Der Internetriese Google will mit Street View Straßenansichten von 20 deutschen Städten ins Netz stellen. Aber darf Google das?

Wer ist der Schotte mit dem lila Pullover und dem Pferdekopf? Wer ist der Italiener, der vor dem Straßencafé der attraktiven Frau so ungeniert in den Ausschnitt glotzt? Der Mexikaner, der an die Hauswand pinkelt? Der Niederländer, der in den Sex-Shop geht?

Google hat die Bilder dieser Menschen im Internet veröffentlicht. In mehr als 20 Ländern gibt es die Karten-Funktion des Internetkonzerns bereits. Street View wird über den Dienst Google Maps benutzt, der bislang Karten und Fotos aus der Vogelperspektive zeigte. Man tippt den Ort ein, den man sich anschauen will, und setzt ein orangefarbenes Männchen auf die Stelle, die man näher betrachten will.

Gegen Ende des Jahres sollen Surfer aus aller Welt auch durch 20 deutsche Städte, darunter Hamburg, spazieren können. Sie werden aus der Fußgängerperspektive nicht nur den Jungfernstieg sehen, die Alster, den Michel. Sondern auch die Häuser der Hamburger. Und die Hamburger Bürger selbst. Google Street View wurde zusammengesetzt aus Fotos, die der Internetriese seit 2008 hat knipsen lassen. Dass dabei zwangsläufig auch Menschen im Bild waren, stört den Internetgiganten nicht.

Verbraucherministerin Ilse Aigner und Innenminister Thomas de Maizière stehen jetzt in der Kritik: Die Opposition wirft ihnen vor, dass sie kein Gesetz erlassen haben, das Regeln für Internet-Straßenbilder beinhaltet. Bislang hat Google lediglich eine Selbstverpflichtung abgegeben, Gesichter und Kennzeichnen zu pixeln und abgebildeten Menschen, Hausbesitzern und Mietern ein Widerspruchsrecht einzuräumen. Aber gesetzlich binden lassen will sich der Internetgigant nicht. "Wir wären besorgt über die weitreichenden Implikationen eines derartigen Gesetzes, das nicht nur für Google, sondern für zahllose Unternehmen die Entwicklung grundlegend innovativer und für Konsumenten nützlicher Kartendienste massiv einschränken würde", erklärte Google-Sprecherin Lena Wagner.

Das sagt Karl Günther Barth, Mitglied der Chefredaktion, zum Thema Google Street View: Contra: "Verhöhnt und abkassiert"

Ohne Gesetz hat der Staat kaum Möglichkeit, Google zu kontrollieren. Ob es ein Widerspruchsrecht für die Veröffentlichung von Bildern bei Internet-Diensten nach der geltenden Rechtslage gibt, ist umstritten. Das Datenschutzgesetz müsste entsprechend geändert werden. Das will Google natürlich nicht.

Das sagt Oliver Schirg, Chef von abendblatt.de, zum Thema Google Street View: Pro: "Eine Scheindebatte"

Es gibt für Internet-Nutzer wohl keinen engeren Begleiter als Google: Die Nachrichten kommen von Google News, die Mails von Google Mail, der Weg zum beruflichen Termin, der im Google Kalender steht, von Google Maps. Die Google-Rechner lesen die Mails mit, registrieren das Leseverhalten. Google gibt es gratis - Geld verdient der Konzern mit der Werbung, die passend zu Eingaben in die Suchmaschine und den Inhalten einer Mail erscheint. Alle Daten, die Nutzer bei Google und seinen Anwendungen eingeben, landen auf dem gigantischen Google-Rechner.

Verbraucherministerin Aigner kündigte ein Gesamtkonzept zur Regulierung des Internets an. "Dabei geht es nicht um eine Einzelfallregelung für Google, sondern eine generelle Regelung zu Geodaten", ließ die Ministerin erklären. Aigner hatte in der vergangenen Woche noch versucht, sich an die Spitze der Google-Kritiker zu setzen, indem sie erklärte, ihr Haus bei Google Street View pixeln zu lassen. Jetzt erntet sie sogar Kritik vom Koalitionspartner FDP: Aigner habe "bei der Bevölkerung Erwartungen geweckt, von denen sie hätte wissen müssen dass sie sie nicht erfüllen können wird", sagte die Vize-Fraktionschefin der Liberalen, Gisela Piltz, der "Berliner Zeitung".

EU-Justiz-Kommissarin Viviane Reding sagte der "Bild"-Zeitung: "Ich erwarte, dass Google sich an die europäischen Spielregeln im Datenschutz hält - überall in Europa." Reding forderte von Google, den Hausbesitzern eine mindestens sechswöchige Widerspruchsfrist einzuräumen.

Google hatte den Bürgern lediglich vier Wochen, also bis zum 15. September, die Möglichkeit gegeben, vor Veröffentlichung der Bilder Widerspruch einzulegen.

Wie Google-Vorstandschef Eric Schmidt über den Schutz der Privatsphäre denkt, verriet er einmal in einem Fernseh-Interview: "Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht gar nicht erst tun."