Der Junge will übernehmen, der Alte lässt nicht los. Was im Verlag M. DuMont Schauberg passiert, erinnert an Thomas Manns Roman.

Dies ist eine Geschichte, die prinzipiell in jedem Familienunternehmen spielen könnte. Sie dreht sich um die Probleme, die sich beim Übergang der Unternehmensführung von einer auf die andere Generation ergeben können - sei es, weil der Senior nicht loslassen kann oder weil seinen Erben entweder die Eignung oder die Neigung fehlt, um in seine Fußstapfen zu treten.

Manchmal fallen all diese Probleme zusammen. Nicht immer erfährt man von ihnen. Die betroffenen Unternehmen tun in der Regel alles, um sie unter dem Deckel zu halten. Und wenn doch etwas nach außen dringt, ist die Aufregung groß. Auch dann, wenn die Geschichte als vermeintlicher oder tatsächlicher Schlüsselroman erscheint: Als 1901 Thomas Manns "Buddenbrooks" herauskamen, deren Leitmotiv verpatzte Generationswechsel sind, die schließlich zum Untergang eines traditionsreichen Kaufmannshauses führen, herrschte in Lübeck, dem Schauplatz des Romans, helle Aufregung.

Unsere Geschichte spielt aber nicht in Lübeck, sondern in Köln. Es ist auch nicht nötig, irgendetwas literarisch zu verfremden. Dazu ist die Mitteilsamkeit ihrer Protagonisten zu groß: Der Verlagserbe Konstantin Neven DuMont forderte am Montag in einem Interview mit "Bild" Köln seinen angeblich "gesundheitlich angeschlagenen" Vater ultimativ auf, sich "bis Monatsende" aus der Unternehmensführung des Zeitungshauses M. DuMont Schauberg (MDS) zurückzuziehen. Anderenfalls wolle er sich seinen Anteil auszahlen lassen. Der 83-jährige Altverleger Alfred Neven DuMont erklärte am Dienstag in einer Mitteilung an seine Mitarbeiter, die wohl auch als Replik an die Adresse seines Sohns gedacht war, er sei "gesund". Sie müssten ihn "noch eine Zeit lang ertragen".

Nun erscheinen bei MDS nicht irgendwelche belanglosen Lokalblätter. Das Zeitungshaus ist eines der größten in Deutschland. Zu seinem Portfolio gehören der "Kölner Stadt-Anzeiger", die "Kölnische Rundschau", das Boulevardblatt "Express" und die in Halle erscheinende "Mitteldeutsche Zeitung". Seit 2006 ist MDS Hauptgesellschafter der "Frankfurter Rundschau" und Teilhaber des israelischen Blatts "Ha'aretz". 2009 kamen die "Berliner Zeitung", der "Berliner Kurier" und die "Hamburger Morgenpost" hinzu.

Der Umsatz des Zeitungshauses liegt bei 706,8 Millionen Euro. Es hatte zuletzt 4199 Mitarbeiter. Es geht in der Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn also um eine ganze Menge, zumal der Verlag besonders hart von der Medienkrise gebeutelt wurde. 2009 ging der Gewinn von 12,76 Millionen auf nur noch 463 000 Euro zurück.

Wer aber hat Schuld an dem Konflikt? Auf den ersten Blick scheint es so, als könne ein verdienter und allseits anerkannter Altverleger partout nicht loslassen. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man bedenkt, dass im Familienstamm DuMont Schütte, mit dem sich die Neven DuMonts den Verlag teilen, der Generationswechsel bereits vollzogen wurde. Der 85-jährige Dieter Schütte hat die Geschäfte längst an seinen Sohn Christian übergeben.

Alfred aber gilt als äußerst machtbewusst. Noch heute erzählen sich Mitarbeiter, wie er vor Jahren einmal eine Festschrift des Hauses habe einstampfen lassen. Er hatte in ihr zwei Fotos entdeckt, die Schütte zeigten. Das waren wohl zwei Fotos zu viel, obwohl es von ihm selbst in dem Heft gleich mehrere Abbildungen gegeben haben soll. Steht der Autokrat Alfred, der nach Ansicht seines Sohnes "bei der Digitalisierung und den nötigen Veränderungen der Geschäftsmodelle nicht so richtig durch" blickt, der Zukunft des Zeitungshauses im Wege?

So einfach liegen die Dinge nicht. Denn Konstantin Neven DuMont hat selbst so seine Schwächen: Als die "Süddeutsche Zeitung" ihn vor gut zehn Jahren porträtierte, erschien das Stück unter dem Titel "Herr Sonderbar". Der Verlegerspross hatte dem Blatt anvertraut: "Wir haben hier viel externe Kommunikation. Und interne."

Dass manche Sätze von Neven DuMont junior "ein bisschen sonderbar" klingen, fand zwei Jahre später auch der "Tagesspiegel". Er zitierte ihn mit den Worten: "Ich bin leidenschaftlicher Zeitungsleser. Man hat immer viel Gesprächsstoff."

Schon seit Langem wird in Branchenkreisen bezweifelt, dass Konstantin intellektuell den Aufgaben eines Verlagschefs gewachsen wäre. Der 41-Jährige wirkt stets etwas fahrig. Wenn er Vorträge hält, kommt er vom Hundertsten ins Tausendste. Sich auf ein Thema zu konzentrieren fällt ihm offenbar schwer.

