Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) musste sich bei der “1. Konferenz zur sozialen Spaltung“ Zahlendreherei vorwerfen lassen.

Hamburg. Noch während die "1. Konferenz zur sozialen Spaltung" gestern in Wilhelmsburg lief, hat Ver.di-Chef Wolfgang Rose (SPD) Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) scharf attackiert: "Ein Sozialsenator, der keine soziale Spaltung in Hamburg sieht, braucht dringend eine arbeitsplatzbezogene Fortbildung." Nach Ansicht von Rose rede der Senator, "als ob er seinen Behördenschreibtisch nur zur Essensaufnahme verlässt". Jeder Besuch in den armen und reichen Stadtteilen müsste ihm die Augen öffnen, "wie groß die soziale Not und der perverse Reichtum geworden sind", sagte der Gewerkschafter.

Der Senator hatte darauf verwiesen, dass laut Statistischem Landesamt die "Armutsgefährdungsquote" in Hamburg insgesamt rückläufig ist, von 15,7 Prozent (2005) auf 13,1 Prozent (2008). Damit stehe die Hansestadt besser da als der Bundesschnitt. Wersich wertete dies auch als ersten Erfolg "aktivierender Sozialmaßnahmen". Dazu zählten Kita-Betreuung, Bildungsförderung und Projekte für soziale Stadtteilentwicklung. Der Senator sagte zudem, dass eine Zunahme von Millionären in der Stadt nicht Grund dafür sei, wenn es mehr ärmere Menschen gebe: Reichtum wachse, sei also keine starre Größe. Ver.di-Chef Rose sprach von "Zahlendreherei": Nur höhere Reallöhne würden mehr Kaufkraft bringen.

Indes verfolgten 250 Teilnehmer die Konferenz zur sozialen Spaltung im Bürgerhaus Wilhelmsburg, in der sich Lawaetz-Stiftung, Evangelische Akademie, Diakonie, Gewerkschaften und unabhängige Experten engagieren. Ziel: Eine langfristige Debatte zum Thema. Jürgen Oßenbrügge, Professor für Wirtschaftsgeographie (Uni Hamburg), erläuterte eine Studie zur Verdrängung von Senioren und Menschen mit Migrationshintergrund aus zentralen Wohnlagen hin zu Rangebieten. Grund für "urbane Marginalisierung" seien steigende Mieten in sogenannten kreativen Quartieren. "Ein hausgemachtes Problem der 'Wachsenden Stadt'", sagte Oßenbrügge. Fazit: "Die soziale Spaltung verhärtet sich räumlich." Wichtig sei, anstelle auf "Leuchtturmprojekte" - wie die HafenCity - auf sonst vernachlässigte Quartiere zu blicken.

Ingrid Breckner, Professorin für Stadtsoziologie (HafenCity-Uni) sagte, zwar meckere Hamburg auf hohem Niveau, wenige europäische Städte hätten so viele soziale Projekte zu bieten. Allerdings kritisierte sie eine mangelnde Kooperation der Behörden. "Jeder pflegt seinen Bereich wie ein Beet mit Gartenzaun darum und ist froh, öffentliche Mittel gewonnen zu haben." Allerdings müssten etwa die Themen Stadtplanung und Bildung als gemeinsamer Komplex gesehen werden. "Das liegt aber auch an den unsicheren Beschäftigungen in Sozialprojekten: Jeder muss darauf achten, wo man Geld herbekommt, um weiterarbeiten zu können."