Äthiopier und Kenianerin siegen. Deutsche Hoffnungsträger verpassen die Olympia-Norm

Hamburg. Was er mit dem riesigen, noch dazu gefüllten Bierglas anfangen sollte, das Shami Dawit bei der Siegerehrung überreicht bekam, wusste der äthiopische Marathonsieger nicht. Etwas skeptisch dreinblickend posierte er mit dem alkoholfreien Sponsorengetränk für die Fotografen. Probieren wollte er den Gerstensaft nicht.

Statt über das kalte Bier freute sich der 27-Jährige sowieso viel mehr über die Sieg- und Zeitprämien, die er durch seinen spektakulären Lauf eingenommen hatte. 62 000 Euro hatte Dawit in 2:05:58 Stunden verdient. Geld, mit dem er seine Familie in Äthiopien jahrelang wird ernähren können. "Wir achten sehr darauf, dass sich unsere Sportler immer nur ein und nicht gleich drei Autos kaufen", sagte Manager Jos Hermens von der Agentur Global Sports Communication aus Nijmegen in den Niederlanden.

Und auch Dawit betonte, sein gewonnenes Geld nicht unnötig verschwenden zu wollen. "Ich werde es in die Familie investieren und mich weiter aufs Training konzentrieren", sagte der neue Hamburger Champion, der trotz windiger Bedingungen ein hervorragendes Rennen bot. Dawit war stets in der Spitzengruppe zu finden. Nachdem sein Landsmann Dadi Yami, der am Ende Zweiter wurde, einige Zeit lang das Tempo bestimmt hatte, ging Dawit von Kilometer 30 an in die Offensive und setzte sich fortan Meter um Meter von der zerfallenden Spitzengruppe ab.

Die am Sonnabend besprochene Taktik, dass die Eliteläufer bis zu diesem Punkt zusammenbleiben sollten, war erfolgreich. "Anschließend war jeder selbst für sein Glück verantwortlich", sagte Hermens, der seine Läufer von einem mitfahrenden Wagen aus ständig anfeuerte und von der Rennaufsicht des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV) deshalb mit einer Gelben Karte verwarnt werden musste, weil er mehr Anweisungen als erlaubt gab.

Shami Dawit jedoch profitierte vor allem vom Hamburger Publikum, das den Sportlern am Streckenrand frenetisch zujubelte. "Die Menschen haben mir die Energie für den Sieg gegeben", sagte Dawit. Wäre der Wind nicht gewesen, hätte er noch schneller laufen können, meinte der Äthiopier. Rund eine Minute soll die frische Brise den Sieger laut Hermens am Ende gekostet haben. Ein Problem, das die deutschen Athleten wohl nur am Rande beschäftigte.

Sowohl Falk Cierpinski (Spergau) als auch Martin Beckmann (Leinfelden-Echterdingen) schieden vorzeitig aus und verpassten die letzte Chance, sich für die Olympischen Spiele in London zu qualifizieren. Nachdem auch der ehemalige 10 000-Meter-Europameister Jan Fitschen (Wattenscheid) beim Marathon in Düsseldorf nicht ins Ziel kam, wird zum dritten Mal in Folge kein deutscher Marathoni bei den Sommerspielen vertreten sein. Bundestrainer Ronald Weigel sprach nach dem Ausfall von Cierpinski, der erneut über heftige Seitenstiche klagte, von "einer riesengroßen Enttäuschung".

Bei den Frauen ging der Sieg ebenfalls mit neuer Streckenbestzeit (2:23:47) durch Rael Kiyara, 28, nach Kenia. Zweite wurde die Äthiopierin Netsanet Abeyo (2:24:12). Kiyara hatte sich erst gegen Ende des Rennens an die Spitze gesetzt und sorgte dafür, dass der Triumphzug in Hamburg wie vermutet ein ostafrikanischer wurde.