Berlin. Logistik ist der drittgrößte Wirtschaftsbereich in Deutschland. Personal wird gesucht – Dabei sind die Karrierechancen vielseitig.

Auf den ersten Blick haben ein echter Picasso und eine Blutprobe nicht viel gemeinsam – außer dass ihr Transport sehr viel Sorgfalt und Fachwissen erfordern. Für kostbare Stücke, die von Museen und Galerien, Messeveranstaltern oder privaten Sammlern in alle Welt verschickt werden, ist Heiner Weber zuständig. Bei DB Schenker in Berlin leitet er die Abteilung Kunstlogistik.

Die Liebe zu seinem Beruf hat er vor rund 30 Jahren eher zufällig entdeckt: Während seines Jurastudiums in Münster jobbte er für eine Spedition, die Kunsttransporte organisierte – und blieb dabei: „Ich habe jeden Tag mit schönen Dingen und interessanten Menschen zu tun. Etwas anderes als Kunst zu transportieren, kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Weber, der bei DB Schenker ein 20-köpfiges Team leitet.

Marco Linke ist der Mann für die Blutproben: Für deren Transport ist er als Leiter der Zentrallogistik bei Medicover Diagnostic Services in Berlin unter anderem zuständig. Der internationale Gesundheitsdienstleister betreibt bundesweit rund 20 Medizinische Versorgungszentren und ein Dutzend Labore für Diagnostik. Neben der Belieferung der deutschen Medicover-Standorte mit sämtlichen Verbrauchsmaterialien organisiert Linke die anspruchsvolle Logistik rund um die medizinischen Proben.

Netzwerke sorgfältig steuern

Damit jeder Patient schnell die richtige Diagnose erhält, dürfen auf dem Weg aus der Praxis ins Labor und bis zur Zustellung der Befunde keine Fehler passieren. Verwechslungen, beim Transport verdorbene Blut- oder Gewebeproben oder auch der unsachgemäße Umgang mit infektiösem Biomaterial können ernste Folgen haben. Damit so etwas nicht passiert, muss Linke das Netzwerk aus 90 eigenen Fahrern und mehr als 40 Dienstleistern sorgfältig steuern.

Gleichzeitig soll die Medicover-Logistik aber, genau wie bei jedem anderen Produktions- oder Handelsbetrieb, agil und flexibel sein, um Standorte stets optimal auszulasten und Güterströme bei Bedarf schnell umzulenken.

„Logistik ist für mich mehr als ein Job“

Die Logistikprozesse bei Medicover hat der 32-jährige Berliner seit 2016 selbst mit aufgebaut. „Logistik ist für mich mehr als ein Job, fast schon wie ein Hobby“, sagt er. Dennoch ist auch der gelernte Kfz-Mechaniker, ähnlich wie Jurist Heiner Weber, eher zufällig in die Branche geraten.

Nach der Meisterschule entschied er sich 2012 für ein Studium. Fahrzeug- oder Maschinenbau erschienen dem Autofan jedoch zu technisch, seine Wahl fiel auf Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Logistik und Supply Chain Management an der bbw Hochschule in Berlin. „An Logistik hatte ich bis dahin noch nie gedacht“, so Linke.

Ein Praktikum im Supply Chain Management bei Mercedes-Benz in Ludwigsfelde bestätigte ihn jedoch in seiner Wahl. Zwei Jahre jobbte er dort als Werkstudent. Nach einer kurzen Zwischenstation als Logistikberater heuerte er 2016 dann bei Medicover an.

Die Branche – der unbekannte Riese

Vielen Studien- und Berufsanfängern geht es ähnlich wie Linke: Zwar muss von der Banane im Supermarkt über Blutproben und Befunde bis hin zum Bild im Museum praktisch alles von Logistikfachleuten transportiert werden. „Doch kaum jemandem ist bewusst, dass es sich hier um Deutschlands drittgrößten Wirtschaftsbereich handelt“, sagt Branchenexperte und Personalberater Bernd Vögele vom Jobportal Birdiematch (siehe Interview).

Mit mehr als drei Millionen Beschäftigten und einem Umsatz von 263 Milliarden Euro (Bundesvereinigung Logistik BVL) ist die Logistikbranche ein unbekannter Riese. Dabei ist Deutschland aufgrund seiner zentralen Lage und als führende Industrie- und Exportnation mit Abstand der größte Logistikmarkt in Europa.

Alle suchen Personal

Fast 60.000 Unternehmen bieten Logistikdienstleistungen an, darunter zahllose kleine und mittelständische Betriebe – aber auch Konzerne wie DHL, die Deutsche Bahn mit DB Schenker und DB Cargo, Kühne & Nagel, Dachser, Rhenus oder Hermes, die zu den größten Logistikdienstleistern der Welt gehören.

Sie alle suchen Personal – und zwar keineswegs nur Fahrer und Packer, sondern auch Planer und Strategen. Nur knapp die Hälfte der logistischen Leistungen bestehe in der Bewegung von Gütern, betont die BVL. Die andere Hälfte finde in der Planung, Steuerung und Umsetzung innerhalb von Unternehmen statt.

