Dachdecker müssen schwindelfrei sein, zeichnen können und überdies wissen, was in der Energiesparverordnung steht. Muskeln und frische Luft sind Zugabe.

Höhenangst? Für Christoph Gehrke war das nie ein Thema. "Natürlich habe ich Respekt vor der Höhe, alles andere wäre schlicht dumm. Aber Höhe macht mir nichts aus." Mit dieser Einstellung erfüllt der 25-Jährige eine der Grundvoraussetzungen für den Dachdeckerberuf: schwindelfrei zu sein.

"Ein dreigeschossiges Standardhaus etwa hat eine Dachrinnen-Höhe von acht bis zehn Metern. Mit dem Steildach kommen noch ein paar Meter hinzu", sagt Dachdeckermeister Stefan Lorenz, der bei der Firma Walter Reyher GmbH für die Ausbildung verantwortlich ist. Erfahrene Dachdecker meistern die Höhe ohne Probleme, "Azubis hingegen müssen den sicheren Tritt auf dem Gerüst erst lernen, wenn es vielleicht ein bisschen wackelt oder sich durchbiegt", sagt er.

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Christoph hat schnell Tritt gefasst und den Umgang mit dem Werkzeug gelernt - auf die schmerzhafte Art. "Vor der Ausbildung habe ich ein Praktikum gemacht und mir an meinem ersten Tag dreimal auf den Finger gehauen. Da war ich erst mal bedient", erzählt er. Seine dreijährige Berufsausbildung hat er anschließend unfallfrei durchlaufen und ist nun frischgebackener Geselle. "Aber es ist schon richtig, die Zimmerei-Berufsgenossenschaft stuft unseren Beruf als eines der gefährlichsten Gewerke ein", bestätigt Lorenz. "Wenn es um das Verschweißen von Kunststoffbahnen auf einem Dach geht, arbeiten wir auf einer Arbeitsfläche mit einer Neigung von vielleicht 70 Grad. Da muss man Balance halten, die exakte Temperatur mit dem Heißluft-Föhn hinbekommen und den richtigen Moment abpassen, um die Bahnen mit einer Metallrolle anzudrücken - ohne dabei den Kollegen vom Dach kugeln zu lassen."

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Christophs Arbeitstag beginnt um 6.30 Uhr - im Sommer. Dachdecker sind Saisonarbeiter, denn bei Dunkelheit und vor allem bei Schnee und Eis ist für die 'Höhenarbeiter' schnell Schluss. Immer öfter ist eine optimale Dämmung der Grund für ein neues Dach. "Die Energiesparverordnung ist unsere Bibel", sagt Lorenz lachend. Je nach Auftrag kommen nun Dämmmaterialien aus Glaswolle, Mineralfasern, Hanf oder Holzfasern zum Einsatz. Neu gedeckt wird ebenfalls mit unterschiedlichsten Materialien - von Schiefer, Ton, Beton, Bitumen bis zur ökologischen Dachbegrünung. Aber auch ohne den anhaltenden Öko-Trend haben die Dachdecker gut zu tun. "Wir können unseren Auszubildenden einen sicheren Arbeitsplatz bieten", betont Lorenz.

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Mitbringen sollten Bewerber vor allem Lust am Handwerk, der Schulabschluss sei eher zweitrangig. "Es ist mir nicht so wichtig, dass jemand Dachziegel richtig buchstabieren kann, aber rechnen muss er können", bringt es Lorenz auf den Punkt. "(Bau)Physik und Mathe, aber auch Zeichnen, vor allem Grundrisse und Dachdraufsichten sind für uns relevant", fährt er fort. Zimperlich dürfe man in diesem Beruf allerdings auch nicht sein. "Dachdecker machen sich dreckig, und es kann reichlich heiß werden da oben, wenn die Sonne brennt. Wir reden hier von körperlicher Arbeit. Wer mit einer eher schmalen Statur zu uns kommt, hat nach kurzer Zeit ordentlich Muskeln zu bieten", verspricht Lorenz.

"Je nach Auftrag denken wir uns immer wieder neu in verschiedene Bereiche hinein. Auch Fassaden, Regenrinnen oder Schornsteine gehören in unseren Bereich", ergänzt Christoph. Zudem kennen erfahrene Dachdecker bald jede Ecke der Stadt, Christoph mag besonders Baustellen in Hafennähe. "Wenn wir schön hoch oben arbeiten, haben wir einen fantastischen Blick."