Der 27. Marathon in Hamburg war der schnellste aller Zeiten, doch nur 10 724 liefen mit

Hamburg. Irgendwann fand Frank Thaleiser, 45, in dem ganzen Trubel und Jubel dann doch die Zeit, sich persönlich bei Shami Dawit zu bedanken. 20 Meter hinter der Ziellinie in der mit rotem Teppichboden ausgelegten Glacischaussee nahm der Chef des Haspa Marathons den kleinen Äthiopier in die Arme, drückte ihn fest an sich und sagte auf Englisch: "Perfect!"

Dawit hatte Thaleisers Hoffnungen und Erwartungen erfüllt. In 2:05:58 Stunden lief der 27-Jährige einen neuen Rekord für die 42,195 Kilometer lange Strecke an Elbe und Alster. Er verbesserte - auf den letzten sieben Kilometern von der Alsterkrugchaussee an im Alleingang - die alte Bestmarke des Spaniers Julio Rey bei dessen vierten Hamburg-Sieg im Jahre 2006 um gleich 54 Sekunden. Vor 14 Jahren wäre diese Zeit ein neuer Weltrekord gewesen. Diesmal war sie immerhin noch 62 000 Euro Preisgeld wert, 12 000 für den Sieg und 50 000 Euro Sondervergütung für die Ankunft unter 2:06 Stunden.

Als der keineswegs erschöpft wirkende Dawit mithilfe eines Übersetzers nach gut einer Viertelstunde alle Interviews lachend absolviert hatte, traf die schnellste Frau am Heiligengeistfeld ein - ebenfalls im Rekordtempo. Rael Kiyara, 28, brauchte 2:23:47 Stunden und unterbot damit die Richtzeit der Russin Irina Timofejewa, die vor vier Jahren in 2:24:14 Stunden siegte. Die Kenianerin kassierte 37 000 Euro an Prämien. Wäre sie am Ende unter 2:23 Stunden geblieben, hätten die Veranstalter noch 25 000 Euro draufgelegt.

Insgesamt konnten beim schnellsten Hamburger Marathon seit der Premiere im Jahr 1986 Gratifikationen in Höhe von 122 500 Euro ausgeschüttet werden, so viele wie noch nie. Maximal 150 000 Euro Bonuszahlungen waren in acht Zeitkategorien ausgesetzt. Und dass nach Polizeiangaben zwischen 9 Uhr morgens und 15 Uhr nachmittags wieder geschätzte 800 000 Menschen die abgesperrten Straßen gesäumt und die Läufer aus 48 Ländern fast ausnahmslos die Stimmung an der Strecke gelobt hatten, rundete das positive Erscheinungsbild der größten Party der Stadt ab. "In Hamburg", sagte ein älterer Däne später, "macht es mir immer noch am meisten Spaß zu laufen. Die Begeisterung ist einmalig."

Dennoch störte nicht nur der zum Teil heftige Wind den 27. Hamburger Marathon, auch die Teilnehmerzahlen sorgten erneut für Turbulenzen. Nur noch 10 724 Marathonläufer traten am Sonntagmorgen am Millerntorplatz an die Startlinie, 2000 weniger, als sich angemeldet hatten, 1500 weniger als im vergangenen Jahr. Das ist die geringste Zahl seit 1998. Damals waren es ebenfalls knapp 11 000. Diesmal füllten jedoch 1149 Staffeln mit jeweils vier Läufern das Feld auf. Sie war erstmals ins Programm genommen worden. Rechnet man die 6500 Kinder und Jugendlichen und etwa 100 Erwachsenen vom Zehntel (4,2195 Kilometer) am Sonnabend hinzu, nahmen zusammen rund 22 000 Läufer an der Veranstaltung teil.

Der Haspa Marathon bleibt damit nach dem Berlin-Marathon im Herbst (40 000 Teilnehmer) das größte Lauffest in Deutschland. "Die beiden Streckenrekorde werden uns bei der künftigen Wahrnehmung des Haspa-Marathons erheblich helfen. Ich glaube deshalb, dass wir bei den Teilnehmerzahlen jetzt die Talsohle durchschritten haben", sagt Marathonchef Thaleiser, "in den nächsten Jahren wollen wir wieder auf mindestens 15 000 Marathonläufer in Hamburg kommen."

Das ist eine ambitionierte Vorgabe, sinkt doch insgesamt die Zahl der Marathoni. Hamburg hat zudem das Handicap, dass im Frühjahr gelaufen wird. Viele haben keine Lust, sich im Winter bei Eis und Schnee auf die 42,195 Kilometer vorzubereiten, im Sommer fällt das Training den meisten leichter. An dem Termin soll trotzdem festgehalten werden. 2013 ist es der 21. April "Wir sind einer der größten Frühjahrsmarathons in Europa und der größte in Deutschland. Mit diesem Pfund wollen wir weiterwuchern", sagt Thaleiser.

Verbessert werden soll die Werbung, vor allem im Ausland und außerhalb der Metropolregion. Nur 20 Prozent der Starter des Haspa Marathons reisen aus dem Ausland an, das größte Kontingent stellten in Hamburg die Dänen mit 1591 Läufern. Anderswo liegt die Zahl ausländischer Teilnehmer zwischen 35 und 50 Prozent. Thaleiser: "Da wollen wir auch hin. Wir haben schon damit begonnen, uns gezielt auf Frühjahrsmarathons im In- und Ausland zu präsentieren." Hinzu kommen Details. In Düsseldorf zum Beispiel starteten am Sonntag rund 40 US-Amerikaner, in Hamburg bei einer dreimal so großen Veranstaltung gerade die Hälfte. Der Grund: Zwischen New York und Düsseldorf gibt es seit Jahren eine direkte Flugverbindung, nach Hamburg existiert sie erst seit Kurzem. Thaleiser denkt nun an eine Kooperation mit der Fluggesellschaft. Darüber hinaus möchte er künftig verstärkt das weltweite Netzwerk der Hamburg Marketing GmbH für seine Marathonkampagnen nutzen. Sportsenator Michael Neumann begrüßt das: "Alles, was auf Hamburg einzahlt, unterstützen wir."

Nachgedacht wird auch über eine Veränderung der Streckenführung, um neue Sinnesreize für die Dauerläufer zu setzen. 2013 muss sie ohnehin geändert werden, weil wegen des Doms und des Evangelischen Kirchentags im Mai der Bereich rund um das Heiligengeistfeld nicht genutzt werden kann. Ein Ausflug in die HafenCity steht zur Diskussion wie eine Zielankunft am Jungfernstieg oder am Rathausmarkt. Das würde die Strecke noch einmal schneller machen, weil der lange, kräftezehrende Schlussanstieg vom Stephansplatz zur Glacischaussee entfiele. Logistisch hätte der übertragende TV-Sender NDR damit wohl ein Problem, weil ein weiterer Übertragungswagen nötig wäre, was Mehrkosten von rund 30 000 Euro bedeuten würde. "Wir werden in den nächsten Wochen alle Optionen abwägen", sagt Thaleiser, "Entscheidungen fallen frühestens im Spätsommer."