Berlin . Anne Pahls Kommunikationstalent ist bei „youvo“ gefragt. Sie bringt Organisationen und Ehrenamtliche zusammen. Eine Win-Win-Situation.

Normalerweise sitzt Anne Pahl (28) um die Mittagszeit in ihrem Büro in Wedding, schreibt E-Mails, telefoniert, organisiert. Aber in dieser Woche hat sie Urlaub – und hängt trotzdem am Telefon. Dieses Mal aber, um über ihre Arbeit zu sprechen.

Seit 2013, berichtet die 28-Jährige, arbeitet sie bei „youvo“ – einem Verein aus Berlin, über dessen Online-Plattform sich junge Freiwillige aus der Kreativ- und Digitalszene mit sozialen Organisationen vernetzen, um ihnen ehrenamtlich bei der Entwicklung von Marketingstrategien zu helfen.

Freiwillige kommen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum

„Die Organisationen haben so die Möglichkeit, Projekte online auszuschreiben – die kreative Community findet, passend zu ihren Fähigkeiten, dann ein Projekt“, sagt Anne. Beinahe 4300 Experten auf den Feldern Design, Digitalisierung, Film und Fotografie, aber auch Konzeption, Text und PR sind bei „youvo“ registriert. Freiwilligenarbeit – aber digital.

Ein typisches Berlin-Ding? Keineswegs. Die Menschen, die sich bei „youvo“ melden, kommen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Gerade soziale Einrichtungen aus ländlichen Gebieten schätzen die Hilfe der jungen Kreativen.

Freiwillige freuen sich über Praxiserfahrung fürs Portfolio

Die Freiwilligen auf der anderen Seite freuen sich, ein soziales Projekt unterstützt zu haben, und können gleichzeitig Praxiserfahrung sammeln. „Also auch etwas fürs Portfolio“, erklärt Anne.

Auf diese Weise sind über „youvo“ mehr als 400 Kooperationen zwischen jungen Freiwilligen und sozialen Einrichtungen entstanden. Oft geht es dabei etwa um die Konzeption eines Flyers, die Aufbereitung einer Homepage oder auch den Dreh eines Image-Films: „Ich kann ganz viele Geschichten erzählen.

Der Diabetikerverband, der mit einer Berliner Studierenden zusammengearbeitet hat, war zum Beispiel total begeistert, was die jungen Leute alles können und wie bereit sie sind, sich einzubringen, obwohl sie sich nie persönlich getroffen haben,“ berichtet Anne.

Die Idee entspreche dem Zeitgeist. „youvo“ gebe Menschen die Möglichkeit, sich für Projekte zu engagieren, ohne sich für einen längeren Zeitraum an eine Einrichtung zu binden. Gerade in Zeiten von beruflicher Mobilität – wenn zum Beispiel ein Erasmus-Jahr geplant ist – kann so kurzfristiges Engagement möglich gemacht werden.

Fähigkeiten sinnvoll einbringen ohne sich zu binden

„Oft fällt es unserer Generation schwerer, sich zu binden, auch, wenn es um Engagement geht. Uns passt es viel besser in den Kram, projektbasiert zu arbeiten.“

Auch Anne und die anderen „youvo“-Gründer wollten sich damals in ihrem Kiez für soziale Projekte engagieren, doch die Freiwilligen-Agentur konnte ihnen keine Arbeit vermitteln, bei der sie ihre Fähigkeiten sinnvoll einbringen konnten.

„Ich könnte natürlich auch Suppe ausschenken oder Klamotten sortieren, das ist auch wichtiges Engagement, aber vielleicht hilft es mehr, wenn man sich mit dem einbringt, was man am besten kann. Wie zum Beispiel einen Film drehen“, sagt Anne, die an der Uni Gießen Kunstgeschichte und Pädagogik studiert hat.

Die Resonanz auf das Angebot der Online-Plattform war enorm. So enorm, dass sich das ursprüngliche Freizeit-Projekt in einen richtigen Job für Anne und ihre vier Kollegen entwickelt hat.

Vermittlung, Kommunikation, Mediation

Die Gründer haben schnell gemerkt, dass die Plattform mehr Aufmerksamkeit benötigt, um zwischen Kreativszene und sozialem Engagement zu vermitteln: „Der Erfolgsfaktor hängt sehr stark von der Zusammenarbeit zwischen diesen unterschiedlichen Lebenswelten ab. Also dem kleinen sozialen Verein auf der einen und den jungen Kreativen auf der anderen Seite.

Man kann das fast schon eine Übersetzungsleistung nennen“, sagt Anne und lacht. Vermittlung, Kommunikation, Mediation, das sind die Kernkompetenzen, mit denen sich Anne bei „youvo“ einbringt.

Ihre Aufgabe ist es, die Organisationen und die Kreativen während der Projektarbeit zu betreuen. „Deswegen telefoniere ich viel und schreibe sehr, sehr viele E-Mails. Parallel leite ich aber auch relativ viele Workshops oder Web-Seminare für verschiedene Partnerorganisationen.“

Manchmal nervenaufreibend, das sei die Arbeit bei „youvo“. Doch eigentlich, sagt Anne, habe es noch nie einen Tag gegeben, an dem sie nicht gerne in ihr Büro in Wedding gegangen ist: „Was mich am meisten motiviert, ist unsere engagierte Community.“

Junge Leute für soziales Engagement motivieren

„Und dass ich die Möglichkeit habe, dabei zu sein, wie ein Projekt entsteht und der Organisation weiterhilft. Wir bekommen nicht selten E-Mails von Leuten, die berichten, dass sie, wenn es uns nicht geben würde, schon lange aufgegeben hätten.“

Wie man junge Leute für soziales Engagement motiviert, sei für viele soziale Organisationen ein wichtiges Thema. Der Nachwuchs lasse oft auf sich warten, selten spreche man in den Einrichtungen die Sprache der Jugend. „Da ist dann so eine Initiative wie unsere oft der Retter in der Not.“

Kommunikation wird entscheidender

Das „youvo“-Konzept geht auf. Mehr als 40 Prozent aller Kreativen, die sich eigentlich nur für ein Projekt gemeldet haben, treten langfristig dem Verein bei. Auch das motiviert Anne, mit ihrer Arbeit weiterzumachen.

Natürlich ist es aber vor allem motivierend, in einem Beruf zu arbeiten, in dem sie das eigene Potenzial voll ausschöpfen kann. Bei Anne ist es das Kommunikationstalent: „Ich glaube, richtiges Kommunizieren ist eine sehr zukunftsträchtige Fähigkeit.

Und zwar offen, wertschätzend und gewaltfrei zu kommunizieren. Das sind, denke ich, Eigenschaften, die auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft immer wichtiger werden – in allen Bereichen.“