„Logistiker lösen jeden Tag komplexe Probleme und sorgen dafür, dass Menschen, Güter und Dienstleistungen dort sind, wo sie gebraucht werden“, so Personalberater Vögele. Globale Lieferketten aufzubauen, internationale Warenflüsse minutiös zu koordinieren, Lieferzeiten zu verkürzen oder Transport- und Lagerkosten zu optimieren erfordere eher Köpfchen als Muskeln, dennoch hätten Nachwuchskräfte die Karrierechancen oft nicht im Visier.

Digitalisierung ist Megatrend

Doreen Fischer kann das bestätigen: „Viele meiner Freunde haben anfangs gedacht, ich würde jetzt Umzugskisten packen.“ Nach dem Abitur absolvierte sie eine zweijährige Ausbildung zur Kauffrau für Logistik bei einem internationalen Dienstleister für Luft- und Seefracht in Frankfurt am Main. Auf die Idee dazu kam sie nach ihrer ersten Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin: „Ich habe mich schon immer für die große, weite Welt interessiert, doch mein Abschluss an der Sprachschule fiel 2008 mitten in die Wirtschaftskrise und es gab deshalb kaum Jobs.“

Doreen Fischer von Freighthub in Berlin
Doreen Fischer von Freighthub in Berlin © Freighthub | Freighthub

Rückblickend eine glückliche Fügung, denn statt nüchterne Geschäftskorrespondenz zu übersetzen, hat die 33-Jährige heute einen abwechslungsreichen Führungsposten. Seit Januar 2017 arbeitet sie für das Berliner Start-up FreightHub, wo sie mittlerweile den Bereich Seefracht leitet.

Hinter dem jungen Unternehmen stehen die Brüder Ferry und Fabian Heilemann, die 2011 ihr erstes Start-up DailyDeal für einen Millionenbetrag an Google verkauft haben. Jetzt wollen sie das traditionelle Speditionsgeschäft aufmischen.

FreightHub verspricht, den kompletten Prozess von Angebotseinholung, Buchung, Dokumentenmanagement, weltweitem Echtzeittracking der Fracht inklusive kurzfristiger Problembehandlung bis hin zu regelmäßigen Auswertungen der Logistikdaten schneller und transparenter zu gestalten.

Damit treffen die Gründer den Zeitgeist. Digitalisierung gilt auch in der Logistik als Megatrend. Jedes zweite Unternehmen sucht (laut BVL-Umfrage) IT-Fachkräfte, mehr noch als Fahrer, Disponenten oder Vertriebsmitarbeiter.

Motto in der Logistik: Zeit ist Geld

Umgekehrt schaffen gerade im Berliner Raum zahlreiche digitale Start-ups Jobs für Logistikprofis. Gefragt sind neben IT-Spezialisten und Vertriebskräften vor allem praxiserfahrene Logistiker, die das wachsende Tagesgeschäft routiniert abwickeln. So wie Doreen Fischer.

Als Teamleiterin ist sie bei FreightHub heute in erster Linie für On-the-Job-Trainings neuer Mitarbeiter und das tägliche Troubleshooting zuständig. „In der Logistik gilt: Zeit ist Geld, deshalb müssen offene Fragen und Probleme schnell geklärt werden“, sagt sie.

Maria Samuel von der Logistikberatung 4flow
Maria Samuel von der Logistikberatung 4flow © 4flow | 4flow

Ihren Kunden Zeit und Geld sparen lautet kurz gesagt auch der Auftrag an Maria Samuel. Bei der Berliner Logistikberatung 4flow betreut sie einen globalen Automobilzulieferer mit 60 Werken und mehr als 2.000 Lieferanten weltweit bei der täglichen Optimierung seiner Lieferkette. Samuel hat in Zwickau und Halle Chinesisch und Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Logistik studiert. Während des Masterstudiums jobbte sie für 4flow als Werkstudentin.

Inzwischen leitet sie als Supply Chain Managerin selbst ein eigenes Planungsteam. Neben einem guten Organisationsvermögen und analytischem Denken erfordert ihr Job vor allem Kommunikations­talent und Verhandlungsstärke.

International im Arbeitsalltag

Sie hatte die Wahl zwischen Beratertätigkeit mit wechselnden Projekteinsätzen und der langfristigen Zusammenarbeit mit einem Kunden von Berlin aus – Samuel hat sich für Berlin entschieden. Denn durch den täglichen Kontakt mit Lieferanten weltweit sowie durch ihre 4flow-Kollegen aus rund 20 Nationen gestaltet sich ihr Arbeitsalltag sehr international. „Ins Ausland zu gehen, ist bei 4flow aber jederzeit möglich“, sagt sie. Das könnte sich übrigens auch Marco Linke vorstellen: „Logistik ist eine weltumspannende Branche und mich reizt das internationale Geschäft.“