Aber allen Zweiflern zum Trotz hat Neven DuMont senior seinen Sohn bisher nach allen Regeln der Kunst zu seinem Nachfolger aufgebaut. Er ließ ihn früh schon im Zeitungshaus hospitieren. Nach einem Studium in den USA trat der Filius 1995 in den väterlichen Verlag ein. 1998 wurde er Geschäftsführer der Kölner Redaktionen des Hauses. Heute verantwortet er das Vorstandsressort Unternehmensstrategie und Kommunikation und ist Herausgeber von "Express", "Kölner Stadt-Anzeiger", "Mitteldeutscher Zeitung" sowie der "Frankfurter Rundschau". Den Vorfall, der am Beginn des Zerwürfnisses zwischen Vater und Sohn stand, konnte aber auch der Altverleger nicht ohne Weiteres übergehen.

Es begann damit, dass Konstantin zum Jahreswechsel 2009/2010 diverse Kommentare im Blog des Medienjournalisten Stefan Niggemeier verfasste, in denen er von gefiltertem Brunnenwasser schwärmte oder den Start eines Videoblogs ankündigte, auf dem er politische und Liebeslieder singen wollte.

Damit war nach dem 10. Januar Schluss. Stattdessen schrieben nun Unbekannte unter Dutzenden von Pseudonymen Kommentare in Niggemeiers Blog, die sich samt und sonders auf die E-Mail-Adresse des Verlagserben zurückführen ließen. Darin wurden mal wirre Verschwörungstheorien gesponnen, mal der Medienjournalist und MDS-Wettbewerber beschimpft. Mitunter diskutierten die Unbekannten auch miteinander.

Niggemeier verdächtigte Konstantin, Urheber all dieser Kommentare zu sein. Doch der wies das weit von sich: Zwei Personen, die Zugang zu seinem PC gehabt hätten, seien die wahren Verfasser. Der Verlag untersagte ihm wenig später, sich zu der Sache zu äußern. Aber das Redeverbot unterlief Neven DuMont junior. Am 25. Oktober gab er "Bild" Köln, dem schärfsten Wettbewerber des von ihm herausgegebenen "Express", das erste von drei Interviews. Darin versprach er seinen Gegnern im Verlag, sie würden noch ihr "Fett wegkriegen". Auch seine am 10. November, angeblich auf eigenen Wunsch, erfolgte Beurlaubung vermochte ihn zunächst nicht zu beeindrucken. "Juhu, heute beginnt mein Urlaub", twitterte er noch am selben Tag. "Das Leben ist schön."

Nun, da ihm der Ernst der Lage bewusst ist, fordert er seinen Vater zum Rücktritt auf. Der Altverleger steht vor einer schwierigen Entscheidung. Mancher im Haus hält Konstantin für nicht mehr tragbar. Doch die Neven DuMonts haben keinen anderen Thronfolger als ihn. Der älteste Sohn des Altverlegers fühlte sich zum Künstler berufen und änderte seinen Vornamen von Markus in Spiridon. Er starb bereits 1995.

Von Konstantins Schwester Isabella ist bekannt, dass sie ein Faible für Pferde hat. Sie leitet das Studio DuMont, eine Mischung aus Ausstellungsraum und Veranstaltungszentrum. Eine Neigung für das Verlagsgeschäft hat sie bisher nicht erkennen lassen.

Denkbar wäre, dass Neven DuMont senior einen Externen zu seinem Nachfolger ernennt, der die Geschäfte so lange führt, bis die nächste Generation herangewachsen ist. Konstantin hat vier Kinder. Theoretisch möglich ist auch, dass der Neven-DuMont-Anteil auf eine Stiftung übergeht oder an die DuMont Schüttes verkauft wird.

All dies wären Notlösungen. Sie hätten zur Folge, dass der Einfluss der DuMont Schüttes wüchse. Im Sinne der Belegschaft wäre das wohl nicht. Trotz seiner Schrullen ist Konstantin bei den Mitarbeitern beliebt. "Seine Tür steht immer offen", sagt einer. Christian DuMont Schütte gilt dagegen - ob zu Recht oder Unrecht - als eiskalt kalkulierender Kaufmann. So mancher im Verlag fragt sich auch, ob er überhaupt ein richtiger DuMont sei. Schließlich habe sein Vater Dieter, ein gelernter Parfümeur, 1950 "nur" in die Familie eingeheiratet. Dass dieser Umstand ein Problem sein könnte, wird auch daran deutlich, dass Sohn Christian, der 1957 als Schütte geboren wurde, 1992 seinen Namen in DuMont Schütte ändern ließ.

Schließlich geht es um das Überleben einer der ältesten Kaufmannsdynastien Kölns. Die Buddenbrooks vom Rhein führen den Ursprung ihres Clans auf einen gewissen Bertram Hilden zurück, der 1620 in Köln eine Druckerei für Festschriften und Gebetbücher betrieb. Dessen Nachfahre Marcus DuMont gründete 1805 nach der Übernahme der "Kölnischen Zeitung" das heute immer noch bestehende Verlagshaus. Konstantin und Christian war es vorbestimmt, das Familienunternehmen in zwölfter Generation zu leiten. Diese Tradition ist der Familie wichtig. Und deshalb ist - obwohl derzeit alles dagegenspricht - nicht auszuschließen, dass Konstantin irgendwann doch noch Nachfolger seines Vaters wird.