Die beiden Sprachabenteurer Hartmut Cyriacks und Peter Nissen übersetzen morgen den Lokalteil des Abendblatts ins Niederdeutsche.

Hamborg. Dies ist die Geschichte zweier Männer, die sich nie gesucht und doch gefunden haben. Zufällig. Die Geschichte des einzigen "ewigen Verlobungspärchens am Theater, das nicht schwul ist und dennoch perfekt miteinander harmoniert". Das hat Walter Ruppel über sein Dramaturgen-Duo Hartmut Cyriacks und Peter Nissen gesagt, Ruppel, von 1986 bis 1994 der legendäre Intendant des Ohnsorg-Theaters, der das für Ohnsorg-Verhältnisse damals unerhörte Wagnis eingegangen war, neben den niederdeutschen Klassikern auch anspruchsvolle Bühnenliteratur auf den Spielplan zu bringen, auf Platt übersetzt - Stücke von Bertolt Brecht über Elke Heidenreich bis hin zu Arthur Miller. Für die Übersetzungen waren Cyriacks und Nissen zuständig, und das sind sie bis heute. Bloß sind sie nicht mehr ans Ohnsorg-Theater gebunden.

Hüüt sün Cyriacks & Nissen en Textwarksteed, de Hartmut Cyriacks un Peter Nissen siet 1994 tohoop bedrievt. De Seet is in Ottenen in Hamborg. 2003 hebbt de beiden den Nedderdüütschen Literaturpries vun de Stadt Kappeln wunnen. Ok bi de plattdüütschen Folgen vun Nües ut Büttenwarder hebbt se de Texten maakt. Tohoop mit Reinhard Goltz hebbt se welk vun de Asterix-Comics op Platt översett.

Alles klar?

"Eigentlich gibt es ja nichts, was wir gemeinsam nicht platt machen würden", kalauert Nissen und zündet sich eine HB an. Er hat in Kiel Friesische Philologie, Philosophie und Anglistik studiert, Cyriacks wollte mal Lehrer werden. "Dass es jetzt schon so lange erfolgreich mit uns zusammen klappt, liegt wahrscheinlich daran, dass wir uns privat im Grunde aus dem Weg gehen." Noch knapp 48 Stunden trennen ihn und seinen Schreibkumpel Hartmut Cyriacks, 55 Jahre, vor der Herausforderung, den kompletten Lokalteil des Hamburger Abendblattes anlässlich der Weihnachtsausgabe op Platt zu schreiben.

"Das Plattdeutsche", sagt Hartmut Cyriacks, "einerseits ist es eine so faszinierende, direkte Sprache, andererseits ein Auslaufmodell." Zurzeit gebe es noch etwa drei Millionen aktive Plattdeutsch-Sprecher, etwa neun Millionen Menschen beherrschten es passiv. "Aber die Zahl der Sprecher nimmt ab", sagt Cyriacks.

Beide verstehen sich als ernsthafte Sprachabenteurer und Bewahrer, freilich ohne missionarische Attitüden. "Was Hamburg betrifft, so ist Platt eher ein mediales Phänomen, ein Rest von Identifikationsmerkmal und Heimatverbundenheit." Weil Plattdeutsch schon seit beinahe 100 Jahren als Arbeitssprache so gut wie ausgestorben sei. "Und in den 1960er-Jahren hat ja dann eine komplette Generation daran geglaubt, dass ihr die Welt offensteht - als es hieß, dass alle Arbeiterkinder studieren könnten." Auch das habe zum wachsenden Niedergang der Sprachpflege geführt: die jungen Menschen brauchten die Sprache nicht mehr, jedenfalls nicht auf der Universität. Immerhin existieren noch immer zahllose Dialekte, angeblich so um die 4000, die sich oft von Dorf zu Dorf unterscheiden.

Cyriacks und Nissen lassen es zwar nicht raus, aber sie dürften wissen, dass so schnell niemand an ihnen vorbeikommt. Denn das Autorenduo ist ausgesprochen umtriebig und produktiv. Die beiden schreiben die plattdeutschen Nachrichten für den Norddeutschen Rundfunk (NDR 90,3), haben neben "Asterix & Obelix" inzwischen auch Harry Potter übersetzt ("Harry Potter un de Wundersteen"), schreiben Hörspiele - neuerdings aber auch auf Hochdeutsch - und verplätten, wenn die werbetreibende Wirtschaft es denn will, auch ganze Kampagnen. Aber es sind keine schnöden Übersetzungen, sondern es sind Adaptionen, die sie liefern. "Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Bildern", sagt Nissen, "denn Platt ist eine sehr auditive Sprache, die schon beim einmaligen Hinhören verstanden werden muss." So hätten sie das Wort "Zahnstocher" in Harry Potters "Wundersteen" auch ganz glatt mit "Tähnstocher" übersetzen können. Schließlich wurde mit dem Begriff "Kusenprökel" (das kommt von "Backenzahn" und "fummeln") ein weitaus hübscherer Begriff geboren. Und aus "Tod eines Handlungsreisenden" wurde schlicht "Utgemustert". "Gefordert ist eine gewisse Fähigkeit zur Imagination. Bei Nachrichten funktioniert das ganz genauso", sagt Hartmut Cyriacks.

Den Beweis hierfür findet der geneigte Leser im Kasten unten. Aber es ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf das große Experiment zur morgigen Ausgabe des Hamburger Abendblatts. "Das Experiment passt doch wunderbar zum Abendblatt", meint Nissen strahlend, "denn was außer Plattdeutsch könnte den Spruch im Zeitungskopf besser repräsentieren - 'mit der Heimat im Herzen die Welt umfassen'?"