Kriselnder Mutterkonzern will 125 Praktiker-Baumärkte auf das Konzept der Hamburger Tochter Max Bahr umstellen und sich so retten.

Hamburg. Es ist die größte Expansionsoffensive in der Geschichte von Max Bahr: Im Rahmen der Sanierung der angeschlagenen Muttergesellschaft Praktiker will der Konzernvorstand die erfolgreiche Hamburger Baumarktkette massiv ausbauen und rund 125 Praktiker-Märkte auf das Konzept des Tochterunternehmens umstellen. Bis Ende 2013 soll die Zahl der Max-Bahr-Baumärkte damit von derzeit 78 auf mehr als 200 steigen. Einen "niedrigen dreistelligen Millionenbetrag" will sich der Konzern diesen umfangreichen Umbau kosten lassen.

"Max Bahr ist die Stütze des gesamten Konzerns, hat in den letzten Jahren durchgängig solide Gewinne erzielt und bis zuletzt Marktanteile gewonnen", sagte der Vorstandschef von Praktiker, Kay Hafner, der sein Amt erst vor wenigen Wochen von dem gescheiterten Sanierer Thomas Fox übernommen hatte. "Deshalb liegt es nahe, innerhalb unseres Deutschland-Geschäfts diese ertragsstarke Marke weiter auszubauen und zu stärken."

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Durch eine verfehlte Rabattstrategie ("20 Prozent auf alles") steckt der Praktiker-Konzern schon seit Langem in einer schweren Krise und hat im vergangenen Jahr einen Verlust von einer halben Milliarde Euro eingefahren. Lediglich der Tochter Max Bahr gelang es, sich mit Serviceversprechen und umfangreichen Beratungsleistungen im höherwertigen Segment der hart umkämpften Baumarktbranche zu positionieren. Dieses Profil will der Vorstand nun weiter ausbauen. So sollen noch stärker als bisher ambitionierte Heimwerker und auch Profis als Kunden gewonnen und die Sortimente entsprechend ausgebaut werden.

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Bislang ist das Hamburger Traditionsunternehmen vor allem in Norddeutschland aktiv. Durch die Umstellung der Praktiker-Märkte soll die Kette nun ihre Präsenz in Südwest- und Süddeutschland ausweiten. "Dies ist ein Kraftakt, der Max Bahr von einem regionalen Anbieter zu einer der führenden Baumarktketten in Deutschland machen wird", sagte Hafner.

Das Netz der einstigen Hauptmarke Praktiker wird hingegen auf nur noch rund 100 Märkte in Deutschland zusammenschrumpfen. Sie sollen sich als Baumarktdiscounter mit niedrigen Preisen, überschaubaren Sortimenten und einem auf das Notwendigste reduzierten Service positionieren. Entgegen der ursprünglichen Planung wird es aber nicht zur unmittelbaren Schließung von 30 unrentablen Standorten kommen. Stattdessen sollen diese erst dann aufgegeben werden, wenn die Mietverträge auslaufen. "Dadurch werden auch weniger Arbeitsplätze in den Märkten abgebaut als zunächst vorgesehen", sagte ein Konzernsprecher dem Abendblatt. Ursprünglich sollten hier schon in diesem Jahr rund 1200 Stellen gestrichen werden.

Gute Nachrichten gibt es auch für die noch verbliebenen Praktiker-Mitarbeiter in der bisherigen Konzernzentrale im saarländischen Kirkel. Zwar hält der Vorstand an der Verlagerung der Zentrale nach Hamburg fest. Sie soll zusammen mit der Max-Bahr-Verwaltung in ein neu angemietetes Gebäude in Hammerbrook ziehen. Doch auch im Saarland sollen nun rund 180 Arbeitsplätze erhalten bleiben. Dabei handelt es sich um die internen Dienstleistungsbereiche IT, Rechnungswesen und Personalabrechnung, die nun nicht mehr, wie zunächst vorgesehen, outgesourct werden, sondern im Konzern verbleiben.

Für die gesamte Restrukturierung inklusive des Umzugs veranschlagt der Vorstand nun rund 235 Millionen Euro und damit etwa 65 Millionen Euro weniger als noch von Ex-Chef Thomas Fox vorgesehen. Dieser hatte sich mit seinen Plänen für eine Aufwertung der Marke Praktiker nicht durchsetzen können und war Mitte Mai im Streit aus dem Konzern ausgeschieden.

Das Geld für den Umbau stammt zum größten Teil von dem Finanzinvestor Anchorage Capital Europe, der rund 85 Millionen Euro in Praktiker investiert. Weitere 60 Millionen Euro sollen aus einer Kapitalerhöhung kommen, für die der Vorstand zig Millionen neue Aktien ausgeben möchte. 75 Millionen Euro sollen die Banken im Rahmen bestehender Kreditlinien beisteuern. Der Rest könnte durch die Veräußerung von Praktiker-Märkten im Ausland aufgebracht werden.

Ob das neue Konzept allerdings auch die Zustimmung der Praktiker-Hauptversammlung am 4. Juli findet, ist derzeit noch offen. Zwar teilte Praktiker gestern mit, dass die Pläne von den wesentlichen Kapitalgebern mitgetragen würden. Doch die Fondsmanagerin Isabella de Krassny, die für die Hauptaktionäre Maseltov und Semper Constantia spricht, hatte zuletzt den Plan kritisiert, für den Kredit des US-Investors Anchorage die Tochter Max Bahr zu verpfänden. Im Fall des Scheiterns des Sanierungsplans wären die Amerikaner auf diese Weise mehr als abgesichert, während die bisherigen Aktionäre und Mitarbeiter die Hauptlast einer möglichen Insolvenz zu tragen hätten.