Es zeichnen sich nach den langen Verhandlungen Überraschungen im neuen Senat ab. Wird der Kultursenator von Ahlhaus eingespart?

Der Neuling sitzt schon am Tisch und wartet. Es scheint ihn nicht zu stören, dass die anderen Plätze noch leer sind, so vergnügt grinst er und faltet seine Hände. "Wenn man keine Ziele hat, geht man nirgendwo hin", steht da geschrieben, unter diesem schwarz-weißen Foto, das schon länger im Rathaus hängt. Es zeigt den Unternehmer Ian Karan , der nun Wirtschaftssenator werden soll. Und wer außer ihm am Tisch sitzen wird, welche Personen der designierte Bürgermeister Christoph Ahlhaus für sein Kabinett nominieren will, das sickert langsam durch die dicken Wände des Rathauses an die Öffentlichkeit.

Dazu gehören eine späte Beförderung, die Wiedereinstellung eines ehemaligen Mitarbeiters und ein größerer Machtbereich für eine Senatorin, die kürzlich noch als Rücktrittskandidatin gehandelt wurde. Die einzige etwas ungewöhnliche Entscheidung ist Karan, der Millionär aus Ceylon, selbst.

Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU) könnte zur Gewinnerin der anstehenden Senatsumbildung im Zuge des Rücktritts von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) werden. Nach übereinstimmenden Berichten aus der CDU soll Gundelach zusätzlich zu ihrer bisherigen Aufgabe die Kulturbehörde übernehmen - und Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) ablösen, die parallel zum scheidenden Bürgermeister ihren Rücktritt zum 25. August erklärt hatte. Auch in gut informierten Kulturkreisen fällt inzwischen öfter der Name Gundelach, auch wenn sie nicht als Wunschkandidatin der Kulturschaffenden gilt. Ironischerweise findet hier ein Kandidat mehr Zuspruch, der offenbar nie ernsthaft im Gespräch war: Der CDU-Kulturpolitiker Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, der zuletzt - auf Vorschlag der bisherigen Amtsinhaberin - als Kandidat gehandelt wurde. Der 60-Jährige sei ein Konservativer, hochgebildet und sensibel, heißt es von Kulturschaffenden, die in Nordrhein-Westfalen gearbeitet haben. Auf Grosse-Brockhoff, der den Kulturetat in seiner Amtszeit verdoppelt hatte, könne man sich verlassen, er sei ein "Macher", allerdings auch ein "Sprücheklopfer".

Vom Tellerwäscher zum Wirtschaftssenator

Der designierte Bürgermeister der schwarz-grünen Koalition, Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU), würde mit der Kompetenzerweiterung für Gundelach zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen wäre die Verringerung der Zahl der Senatsmitglieder von zehn auf neun ein symbolischer Sparbeitrag der politischen Spitze unmittelbar vor den absehbaren harten Einschnitten des Doppelhaushalts 2011/12. Zum anderen wäre die Aufwertung Gundelachs zur Doppelsenatorin ein gewisser Ausgleich für die Absenkung des Frauenanteils im Senat nach dem Abgang von Welcks.

Auf den ersten Blick ist eine Berufung Gundelachs in die Kulturbehörde überraschend. Sicher: Es war nicht zuletzt der scheidende Bürgermeister Ole von Beust selbst, der eine Entscheidung über die bauliche Zukunft der Uni immer weiter verschob. Doch die Wissenschaftssenatorin ist nach der langen Diskussion über eine Verlagerung der Universität auf den Grasbrook angeschlagen. Doch Ahlhaus darf auch aufgrund der politischen Schwächung Gundelachs auf deren Loyalität setzen. Anders als ein externer Kultursenator weiß sie aus interner Kenntnis sehr genau um die Spar-Nöte Hamburgs und wird nicht versuchen, sich mit überzogenen Forderungen für den Kulturetat zu profilieren. Und der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Andreas Wankum, der ebenfalls für das Amt im Gespräch war, gilt innerhalb seiner Partei als weniger geeignet für das Amt.

Die wesentliche Aufgabe jedes neuen Kultursenators ist jedoch, beim Fortgang des Baus der Elbphilharmonie keinen Schiffbruch zu erleiden. Diese Aufgabe dürfte vor allem dem Staatsrat der Kulturbehörde zukommen: Nikolas Hill (CDU). Der Verwaltungschef, der bisher vor allem nach innen gewirkt hat, dürfte durch die Streichung des Präses-Postens deutlich an Macht gewinnen.

