Schon jede siebte Ausbildungsstelle bei Hamburgs Tischlern geht an weibliche Bewerber. Und auch andere Gewerke werden femininer.

Hamburg. Sie haben sich entschieden. Alle drei für denselben Beruf. Sie wollen Tischlerinnen werden und sind junge Frauen. Laura Walter, 22, war während ihres Praktikums überrascht von den hohen Ansprüchen, die gestellt wurden, und entschloss sich, vor dem geplanten Studium die Ausbildung komplett zu durchlaufen. Auch bei Carina Moser, 22, weckten zwei Monate Praktikum erst die Lust. Und ElkePeters, 25, wechselte nach ihrem Studium der Agrarwissenschaften als Bachelor an Hobelbank und Säge. Fasziniert von der Arbeit mit Holz sind sie alle drei. "Zu lernen und die Arbeit dann zu beherrschen, finde ich toll", sagt Laura Walter, die im dritten Jahr vor dem Abschluss ihrer Lehre steht.

Lehrherr aller drei jungen Frauen ist Christoph Dehner, 40, der seit 2002 seine Tischlerei in Poppenbüttel führt. Neben den Frauen hat er nur noch einen männlichen Lehrling und bestätigt damit einen Trend im Handwerk: Immer mehr Frauen in Hamburg entscheiden sich für eine Ausbildung zur Tischlerin. So stieg in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der abgeschlossenen Lehrverträge mit Frauen in diesem Gewerk von 11,7 im Jahr 2001 auf nunmehr 15 Prozent. Bundesweit lag der Zuwachs seit 2005 bei 1,2 Punkten auf 9,3 Prozent. Der Deutsche Handwerkskammertag weiß: Der Beruf hat unter jungen Frauen an Beliebtheit gewonnen. Das erlebt Tischlermeister Dehner auch bei den Bewerbern für seinen Betrieb. "Fast die Hälfte der 30 bis 35 Anfragen pro Jahr kommt von Frauen."

Das steigende weibliche Interesse am Tischlerberuf steht stellvertretend für eine Entwicklung im gesamten deutschen Handwerk. "Ein Viertel der jährlich 2500 Ausbildungsplätze in den 100 Handwerksberufen in der Hansestadt ist mit Frauen besetzt", weiß Anemone Schlich, Sprecherin der Hamburger Handwerkskammer. Die Zahl der Meisterprüfungen von Frauen bei der Kammer pendelt sich mit knapp 100 im Jahr bei 20 Prozent ein. Vor allem die Berufe Friseurin, Augenoptikerin, Bäckerei-Fachverkäuferin, Zahntechnikerin, Maßschneiderin und Bürokauffrau stehen bei jungen Frauen hoch im Kurs. Sie haben allein 420 der 617 Bewerber gewählt, die im September mit einer Lehre begonnen haben.

In der Tischler-Innung Hamburg mit ihren rund 150 Firmen führt zwar bisher nur eine Meisterin einen eigenen Betrieb. "Wir sehen aber ein hohesInteresse von Frauen an dem Beruf", sagt auch Innungsgeschäftsführer Falk Schütt. Gerade bei Formen und Farben sowie der Gestaltung von Möbeln hätten Frauen oft ein gutes Gespür. Diese Erfahrung machte auch Dehner, der sich auf hochwertige Möbel und den Innenausbau spezialisiert hat, mit seiner ersten weiblichen Auszubildenden. So erhielt Chiara Haake für ihre als Gesellenstück angefertigte, mit Kirschbaumholz furnierte Truhe eine Eins von der Prüfungskommission.

+++ 440 Lehrstellen im Handwerk sind noch frei +++

Dehner sieht die Frauen weiter im Kommen. "Immer mehr Firmeninhaber sind bereit, Frauen einzustellen, zudem öffnet sich das Handwerk für Abiturienten", sagt er. Bei ihnen sind die Frauen in der Überzahl. Seine Kunden, vor allem Frauen, reagieren zudem überwiegend positiv auf die weiblichen Lehrlinge. Auch das Betriebsklima profitiere von ihrer Anwesenheit, sagt Dehner: "Die Männer in unserem 14-köpfigen Team schlagen in der Gesellschaft von Frauen einen anderen Ton an." Zwar legt auch er Wert darauf, dass die drei Frauen mit anpacken, wenn etwas Schweres abzuladen ist oder Möbelstücke zu einem Kunden gebracht werden müssen. Oftmals lasse sich Muskelkraft aber auch durch moderne Maschinen ersetzen.

Ohnehin kann das Interesse von jungen Frauen der Innung im Wettbewerb um Fachkräfte helfen. "Es muss uns aber gelingen, sie nach der Lehre im Beruf zu halten", sagt Innungsgeschäftsführer Schütt. Doch das ist offenbar nicht einfach. So wollen auch Laura Walter und Carina Moser nach ihrer Ausbildung studieren. "Schließlich will ich künftig planen und Kunden beraten", sagt Laura Walter, die Produktdesign interessiert. Carina Moser möchte als Studienfach Restauration wählen. "Beim Holz bleibe ich aber auf jeden Fall." Auch für Elke Peters kommt ein Master in Holzwirtschaft infrage. Sie kann sich aber durchaus vorstellen, als Meisterin im Handwerk zu bleiben.

+++ Ein Familienunternehmen mit 95-jähriger Geschichte +++

Diese Entscheidung hat Scholastica Dey, 60, bereits vor Jahren getroffen. Sie bietet hochwertige Möbel und Einbauten für Wohnzimmer, Küchen, aber auch für Krippen und Kitas an. Mit drei weiteren Kolleginnen hat sie sich inAltona-Nord zur Werkstatt im Hofzusammengeschlossen. Zwei der Kolleginnen, die sich bei Aufträgen auch gegenseitig helfen, sind Meisterinnen. Die Abschlüsse von Dey und der vierten Frau hat die Handwerkskammer als gleichwertig anerkannt. "Ich habe mich mit 28 Jahren nach einem Pädagogik-Studium noch einmal neu entschieden", sagt Dey. Als sie einst eine Werkstatt von innen besichtigen konnte, gab es kein Halten mehr. Nach zwölf Jahren als Handwerkerin im Ausland bestand sie im Jahr 2000 ihre Gesellenprüfung in Hamburg und machte sich 2002 selbstständig. "Das habe ich nie bereut."

Bei den vier Frauen, die seit 2004 zusammenarbeiten, kommt derzeit über die Hälfte der Anfragen für Praktika von Mädchen. Im Mai schnuppert eine weitere junge Frau die Werkstattluft. "Vor der Ausbildung eines Lehrlings sind wir wegen der schwankenden Auslastung bisher zurückgeschreckt", sagt Dey. Über eine Lehrstelle lasse sich aber nachdenken, wenn sie für die vier Firmen gemeinsam eingerichtet werden könne. "In jedem Fall", sagt sie, "sind Frauen willkommen."

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