Trotz steigender Aktienkurse und einer Beruhigung der Finanzkrise ist die Krisenwährung Gold auf dem besten Weg, neue Höchststände zu erreichen.

Hamburg. Gestern kletterte der Goldpreis erstmals seit Februar 2009 über die Marke von 1000 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Beim Nachmittagsfixing in London wurde ein Preis von 1000,75 Dollar festgestellt, nach 1004,50 Dollar am Vormittag. "Der Markt will jetzt das historische Hoch vom März 2008 knacken, als eine Feinunze 1030 Dollar kostete", sagt Frank Schallenberger von der Landesbank Baden-Württemberg.

Das habe auch viele Spekulanten angelockt, die jetzt auf einen weiteren Preisanstieg setzen. Wenn die Kaufwelle der Investoren anhält, rechnet Jochen Hitzfeld, Rohstoffexperte bei Unicredit, bis Ende 2010 mit einem Goldpreis von 1400 Dollar je Feinunze.

Seit Jahresanfang legte das Edelmetall um rund 14 Prozent zu, Euro-Anleger profitierten nur zu elf Prozent und damit nur geringfügig mehr als Aktienanleger, denn der Deutsche Aktienindex (DAX) legte in diesem Zeitraum um rund zehn Prozent zu.

Aus Sicht der Experten gibt es eine ganze Reihe von Ursachen für den Preisanstieg des Edelmetalls. "Der Dollar neigt zur Schwäche, das stärkt traditionell Gold", sagt Schallenberger. Über die Schwäche der amerikanischen Währung sorgen sich vor allem die Anleger in Asien, denn der Dollar ist ihr bevorzugtes Wertaufbewahrungsmittel. China verfügt über Devisenreserven von zwei Billionen Dollar. Erst kürzlich hat die Regierung ihre Bürger offen dazu aufgefordert, Gold und Silber zu kaufen. Im Staatsfernsehen wird dafür geworben wie für Waschpulver.

Da für solche Käufe die Landeswährung in Dollar getauscht werden müsste, könnte China seine Dollar-Reserven reduzieren. Auch die chinesische Zentralbank hat ihre Goldbestände um 454 Tonnen auf 1054 Tonnen aufgestockt. Mit 1,8 Prozent an den chinesischen Währungsreserven ist der Anteil des Goldes aber immer noch sehr gering. Experten gehen davon aus, dass China Rückschläge beim Goldpreis zu Käufen nutzt. Russland will den Anteil von Gold an den Währungsreserven von vier auf zehn Prozent erhöhen.

In Europa und den USA sorgen sich die Anleger um die Folgen der milliardenschweren Konjunktur- und Rettungspakete. Die Anleger fürchten wegen der enormen Geldmengenausweitung der Notenbanken eine hohe Inflation. So erwartet der frühere US-Notenbankchef Alan Greenspan zweistellige Inflationsraten in den USA. Gold gilt als Inflationsschutz und Ersatzwährung. In den Jahren mit hoher Inflation ist es im Schnitt um 15 Prozent gestiegen - nach Abzug der Inflationsrate. "Die Nachfrage nach Gold hat seit dem Ende der Feriensaison wieder deutlich zugenommen", sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg.

Das bestätigt auch Goldexperte Martin Siegel, der die Internet-Edelmetallhandelsplattform Westgold betreibt. "Wenn die Nachfrage jetzt so anhält, könnte es schon in einer Woche zu Lieferengpässen bei Münzen und Barren kommen", sagt er. Für den jüngsten Preisschub macht er aber die Investmentbanken verantwortlich. Sie würden mit Blick auf die Inflationsgefahren in Sachwerte, also auch in Gold, investieren.

Auch von der Jahreszeit passt der Preisanstieg: In den letzten 20 Jahren kletterte die Feinunze im September im Durchschnitt jeweils um 2,9 Prozent. Denn die Nachfrage nach physischem Gold in der Schmuckindustrie ist im September und Oktober traditionell am größten. In Indien beginnt die Hochzeitssaison, in der viel Goldschmuck verschenkt wird. Schmuckhersteller decken sich ein, um rechtzeitig für die weihnachtliche Einkaufssaison in den USA gerüstet zu sein.

Doch wie hoch die Nachfrage in diesem Marktsegment in diesem Jahr ausfallen wird, ist noch offen. Die US-Bürger sparen massiv, seit die Immobilienpreise fallen. Goldschmuck wird deshalb nicht mehr an erster Stelle auf dem Wunschzettel stehen. Auch an Indien geht die Finanzkrise nicht spurlos vorüber: Während der weltgrößte Goldnachfrager im vergangenen Jahr noch 675 Tonnen des Edelmetalls importierte, wird in diesem Jahr nur noch mit 250 Tonnen gerechnet.