Schließlich: Die unangenehmen Rahmenbedingungen, unter denen die Hamburger Kulturpolitik derzeit nur möglich ist, dürften nicht dazu geführt haben, dass Bewerber um dieses Amt Schlange stehen. Die strukturelle Krise der großen Museumsstiftungen, das offensichtlich gestörte Vertrauensverhältnis zwischen großen Teilen der Kulturszene und der Behördenleitung - all das verlangt nach einer Persönlichkeit mit motivierenden Vorstellungen für die Zukunft der Hamburger Kulturszene. Es kommt hinzu, dass dieser "Arbeitsplatz" ohnehin nur bis zur nächsten Bürgerschaftswahl im Frühjahr 2012, wenn überhaupt, sicher ist. Gänzlich ungewöhnlich ist eine Fachbehörde für Kultur und Wissenschaft jedoch nicht. Wenn auch aus inhaltlichen, weniger aus finanziellen Erwägungen, war der FDP-Politiker Ingo von Münch von 1987 bis 1991 Senator für Kultur und Wissenschaft und zugleich Zweiter Bürgermeister.

Auch wenn die offizielle Präsentation der neuen Senatsmitglieder erst für Freitag geplant war, zeichnen sich weitere Neubesetzungen ab. Favorit für die Nachfolge von Christoph Ahlhaus im Amt des Innensenators ist Verfassungsschutz-Chef Heino Vahldieck (CDU). Der Geheimdienst-Mann kennt die Polizei und war viele Jahre lang innenpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Er gilt als bodenständiger Politiker und dürfte daher auf Akzeptanz bei vielen Beamten treffen. Vahldieck war bereits im Jahr 2008 als Innensenator im Gespräch - doch damals wurde ausgerechnet Ahlhaus das Amt zugesprochen.

So wie Ahlhaus, der in seiner Heimat Heidelberg als Gastmitglied in einer schlagenden Verbindung geführt wurde, gibt es auch bei Vahldieck Berührungspunkte mit einer schlagenden Hamburger Verbindung. Beim Corps Irminsul, das dem "Hamburger Waffenring" angehört, aber nicht als verfassungsfeindlich eingestuft wird, hielt Vahldieck im Rahmen der Reihe "Harvestehuder Gespräche" einen Vortrag vor den Verbindungsmitgliedern. Wie er sagt, rein aus beruflichen Gründen - schließlich leite er seit acht Jahren das Amt für Verfassungsschutz. "Öffentlichkeitsarbeit ist eine unserer Hauptaufgaben, und gerade bei Leuten, die sich an der Grenze zum Extremismus bewegen, ist Aufklärung wichtig", sagt Vahldieck. "Auch, um den Personen, die die Grenzen zum Extremismus vielleicht nicht so genau kennen, eben diese aufzuzeigen." Er habe in den verschiedensten Vereinen und Organisationen mehr als 100 Vorträge gehalten - einen davon im Corps Irminsul. Aber ganz sicher identifiziere er sich nicht mit jedem dieser Vereine, so Vahldieck.

Für Vahldieck spricht auch, dass er wie Ahlhaus dem CDU-Kreisverband Nord entstammt. In der CDU-Machtarithmetik spielt die Herkunft eine große Rolle. Und Ahlhaus, der Vorsitzender der CDU Nord ist, achtet darauf, dass sein Kreisverband nicht zu kurz kommt. Vahldieck war viele Jahre lang Bürgerschaftsabgeordneter, und mit seiner Berufung zum Senator wäre auch die Fraktion ein Stück weit "bedient".

Auf die zentrale Machtposition im Rathaus - nach dem Bürgermeister - soll der Rechtsanwalt Detlef Gottschalck als Staatsrat der Senatskanzlei rücken. Der ruhige und besonnene Jurist kennt die Hamburger Verwaltung sehr gut - er war bereits Staatsrat, zuletzt in der Kulturbehörde. Da Gottschalck von Ole von Beust 2008 in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden war, müsste er jetzt nur "reaktiviert" werden. Mit Blick auf künftige Pensionsansprüche ist auch die Rück-Berufung Gottschalcks ein Sparbeitrag. Gottschalck gehört dem größten Hamburger CDU-Kreisverband, Wandsbek, an. Vorsitzender ist hier Partei- und Fraktionschef Frank Schira. Auch das könnte im inneren Machtgefüge der Hamburger CDU eine Rolle spielen.

Voraussetzung der Senatsumbildung ist, dass Ahlhaus von der schwarz-grünen Mehrheit in der Bürgerschaft am 25. August zum Bürgermeister gewählt wird. Die Mitglieder der GAL jedenfalls, die morgen in einer internen Sitzung darüber beraten, ob sie Christoph Ahlhaus als Regierungschef akzeptieren wollen, können nun über bekannte Personalien debattieren.

Und was den Unternehmer Ian Karan angeht: Selbst wenn die schwarz-grüne Koalition zu einem plötzlichen Ende kommen sollte: Das Lächeln auf dem Foto im Rathaus wirkt, als würde es ihm jedenfalls nicht so schnell vergehen.