer. Und es gibt einen "Pferdefuß": Als ehemaliges Regierungsmitglied wäre er immer auch Zielscheibe für Attacken aus Richtung der SPD.

"95 Prozent der Führungskräfte stehen ratlos vor der Situation", sagt ein Mitglied der oberen CDU-Parteietage. Es kommt hinzu, dass niemand aufgrund des geänderten Wahlrechts weiß, wie die nächste Fraktion zusammengesetzt sein wird. So gibt es Stimmen, die dafür plädieren, erst einmal Ruhe zu bewahren und einen geordneten Übergang zu bewerkstelligen. Schira hat schon zu erkennen gegeben, dass er bereit sein könnte, die Parteiführung abzugeben. Ein Szenario sieht vor, über eine Mitgliederbefragung einen neuen Parteichef zu finden. Als Aspiranten gelten die beiden Vizes Marcus Weinberg und Rüdiger Kruse, die beide im Bundestag sitzen. Auch an der Spitze der Fraktion könnte erst einmal alles beim Alten bleiben, bis ein neuer, "unbelasteter" Hoffnungsträger gefunden ist. Aber: Je schlechter es für die Union ausgeht, desto größer dürften die Putschgelüste der Mitglieder sein.

Die SPD hat andere Probleme. Hier lautet die Frage: Wer kommt in den Senat? Olaf Scholz hat bislang nur eine Personalie gelüftet: Falls er Bürgermeister wird, soll Ex-Handelskammer-Präses Frank Horch Wirtschaftssenator werden. Als aussichtsreicher Kandidat für den Posten des Finanzsenators gilt Haushaltsexperte Peter Tschentscher. Er hatte das SPD-Sparkonzept entwickelt. SPD-Fraktionschef Michael Neumann, der mit seiner engagierten Oppositionsarbeit einen wichtigen Beitrag geleistet hat, könnte in den Senat wechseln, wenn er es denn will. Er dürfte dann Innensenator werden. Als möglicher Nachfolger an der Spitze der Fraktion gilt Innenexperte Andreas Dressel, der alternativ auch Innensenator werden könnte.

Scholz, der in Berlin ausgezeichnet vernetzt ist, hat angekündigt, auch Externe in einen von ihm geführten Senat zu holen. Dies könnte für die Ressorts Wissenschaft, Schule oder Kultur gelten. Sollte es zu einem rot-grünen Bündnis kommen, gilt als wahrscheinlich, dass Ex-Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk und Ex-Justizsenator Till Steffen (beide GAL) auf ihre Posten zurückkehren. Für den Fall einer absoluten SPD-Mehrheit werden aber auch schon Alternativen gehandelt: Verwaltungsrichter Jochen Mehmel von den SPD-Juristen für das Justizressort und Michael Sachs, der vom CDU/GAL-Senat berufene Wohnungsbau-Koordinator, als Stadtentwicklungssenator.