Die schweren und gefährlichen Körperverletzungen wurden zu 40 Prozent von Heranwachsenden verübt. 236.824 Straftaten im Jahr 2009.

Hamburg. Ein Großverfahren gegen drei Harvestehuder Anlagebetrüger war es, das Innensenator Christoph Ahlhaus und der Hamburger Polizeiführung die Kriminalstatistik 2009 leicht verhagelte: Ohne dieses Verfahren mit allein weit über 9000 Einzelfällen hätte Ahlhaus einen Rückgang der Tatzahlen um mehr als drei Prozent verkünden können. So aber trug seine Präsentation die Überschrift: Kriminalitätszahlen auf dem Niveau der Vorjahre. Auch die besonders besorgniserregenden Deliktsfelder haben sich nicht zum Positiven verändert.

Das Problem jugendlicher Gewalttäter ist noch größer geworden: Die Zahl der gefährlichen und schweren Körperverletzungen auf öffentlichen Wegen stieg im Jahr 2009 um 818 auf 6328 Fälle. Fast 40 Prozent der Taten wurden von Jugendlichen und Heranwachsenden begangen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung beträgt 18,6 Prozent. Fast ausnahmslos handelt es sich um Fälle, bei denen das Opfer mit einem Gegenstand angegriffen wurde. 3500 dieser Taten spielten sich auf der Reeperbahn ab - die danach mit weitem Abstand Hamburgs gefährlichste Straße ist. 60 Prozent der hier gefassten Täter waren alkoholisiert, in 90 Prozent der Fälle kannten sie ihr Opfer nicht.

Innensenator Ahlhaus: "Der Anstieg muss Ansporn dafür sein, dass wir uns weiter intensiv um dieses Problem kümmern müssen. Allerdings unternehmen wir schon sehr viel. Der Polizei werden durch verschiedenste Maßnahmen Taten bekannt, die früher unter dem Teppich blieben." Insofern sei der Anstieg der Zahlen nicht mit einem Anstieg der Taten gleichzusetzen.

Die Zahl der vorsätzlichen Tötungsdelikte (Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen) ist um 16 auf 61 Fälle zurückgegangen. Bei Vergewaltigungen und schweren sexuellen Nötigungen sank die Zahl der Taten um 39 auf immer noch 210 Taten. Insgesamt kam es zu 9574 Gewalttaten in Hamburg - ein Plus von 8,2 Prozent.

Nach einem dramatischen Anstieg um 19 Prozent im Vorjahr kletterte die Zahl der Haus- und Wohnungseinbrüche erneut, diesmal um 2,9 Prozent. 2009 wurde 7006-mal eingebrochen, fast 20-mal täglich.

Polizeipräsident Werner Jantosch: "Mehr als die Hälfte der Taten geht auf das Konto reisender ethnischer Minderheiten. Die Aufklärungsquote ist von acht auf 9,7 Prozent gestiegen." Jantosch kündigte eine Kampagne zum Thema Einbruchschutz an.

Insgesamt ereigneten sich 2009 in Hamburg 236 824 Straftaten, im Schnitt 27 pro Stunde. 47,7 Prozent der Taten hat die Polizei aufgeklärt, gegen 71 126 Tatverdächtige wurden Verfahren eingeleitet. Ahlhaus lobt die Polizei: "Die positive Entwicklung ist das Produkt einer jahrelangen konsequenten Arbeit und erfolgreichen Verbrechensbekämpfung. Steigende Zahlen in bestimmten Deliktsbereichen zeigen aber auch, dass wir uns nicht zurücklehnen dürfen." SPD-Innenexperte Andreas Dressel warf Ahlhaus "massive Schönrednerei" vor: "Im vergangenen Jahr sind fast 900 Menschen mehr Opfer schwerer Gewalt geworden als im Vorjahr. Binnen drei Jahren sind die schweren und gefährlichen Körperverletzungen auf öffentlichen Wegen um 37,8 Prozent angestiegen - ein Alarmsignal."

Andre Schulz. Chef der Polizeigewerkschaft BDK, kritisiert, dass die Statistik nur den polizeibekannten Bereich abbilde: "Fälle der organisierten und der Wirtschaftskriminalität, der politisch motivierten oder schweren Gewaltkriminalität sind wesentlich bedrohlicher und schädlicher als die weitestgehend rückläufige Massenkriminalität." Kai Voet van Vormizeele, innenpolitischer Sprecher der CDU, sagt: "Wir haben im Bereich der Gewaltkriminalität, gerade auf der Reeperbahn, schon viel getan. Trotzdem steigen die Zahlen. Ich betrachte es als innenpolitische Kernaufgabe für das kommende Jahr, die Ursachen dieses Phänomens erneut gründlich zu analysieren und wirksame Gegenmaßnahmen einzuleiten."