Wer schulmüde ist, sollte sich gut beraten lassen. Marie hat das mit Erfolg getan

Es begann in der elften Klasse. Wenn Marie Görres Wecker morgens klingelte, spielte sie mit dem Gedanken, nicht mehr zur Schule zu gehen. "Beiß die Zähne zusammen und zieh das durch, es sind nur noch zwei Jahre bis zum Abitur", dachte die heute 18-Jährige. Als der Durchhänger weiter andauerte, besann sie sich: "Ich wollte endlich einen Schritt in die richtige Richtung machen, meinem Ziel näher kommen." Ihr Ziel ist es, Eventmanagerin zu werden. Darum brach Marie nach der zwölften Klasse die Schule ab.

Solch eine Form von Schulmüdigkeit ist kein Einzelfall, sagt Gerd Knop, 67, aus der Personalabteilung des Versandhandels Otto. Im Hamburger Hauptschulmodell vermittelt er Hauptschüler an Unternehmen. Das Emil-Krause-Gymnasium im Hamburger Stadtteil Dulsberg fragte an, ob er nicht auch schulmüde Oberstufenschüler beraten könne - er konnte. Sechs Zwölftklässler fanden den Weg zu ihm.

"Das waren Schüler, die seit dem Realschulabschluss eigentlich nicht mehr konnten", sagt Knop, "tolle Menschen zwischen 18 und 20 Jahren, die gewandt auftraten, kommunikativ waren und wussten, was sie wollen." Allerdings sei das nicht immer das Richtige gewesen. Einer seiner Schützlinge beherrscht Hindi in Wort und Schrift, perfektes Deutsch und sehr gutes Englisch. "Und der wollte seine Talente im Büro verschwenden", sagt Knop. Als Hotelkaufmann könne er diese Kompetenzen hervorragend einsetzen. Inzwischen macht er ein Schnupperpraktikum in der Branche.

Auch Marie macht jetzt ein Praktikum, nachdem sie sich bei Knop Rat geholt hat. Ein halbes Jahr lang wird sie Praktikantin bei Hagenbeck Events sein, der Veranstaltungsabteilung des Tierparks, die zum Beispiel Feiern im Tropen-Aquarium organisiert. Mit etwas Glück kann sie danach eine Ausbildung zur Eventkauffrau anfangen. Mit ihrem Zeugnis aus der zwölften Klasse und der abgeschlossenen Berufsausbildung hätte Marie dann das Fachabitur und könnte Eventmanagement auf einer Fachhochschule studieren.

Auch Schulabbrecher Waldemar Grams hat sich von Gerd Knop beraten lassen. Ab Oktober wird er zunächst seinen Wehrdienst absolvieren, dann möchte der 19-Jährige ein Praktikum oder eine Ausbildung zum Sportfachmann machen. "In der Schule habe ich mich nur für Sport und Biologie interessiert", sagt er. Darum hat Personal-Experte Knop ihm nach der Ausbildung ein Studium zum Biotechniker vorgeschlagen, Grams könnte dann Sportler-Prothesen entwickeln. Nach der Ausbildung oder einem einjährigen Praktikum hätte er auch das Fachabitur, die allgemeine Hochschulreife will er vielleicht auf der Abendschule nachholen.

"Viele Schulabbrecher haben genau die Qualitäten, die beispielsweise in der Hotellerie oder Tourismusbranche gesucht werden, wie Mehrsprachigkeit", sagt Knop. Schlechte Noten und lange Fehlzeiten ließen die Bewerbungsmappen der Schulmüden jedoch gleich auf den Absagen-Stapel wandern. Hinzu käme noch der Schulabbruch. "Daraus schließen Personaler geringe Zielorientierung und Lustlosigkeit", sagt Knop, "dabei zeigen die Schulmüden eine hohe Leistungsbereitschaft, die können sie jedoch nur über den persönlichen Eindruck vermitteln."

Schulmüden rät er: "Jugendliche müssen diese Entscheidung genau hinterfragen, sich von verschiedenen Vertrauenspersonen beraten lassen." Das könnten Lehrer, Eltern oder Freunde sein. Zu erkennen ist das, wenn sich die Schulmüdigkeit über längere Dauer, mindestens zwei Zeugnisse, zeige.

Waldemar Grams hat den Schulabbruch nicht bereut. Trotzdem warnt er: "Man sollte um jeden Preis versuchen, sein Abitur zu bestehen und nicht einfach leichtfertig abgehen." Und Marie? Hat sie je bereut, dass sie die Schule abgebrochen hat? "Nein", sagt sie wie aus der Pistole geschossen.